Spiritualitätsformen

Benediktinische Familie

Geschrieben von (ksf) am 12.12.2011
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Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

I - Das Klösterliche Leben

1. Sinn und Wert der klösterlichen Übungen

2. Das Chorgebet

- Die Vigilien und der Beginn des Tages

- Das Chorgebet am Tag

- Die Vorbereitung zum göttlichem Offizium

- Seine Verrichtung

3. Die Feier des heiligen Opfers

4. Der gesammelte Tag

- Das Gebetsleben

- Der Wandel vor Gott

- Die Betrachtung

- Die geistliche Lesung

- Gebetsübung

5. Die Reinheit des Herzens

- Das ungeteilte Herz

- Die Seelenführung

- Die Gewissensbildung

- Die Beichte

6. Die Zurückgezogenheit

- Die Klausur

- Schweigen und Reden

- Vom Umgang mit den Menschen

7. Die Arbeit

- Sinn der klösterlichen Arbeit

- Die geistige Arbeit

- Körperliche Arbeit

- Seelsorgerliche Arbeit

- Die Ämter im Kloster

8. Die klösterliche Gemeinschaft

- Das klösterliche Mahl

- Die klösterliche Erholungszeit

9. Die Nacht im Kloster

 

II - Grundhaltungen des Mönches

 

1. Wahrhaft Gott suchen (Kap.58)

2. Im Glauben voran! (Prolog)

3. Christus über alles

4. Beständigkeit in der Gemeinschaft (Kap.1;4)

5. Alles gemeinsam (Kap.33)

6. Eifer zum Gehorsam (Kap.58)

7. Eifer zur Demut (Kap.7;58)

8. Dem Gebet häufig obliegen (Kap.4)

9. Eifer zum Gottesdienst (Kap.58)

 

 

MEINEM ABTE UND MEINEN MITBRÜDERN DER ABTEI GERLEVE

 

Vorwort zur zweiten Auflage

 

Die "Schule des Herrn" wurde in Anlehnung an ähnliche praktische Enchiridien, an denen die monastische Tradition reich ist, erstmals im Jahre 1911 unter dem Titel: "De vita regulari" in lateinischer Sprache herausgegeben. Auf vielfachen Wunsch arbeitete der Verfasser sein allgemein geschätztes Büchlein im Jahre 1953 um und schenkte es uns in deutscher Sprache wieder von neuem. Auch in dieser neuen Gestalt verschaffte sich das Büchlein, dem der Beuroner Kunstverlag ein würdiges Gewand gegeben hat, durch seine Einfachheit, Vornehmheit und schlichte Frömmigkeit hohes Ansehen, so dass Übersetzungen in mehrere Sprachen notwendig wurden.

Man suche in dieser "Wegweisung benediktinischen Lebens" nichts anderes, als die sichere geistige Führung eines nicht erfahrenen und wissenden, frommen Mönches durch den praktischen monastischen Alltag, angefangen vom Aufstehen zu den Vigilien bis zum Schlafengehen nach einem erfüllten und geweihten Tag. Auch in unsrer tief aufgewühlten Gegenwart gibt es noch immer viele Gottsucher, auch außerhalb der benediktinischen Klöster, die eine solche Wegweisung dankbar annehmen. Ihnen bietet der greise Verfasser noch einmal seine helfende Hand, bevor ihn selbst die Vaterhand Gottes heimführt in das Klaustrum der Ewigkeit. Das ehrwürdige Wort dieses Geistesmannes bedarf keiner Empfehlung mehr. Es bleibt uns nur die Pflicht des Dankens, die ich im Namen vieler, vor allem aber im Namen meiner Mitbrüder hiermit freudig erfülle.

 

Abtei St. Joseph Gerleve über Coesfeld, Epiphania Domini1958

 

+Pius Buddenborg OSB - Abt

 

1. Sinn und Wert der klösterlichen Übungen

 

Das Kloster des hl. Benediktus will, wie er selbst im Vorwort seiner Ordensregel es ausspricht, eine "Schule des Herrendienstes" sein, in der mann lernt, sein Leben in den Dienst Christi, des Herrn, zu stellen durch treue Befolgung seiner Lehre und seines Beispiels. Für diese Schule hat der heilige Benedikt seine Regel als Lehrbuch geschrieben, die ob der Heiligkeit ihres Verfassers, ob ihres vielhundertjährigen Ansehens in der heiligen Kirche, ob ihres wunderbaren Reichtums an Früchten der Heiligkeit ehrwürdig ist. In ihr erweist sich Benedictus wirklich als gotteserleuchteter Führer des geistlichen Lebens. Nicht eigene Wege will er führen, sein Weg ist der Weg Christi, wie der Herr selbst ihn durch Wort und Beispiel im heiligen Evangelium uns gezeigt hat. "Wir wollen unter Führung des Evangeliums Christi Wege gehen" (Prolog)  *).

 

*) Zitate aus der heiligen Regel werden jeweils mit `Prolog´ oder ´Kap. 2´ usw. angeführt, solche aus dem zweiten Buch der Dialoge des heiligen Papstes Gregor d. Gr. in dem uns das Leben des hl. Benedikt überliefert wird, mit ´Dial. 2, 13´ usw.

 

Die heilige Regel will das Evangelium also in keiner Weise in den Schatten stellen, sondern nur Transparent sein für Christus. Wer tiefer in die heilige Regel eindringt, dem tritt überall die Lichtgestalt Christi entgegen: bald als Vater, bald als Lehrer, bald als Herr und König, bald als Richter, als Hausvater, als Guter Hirt; Christus allein ist die große Liebe des Mönches. Ihm zieht er nichts vor (vgl. Kap.4;5;72).

 

So will die heilige Regel nach ihren eigenen Worten nur "Schule Christi" (Prolog) sein, "in dessen Lehre man bis zum Tode verharrt" (a.a.O.).Der heilige Benedikt hat also wohl recht, wenn er das Kloster als "Schule des Herrendienstes" bezeichnet, darin man nicht hohe Wissenschaft lernt, wohl aber die wichtigste Aufgabe des christlichen Lebens: Christus, dem Herrn, in treuer Nachfolge zu dienen.

 

Diese Aufgabe des Herrendienstes lehrt die heilige Regel vorzüglich in den täglichen Übungen des klösterlichen Lebens. Sie bilden den Hauptinhalt der heiligen Regel. Gewiß bietet sie auch grundlegende Unterweisungen voll tiefer Weisheit über das geistliche Leben, so bei der Behandlung der hauptsächlichsten monastischen Tugenden oder bei der Einrichtung der klösterlichen Gemeinschaft. Aber hierin ist sie meist kurz, verweist auf die Lehre der Heiligen Schrift und der heiligen Väter (vgl. Kap. 73), und beschneidet sich selbst, das Leben des Mönches durch die klösterliche Tagesordnung zu erfassen und zu formen.

 

Die Übungen des klösterlichen Lebens stellen eine in Fleisch und Blut übergegangene heilige Lebensweise dar und sind als solche eine deutlichere, unmittelbarere Prägung des monastischen Geistes als bloß mündliche oder schriftliche Unterweisung. Sie sind monastisches Erbgut aus bester Tradition, Niederschlag eines hohen Glaubengeistes, erprobt in langjähriger Erfahrung, ehrwürdig durch die Übung vieler Tausende von Mönchen. Ihre Beobachtung ist deshalb ein weit sicherer Weg zur Vollkommenheit als geistreiche Theorien, die im Leben noch nicht erprobt sind und deshalb immer Wagnis bleiben.

 

Aus einem reichen, teifen Leben geboren, wollen diese Übungen neues Leben wecken, bewahren und vertiefen. Es geht im Mönchtum um Hohes: um Erfüllung der Gebote Gottes, um Nachfolge Christi im täglichen Leben, um ernstes Mühen und Ringen um die christliche Vollkommenheit. Darum stellt uns die heilige Regel unseren Beruf mit Vorliebe als konkrete Ausführung bestimmter Aufgaben hin. Sie gibt "Werkzeuge guter Werke" (Kap. 4) in die Hand, mit denen man in der Werkstatt des Klosters Tag und Nacht unablässig arbeitet.

 

So ist der Gehorsam mühevolles Voranschreiten auf dem engen Weg, der zu Gott und dem ewigen Leben führt, und Kämpfen für Christus in ernster Selbstverleugnung (vgl. Prolog; Kap. 5; 71). Die Demut ist Himmelsleiter mit zwölf Stufen, auf denen man zur Vollkommenheit emporsteigt (vgl. Kap.7).

 

Die Gebetspflicht des Mönches ist in bestimmten Gebetsstunden bei Tag und Nacht geregelt (vlg. Kap. 8-18). Die heilige Regel will also nicht so sehr ein theoretisches Lehrbuch als vielmehr eine schlichte Anweisung sein, das Leben nach dem Evangelium gemäß den besten Überlieferungen des Mönchtums praktisch zu formen.

 

Den Geist des Evangeliums soll im Sinn des alten Mönchtums das geregelte Leben mit seinen verschiedenen Übungen anerziehen. Wer sein Leben durch treue Befolgung dieser Übungen gestalten läßt, wächst von selbst immer tiefer in den christlichen Glaubensgeist hinein. Darum ist auch ein treues, geregeltes Leben eine so sichere Schule christlicher Vollkommenheit. Allerdings besteht diese Treue nicht zunächst und entscheidend in der bloß äußeren Korrektheit der klösterlichen Disziplin, sondern in dem folgsamen inneren Eingehen auf den Geist, aus dem sie geboren ist. Diesen Geist zu lernen und zu erfassen, dazu möchte dieses Büchlein zumal den Anfängern eine kleine Hilfe sein.

 

Der Wert der klösterlichen Übungen ist ein vielfacher; besonders hoch steht "das Gut des Gehorsams" (Kap. 71), das sie in sich tragen. Sie sind angeordnet durch die heilige Regel und die Satzungen. Wie du in jedem Befehl des Oberen gläubigen Sinnes die Stimme Gottes hörst, so darfst du bei jeder von der heiligen Regel vorgeschriebenen Übung die frohe Zuversicht haben, dem heiligen Willen Gottes zu begegnen und ihn zu erfüllen. Der Wille Gottes ist aber unsere Heiligung (vgl. 1 Thess 4, 3). Mögen also andere Werke noch so heilig erscheinen und mögen viele sich mit großem Nutzen darin üben, du kannst Gott nur gefallen und in der Vollkommenheit voranschreiten, wenn du diese vom Gehorsam dir auferlegten Übungen treu erfüllst.

 

Das ist die erste Aufgabe, die Gott in der Werkstätte des Klosters von seinem Arbeiter verlangt. Sie gibt der klösterlichen Heiligkeit das eigenartige Gepräge, auf das die Gnaden des Berufes zuerst hingeordnet sind. Auf diesem Wege des Gehorsams wirst du sicher zu Gott gelangen (vgl. Prolog; Kap. 71). Ein anderer Weg wäre Irrweg, und wenn er noch so erhaben schiene. Und was nützt es, auf einem Irrweg mit großen Schritten voranzugehen? Ein weiterer Vorzug des geregelten klösterlichen Lebens ist der Schutz der Demut.

 

Die geregelten Übungen werden von allen gleicher weise vorgenommen. Es liegt also nichts in ihnen, was unter dem Schein des Besonderen die Augen der Menschen auf sich ziehen und der Eitelkeit schmeicheln könnte. Das einzige, was du dem anderen voraushaben kannst, ist die reine Absicht, und die sieht und lohnt nur Gott. "Die achte Stufe der Demut besteht darin, dass der Mönch nichts anderes tut, als wozu ihn die gemeinsame Regel und die Beispiele der Älteren ermahnen" (Kap. 7).

 

Ferner werden die geregelten Übungen von der Gemeinschaft und in der Gemeinschaft vollführt. Gemeinschaft ist ein Wahrzeichen der Jünger Christi. Auf sie hat der Sohn Gottes hienieden sein Werk gegründet. Obwohl er durch die Würde seiner Person die gesamte Menschheit überragte, wollte er doch nie anders als in menschlicher Gemeinschaft leben. Als Menschensohn fügt er sich einer Familie ein und gehört ihr dreißig Jahre lang an. Dann sammelt er Jünger um sich und nennt sie seine Brüder. Durch die Apostel ruft er die Völker der Erde in seine Kirche und geht mit ihr die unauflösliche Verbindung von Haupt und Leib ein. Bevor der göttliche Meister im Tod die Seinen verlassen muss, setzt er die heilige Eucharistie ein und schafft dadurch die innigste Gemeinschaft mit jedem seiner Gläubigen.

 

Eine solche Vorliebe des Gottmenschen für Einheit und Gemeinschaft darf uns nicht befremden. Ist er doch aus der höchsten Einheit zu uns herabgestiegen, aus dem Schoße der Heiligsten Dreieinigkeit, in der Sein und Leben eins sind. Die klösterliche Gemeinschaft ist auch für unser geistliches Leben eine ständige wertvolle Hilfe. In ihr hast du das Beispiel deiner Mitbrüder. Jeder hat seine eigene Gabe von Gott empfangen. Sei nur demütig, und du kannst von jedem lernen. In der Gemeinschaft genießest du die Liebe der Mitbrüder.

 

Durch Gebet und Hilfeleistung jeder Art sind sie dir, wie die heilige Regel sagt, "Trost und Stütze" (Kap. 1; 31; 35) und erleichtern des Tages Last. Dir gehören auch die Verdienste der Mitbrüder mit an. Sie ergänzen, was Deiner Armut mangelt. Die Gesundheit und Kraft eines Gliedes wird für alle übrigen zum Nutzen. Und nicht nur die Mitbrüder, die jetzt mit dir zusammenleben, sind dir "Trost". Dazu kommen die ungezählten Glieder unserer Ordensfamilie, die uns auf dem gemeinsamen Pfad der heiligen Regel zum Himmel vorangegangen sind. Sie alle dürfen wir als Brüder und Schwestern begrüßen und anrufen. Ihre Beispiele, Verdienste, Fürbitten sind ein unerschöpflicher Familienschatz, der jedem Glied der Familie offen steht. Wahrlich "Kinder der Heiligen sind wir" (Tob 2, 18). Bewahren wir unseren Ruhm, halten wir fest am Erbe der Väter in treuer Befolgung unserer klösterlichen Zucht.

 

Regeltreues Gemeinschaftsleben ist der ordentliche Inhalt unseres Herrendienstes. Eigenmächtiges abweichen davon wäre verhängnisvoll. Doch gibt es Ausnahmen, die von der heiligen Regel selbst als berechtigt anerkannt werden. Solche Ausnahmen sind die Erleichterungen, die vom Oberen wegen körperlicher Schwäche gewährt werden. Der eifrige Mönch wird Erleichterungen nie suchen, sondern Gott danken, wenn er in Reih und Glied mit seinen Mitbrüdern stehen darf (Kap. 34). Darum erbitte sie nur im Notfall oder noch besser, überlass dem Oberen die Entscheidung nach Darlegung deiner Bedürfnisse. Legt er sie dir auf, dann nimm das Dargebotene dankbar an und übe hierin Demut und Gehorsam.

 

Halte auch stets das Ziel im Auge, das unser heiliger Vater Benedictus durch Gewährung solcher Ausnahmen erstrebt. Es soll die Bürde den Kräften der einzelnen angepasst werden, dass niemand wegen zu schwerer Belastung den Mut und die Freude verliere, sondern alle, ob stark oder schwach, ihren Beruf in voller Geistesfreiheit und innerem Frieden erfüllen können. Denn nicht an der Mühsal der Arbeit hat Gott seine Freude, sondern an der frohbereiten Hingabe des Herzens.

 

 

2. Das Chorgebet

 

Die Vigilien und der Beginn des Tages

 

Nach altmonastischer Überlieferung beginnt der Mönch den Ehrendienst des Gotteslobes bereits in den Stunden der Nacht. "Nachts wollen wir aufstehen, Gott zu preisen" (Kap. 16). Die stillen Stunden der Nacht sind ihm in Nachahmung des Beispieles unseres Herrn nicht nur Zeiten der Ruhe, sondern auch des Gebetes und deshalb "die heiligste Tageszeit" (Hymnus der Sonntagsvigilien). Darum trägt auch die erste Gebetsstunde den Namen: Vigilien (Nachtwache). Die Vigilien sind der Grundstock des täglichen Offiziums und bilden seinen bedeutsamsten Bestandteil. An Umfang wie an innerem Reichtum übertreffen sie die übrigen Stundengebete.

 

Der Abbruch an Schlaf, den das Aufstehen zu nächtlicher Stunde kostet, ist das erste Opfer, womit der Mönch seinen Tag beginnt. Diese Selbstverleugnung, hochherzig geübt, ist ihm Ansporn und Kraft, den Tag hindurch auf dem königlichen Weg des Kreuzes unentwegt auszuharren. "Nicht vergeblich sei es euch", ruft die heilige Kirche zu Beginn der Vigilien der Fastensonntage uns zu, "früh vor dem Tageslicht aufzustehen, denn der Herr hat den Wachenden die Siegeskrone verheißen".

 

Beim Erwachen erhebe alsbald Herz und Geist zu Gott empor. Wenn es deine stete Sorge als Mönch ist, "Gott auch der erste sein, dem die Gedanken und Affekte der Seele gleich beim Erwachen sich zuwenden. Bezeichne dich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und bringe Gott in einem Gloria Patri die erste Huldigung dar. "Die Zunge preis als ersten Dich, / Des Geistes Glut umfange Dich, / Du sollst der Anfang, Heiliger, / Des neu begonnenen Wandels sein" (Hymnus der Vigilien am Montag). Verscheuche aus deinem Geist alle eitlen, unnützen Gedanken und Sorgen, damit dein Herz frei sei für den Verkehr mit Gott. "Christus erscheint. Ihr Schatten, weicht" (Hymnus der Laudes, Mittwoch).

 

Das Chorgebet am Tag

 

In den Tages-Horen schließt sich das göttliche Offizium an den Ablauf des Tages an, um den ganzen Tag Gott zu weihen. Die Laudes feiern seinen Anbruch und begrüßen in der aufgehenden Sonne den Herrn, der in den Gnaden des neuen Tages sich uns wieder als Licht des Lebens schenken will.

Die Prim erbittet als das Morgengebet der Kirche Gottes Segen und Schutz für die Aufgaben des Tages. In ihrem zweiten Teil wird das Martyrologium verkündet, das uns durch die Erinnerung an das Heldentum der Heiligen zu hochherziger Nachfolge aufruft. Die Lesung der heiligen Regel, womit die Prim schließt, hören wir mit ehrfürchtiger Dankbarkeit, wie der hl. Benedikt uns in den ersten Worten des Prologs mahnt.

 

Die Terz - sie erinnert an die Herabkunft des Heiligen Geistes und geht unmittelbar dem Konventamt voraus -, Sext und Non begleiten die Tagesarbeit und unterbrechen sie kurz, damit der Geist immer wieder aus den irdischen Geschäften zu Gott erhoben werde. Die Vesper beschließt die liturgische Feier des Tages. Darum wird sie mit besonderer Festlichkeit gefeiert; sie wird täglich gesungen. An Sonn- und Festtagen inzensiert der Priester in Paramenten den Altar. Nach altmonastischer Überlieferung hat die Vesper eine besondere Beziehung zum heiligen Opfer Christi, das beim heiligen Abendmahl und am Kreuz gegen Abend gefeiert wurde. Mit der Komplet wird der Tag beschlossen und die Nachtruhe geheiligt.

 

Die Vorbereitung zum göttlichen Offizium

 

"Dem Gottesdienst darf nichts vorgezogen werden" (Kap. 43). Daraus entnimm, welchen Eifer du auf alles verwenden musst, was sich auf das heilige Offizium bezieht. Hier im Dienst des höchsten Gottes ist nichts unbedeutend. Zur entfernteren Vorbereitung gehört das Eindringen in den Sinn der Feierformen des Gottesdienstes. Begnüge dich dabei aber nicht mit äußerer Korrektheit. Denn unser Geist muss mit Wort und Werk in Einklang stehen (vgl. Kap. 19). Suche immer mehr den Sinn der Gebete und Feiern zu erfassen. Durchgehe täglich wenigstens die Tagesmesse und die Lesungen der Vigilien, zu gelegener  Zeit auch die übrigen Teile des Offiziums, so dass du am Schluss des Noviziats ein erstes Verständnis des ganzen Breviers gewonnen hast.

 

Mit besonderem Eifer gib dich dem Studium der Psalmen hin, die den Hauptinhalt des göttlichen Offiziums bilden. Nimm sie auch gern zur Betrachtung und zum privaten Gebet und ahme hierin das Beispiel unserer Väter nach, denen der Psalter unerschöpfliche Fundgrube innerlichen Lebens und Betens war.

 

Sobald du dann das Zeichen zum Gottesdienst vernimmst, sprich mit den drei Weisen: "Das ist das Zeichen des großen Königs, auf, lasst uns gehen!" (Epiphanie, Antiphon). Verlass nach der Mahnung der heiligen Regel noch eiliger als sonst, wenn der Gehorsam ruft, alles was du in Händen hast und gehe zur Kirche. Dabei kannst du diese aber ähnliche Psalmverse beten: Bereit ist mein Herz, o Gott, bereit, Dir zu singen und Dich zu loben. Wach auf, meine Seele, wach auf, du Harfe und Zither" (Ps 56, 8). "Lobpreise, meine Seele, den Herrn und alles in mir Seinen heiligen Namen" (Ps 102, 1). "Gut ist es, den Herrn zu preisen und zu lobsingen Deinem Namen, Höchster" (Ps 91, 2).

 

Um den heiligen Dienst wahrhaft ernst zu nehmen, sei eingedenk, dass du ihn nicht bloß als Privatperson im eigenen Namen, sondern im Auftrage und Namen der ganzen heiligen Kirche feierst (vgl. Pius XII., Mediator Dei). Die ganze Kirche will durch deinen Dienst Gott ihre Liebe und Ehrfurcht zeigen und legt dazu ihre Gebetsaffekte dir in Mund und Herz. Gleicherweise erwartet sie als Frucht deines Gebetes den Gnadensegen Gottes für ihr Arbeiten und Kämpfen, so wie einst Moses vom Berg aus betend den kämpfenden Israeliten beistand und ihnen zum Sieg verhalf. Welch große, heilige Aufgabe vertraut hier die heilige Kirche dir an. Hüte dich, ihr Vertrauen zu enttäuschen.

 

Ehe wir zum Tagesoffizium in den Chor gehen, sammeln wir uns auf der "Statio". Sie ist eingeführt, einmal, um geordnet zum Gottesdienste einzuziehen; hauptsächlich aber, um in Ruhe und Schweigen den Geist zu einer letzten Vorbereitung zu sammeln, ihn von Zerstreuungen zu befreien und ganz für Gott zu öffnen. Erwecke dabei fromme Akte, wie sie das 19. und 20. Kapitel der heiligen Regel nahelegen: Ehrfurcht vor der Gegenwart der göttlichen Majestät; Zerknirschung wegen der begangenen Fehler; liebende Hingebung an Christus, mit dessen hohenpriesterlichem beten am Throne Gottes du dein Gebet vereinigen darfst. Bein Zeichen des Oberen ziehen wir paarweise in den Chor ein, gesenkten Blickes in Zucht und Ehrfurcht.

 

Die Verrichtung des göttlichen Offiziums

 

 Man unterscheidet eine dreifache Achtsamkeit auf das Gebet: eine äußerliche, die dem richtigen äußeren Vollzug gilt; eine innerliche im Anschluss an den Sinn der Worte und Zeremonien; eine geistlich, die in freierer Weise auf die Vereinigung des Herzens mit Gott geht. Von der ersten Art sagt der ehrwürdige Abt Blosius: Sei überzeugt, auch nicht die kleinste Silbe, nicht eine einzige Note des Gesanges oder Neigung des Hauptes ist vor Gott ohne Verdienst, wenn der Geist wachsam, die Absicht rein, die Liebe lauter ist. Diese Aufmerksamkeit wird jederzeit und von allen gefordert, um das göttliche Offizium vorschriftsmäßig zu verrichten und seiner Pflicht zu genügen.

 

Die mehr innerliche Aufmerksamkeit auf den Sinn des heiligen Offiziums beschreibt der heilige Augustinus also: "Wenn der Psalm bittet, so bitte mit ihm; seufzt er, so seufze mit ihm; dankt er freudig, so freut euch; hofft er, hoffet auch ihr, und wenn er fürchtet, fürchtet mit ihm. Denn alles, was hier geschrieben steht, ist ein Spiegel für uns"(Enarr. in Ps 30, 3).

 

Es ist dies die Aufmerksamkeit, welche der hl. Benedikt (Kap. 19) verlangt: "So wollen wir zum Psallieren stehen, das unser Geist mit unserer Stimme in Einklang ist." Und Cassian schreibt in seinen vom hl. Benedikt hochgeschätzten Unterredungen der Väter: "Der Mönch nehme alle in den Psalmen enthaltenen religiösen Werte in sich selbst auf und bete so, als stammten sie nicht vom Psalmisten, sondern als entströmten sie wie eigenes Gebet ihm selbst aus tiefer Ergriffenheit des Herzend. Oder er betrachte sie wenigstens als auf seine Person bezogen, so als sei ihr Inhalt nicht bloß damals durch den Propheten in Erfüllung gegangen, sondern geschehe und erfülle sich täglich im eigenen Leben" (Coll. 10, 11).

 

Diese Achtsamkeit ist für die, welche den Sinn der Worte verstehen, die naturgemäße, der Lehre der heiligen Väter und dem Geist der heiligen Kirche durchaus entsprechend und auch deshalb empfehlenswert, weil sie subjektiven Anwandlungen weniger Raum bietet. Die dritte Art der Achtsamkeit geht mehr unmittelbar auf Gott oder auf die Geheimnisse, welche gefeiert werden. Sie passt zunächst für die, welche den Wortsinn nicht genügend kennen. Sie wird aber auch mit Frucht von denen angewandt, welche den Text verstehen, wenn diese geistliche Achtsamkeit durch den Text selbst nahegelegt wird und beides, der Wortsinn und eine tiefere Erfassung der heiligen Geheimnisse, miteinander verbunden wird.

 

So schließt sich namentlich die Achtsamkeit auf die Geheimnisse Christi, wie sie in der heiligen Liturgie gefeiert werden, leicht und fruchtbar an den Wortsinn an, da nach der Lehre der heiligen Väter die Psalmen nicht bloß vom Psalmisten, sondern durch ihn prophetisch aus dem Herzen und Mund Christi gebetet werden: "In David war Christus" Augustinus, Pred. 175). Zur Bewahrung der Sammlung mag es dienen, bei einzelnen Stellen des heiligen Offiziums die Andacht neu zu wecken, so z. B. beim "Gloria Patri" und überhaupt bei den Doxologien, den Versikeln, beim Alleluja usw. Hüte dich aber, zur Bewahrung der Sammlung allzu künstliche Mittel anzuwenden oder dich gewalttätig anzustrengen, sondern suche mit ruhigem Ernst den Geist vor Abschweifungen zu behüten.

 

Lass dich auch nicht entmutigen, wenn deinem Bemühen der Erfolg mitunter versagt bleibt. Wenn nur dein Herz in der Liebe und im Eifer zum heiligen Offizium nicht erkaltet, wird Gott auch deinen unvollkommenen Dienst im Gnaden annehmen. Und weil all dein Bemühen aus menschlicher Schwäche immer mangelhaft bleiben wird, so bringe dein Beten nach dem Vorbild der heiligen Kirche dem himmlischem Vater durch Jesus Christus, seinen vielgeliebten Sohn, dar und erwarte vertrauensvoll, dass es, durch diese Vereinigung mit dem heiligsten Gebet des gottmenschlichen Hohenpriesters wundersam geadelt, Gott wohlgefalle. Sei auch, was die äußere Haltung im Gottesdienst angeht, beherrscht und ehrfürchtig. Vergiss nie die Mahnung der heiligen Regel (Kap. 19), dass du deinen heiligen Dienst " im Angesicht der göttlichen Majestät und der heiligen Engel" versiehst. Gib dir also Mühe, die Zeremonien genau und würdevoll zu vollziehen. Im Opus Dei dient der ganze Mensch mit Leib und Seele Gott.

 

Darum wollen die Zeremonien nicht die wahre Andacht hindern, sondern den inneren Gottesdienst vervollständigen. Bestrebe dich deshalb, die äußeren Handlungen mit entsprechender Gesinnung zu beseelen. So verbinde, wenn du vor dem Allerheiligsten niederkniest oder zum Gloria Patri dich tief verneigst, damit innere Akte ehrfürchtiger Anbetung.

 

Wenn du bei Nennung der Heiligen das Haupt neigst, begrüße sie in liebender Verehrung. Sitzest du bei den Lesungen mit verhülltem Haupt, dann bringe gleicherweise deinen Geist in friedliche Ruhe, zügle Sinne und Phantasie, um auf den Sinn der Lesungen ganz aufmerksam zu sein. Erhebst du dich wieder zum Psallieren, tue es mit neuem Eifer für den heiligen Dienst.

Den Gesang hat die heilige Kirche in den Gottesdienst aufgenommen, weil das Lob Gottes und die Feier der heiligen Geheimnisse unwillkürlich frohe Begeisterung weckt, die sich im Lied Ausdruck schafft. Unser Gesang ist ein Echo des himmlischen Jerusalem, "das unsere Mutter ist" (Gal 4, 26), "das da widerhallt von Jubelmelodien, preisend ewiglich des einen und dreieinigen Gottes Ruhm" (Kirchweihhymnus). Wir pflegen dabei den gregorianischen Choral, der durch die enge Verbindung mit dem Gottesdienst und durch die stete Pflege der heiligen Kirche eine wundersame Weihe gewonnen hat.

 

Vor andern Arten des Kirchengesanges hat er voraus, dass er in schlichter Einfalt sich dem Text anpasst, seinen Sinn hervorhebt, und so von selbst betendes Singen wird. Achte beim gemeinsamen Beten und Singen stets darauf, dich dem Chor anzuschließen, die gleiche Stimmhöhe zu halten, die vorgeschriebenen Pausen zu beobachten. Musst du außerhalb des Chores das heilige Offizium verrichten, so tue es mit nicht weniger Eifer und Ehrfurcht vor Gottes Angesicht. Kann es ohne Schwierigkeit geschehen, so verrichte die Horen etwa zur selben Zeit wie im Chor und "beuge in heiliger Gottesfurcht die Knie" (Kap. 50). Um nicht allein zu sein, lade den heiligen Schutzengel ein, dass er mit dir Gott lobe und dich an seiner Andacht teilnehmen lasse.

 

 


Letzte Änderung: 13.12.2011 um 01:14

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