Wort der Päpste
Benedikt XVI. - Segen Urbi et Orbi zu Weihnachten 2010 |
Geschrieben von (ksf) am 30.12.2010 |
Rom (kath.net/as)
„Verbum caro factum est.“ – „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14).
Liebe Brüder und Schwestern, die ihr mich in Rom und auf der ganzen Welt hört, mit Freude verkünde ich euch die Botschaft von Weihnachten: Gott ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. Gott ist nicht fern: Er ist nahe, ja, er ist der „Immanuel“, der „Gott mit uns“. Er ist kein Unbekannter: Er hat ein Gesicht, das Gesicht Jesu.
Es ist eine stets neue, stets überraschende Botschaft, die all unsere kühnsten Hoffnungen übersteigt – vor allem, weil es nicht bloß eine Botschaft ist: Es ist ein Ereignis, ein Geschehen, das glaubwürdige Zeugen in der Person des Jesus von Nazaret gesehen, gehört, angefaßt haben. Als sie mit ihm lebten, seine Taten sahen und seine Worte hörten, haben sie in Jesus den Messias erkannt; und wie sie ihn nach seiner Kreuzigung als Auferstandenen sahen, hatten sie die Gewißheit, daß ER als wahrer Mensch zugleich wahrer Gott war, der einzige Sohn vom Vater, voll Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1,14).
„Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Angesichts dieser Offenbarung steigt in uns nochmals die Frage auf: Wie ist das möglich? Das Wort und das Fleisch sind einander entgegengesetzte Wirklichkeiten; wie kann das ewige, allmächtige Wort ein schwacher, sterblicher Mensch werden? Es gibt nur eine Antwort: die Liebe. Wer liebt, möchte mit dem Geliebten teilen, mit ihm vereint sein, und die Heilige Schrift stellt uns eben die große Geschichte der Liebe Gottes für sein Volk vor, die in Jesus Christus gipfelt.
Gott ändert sich eigentlich nicht: Er ist sich selbst treu. Der die Welt erschaffen hat, ist derselbe, der Abraham gerufen und Mose seinen Namen offenbart hat: Ich bin der „Ich-bin-da“, … der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, … ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue (vgl. Ex 3,14.15; 34,6). Gott verändert sich nicht, er ist seit jeher und für immer Liebe. Er ist in sich selbst Gemeinschaft, Einheit in der Dreifaltigkeit, und alle seine Werke und Worte streben nach Gemeinschaft. Die Menschwerdung Gottes ist der Höhepunkt der Schöpfung. Als Jesus, der menschgewordene Sohn Gottes, nach dem Willen des Vaters und durch die Kraft des Heiligen Geistes im Schoß Marias Gestalt annahm, erreichte die Schöpfung ihren Gipfel. Das Prinzip, welches das All ordnet, der Logos, begann, in der Welt, in Raum und Zeit zu existieren.
„Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Das Licht dieser Wahrheit zeigt sich dem, der es mit Glauben aufnimmt, da es ein Geheimnis der Liebe ist. Nur wer sich der Liebe öffnet, wird vom Licht der Weihnacht umfangen. So war es in der Nacht von Betlehem, und so ist es auch heute. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist ein Ereignis, das in der Geschichte geschehen ist, über diese aber zugleich hinausgeht. In der Nacht der Welt wird ein neues Licht entzündet, das sich den einfachen Augen des Glaubens, dem gütigen und demütigen Herzen, das den Erlöser erwartet, zeigt. Wenn die Wahrheit bloß eine mathematische Formel wäre, drängte sie sich gewissermaßen von selbst auf. Wenn jedoch die Wahrheit Liebe ist, verlangt sie Glauben, das „Ja“ unseres Herzens.
Und was sucht wirklich unser Herz, wenn nicht eine Wahrheit, die Liebe ist? Das Kind sucht sie mit seinen oft entwaffnenden und anregenden Fragen; sie sucht der junge Mensch, der den tiefen Sinn des eigenen Lebens finden muß; Männer und Frauen in reiferen Jahren suchen sie, um die Aufgaben in der Familie und in der Arbeit zu leiten und zu tragen; sie sucht der alte Mensch, um seinem irdischen Leben Erfüllung zu geben.
„Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Die Nachricht von Weihnachten ist Licht auch für die Völker, für den gemeinsamen Weg der Menschheit. Der „Immanuel“, der „Gott mit uns“, kam als König der Gerechtigkeit und des Friedens. Sein Reich – wie wir wissen – ist nicht von dieser Welt, und doch ist es wichtiger als alle Reiche dieser Welt. Es ist wie der Sauerteig der Menschheit: Wenn er fehlte, ließe die Kraft nach, welche die wahre Entwicklung voranbringt – der Ansporn, für das Gemeinwohl, im selbstlosen Dienst am Nächsten, im friedlichen Kampf für die Gerechtigkeit zusammenzuarbeiten. An Gott glauben, der unsere Geschichte teilen wollte, ist eine ständige Ermutigung, sich für diese Geschichte, auch inmitten ihrer Widersprüchlichkeiten, einzusetzen. Es ist Grund zur Hoffnung für all jene, deren Würde beleidigt oder verletzt wurde, da ER, der zu Betlehem geboren wurde, gekommen ist, den Menschen von der Wurzel jeder Knechtschaft zu befreien.
Das Licht von Weihnachten strahle von neuem in jenem Land auf, wo Jesus geboren wurde, und leite Israelis und Palästinenser bei der Suche nach einem gerechten und friedlichen Zusammenleben. Die trostbringende Verkündigung des Kommens des Immanuels lindere den Schmerz der geliebten christlichen Gemeinden im Irak und im ganzen Nahen Ostern und stärke sie in ihren Prüfungen; sie schenke ihnen Kraft und Hoffnung für die Zukunft und beseele die Verantwortlichen der Nationen zu einer tätigen Solidarität ihnen gegenüber. Dies geschehe auch zugunsten aller, die in Haiti immer noch an den Folgen des verheerenden Erdbebens und der jüngsten Choleraepidemie leiden. Ebenso sollen diejenigen nicht vergessen werden, die in Kolumbien und Venezuela, aber auch in Guatemala und Costa Rica vor kurzem Naturkatastrophen erleiden mußten.
Die Geburt des Erlösers eröffne den Menschen in Somalia, Darfur und in der Elfenbeinküste Perspektiven eines beständigen Friedens und eines echten Fortschritts; sie fördere die politische und soziale Stabilität in Madagaskar; bringe Sicherheit und Achtung der Menschenrechte in Afghanistan und Pakistan; fördere den Dialog zwischen Nicaragua und Costa Rica sowie die Versöhnung auf der Halbinsel Korea.
Die Feier der Geburt des Erlösers stärke die Gläubigen der Kirche in Kontinental-China im Geist des Glaubens, der Geduld und des Mutes, daß sie wegen der Einschränkungen ihrer Religions- und Gewissensfreiheit nicht verzagen, sondern in der Treue zu Christus und seiner Kirche ausharren und die Flamme der Hoffnung am Leben erhalten. Die Liebe des „Gottes mit uns“ verleihe Beharrlichkeit allen christlichen Gemeinden, die Diskriminierung und Verfolgung erleiden, und leite die politischen und religiösen Führungskräfte dazu an, sich für die volle Achtung der Religionsfreiheit aller einzusetzen.
Liebe Brüder und Schwestern, „und das Wort ist Fleisch geworden“ und hat unter uns gewohnt, es ist der Immanuel, der Gott, der uns nahe ist. Betrachten wir gemeinsam dieses große Geheimnis der Liebe, lassen wir unser Herz hell werden vom Licht, das in der Grotte von Betlehem leuchtet! Gesegnete Weihnachten euch allen!
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Letzte Änderung: 31.12.2010 um 17:59
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