Zitate von Kirchenlehrern
hl. Bernhard von Clairvaux - 3 |
Geschrieben von (ksf) am 05.02.2013 |
3. Predigt zur Darstellung des Herrn, §2
„Die Eltern Jesu brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen“
Bringe dar deinen Sohn, heilige Jungfrau, und weihe dem Herrn die Frucht deines Leibes (Lk 1,42). Bringe zu unser aller Versöhnung dar das heilige Opfer, das Gott gefällt. Zweifellos wird Gott dieses neue Weihegeschenk annehmen, dieses kostbare Opfer, von dem er selber gesagt hat: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mt 3,17).
Aber dieses Opfer, Brüder, ist, wie es scheint, doch ein Opfer, das nicht wehtut: dem Herrn nur vorgestellt, ausgelöst mit Tauben und sogleich wieder mit nach Hause genommen. Es wird der Tag kommen, da der Sohn nicht mehr im Tempel, nicht in den Armen Simeons dargestellt wird, sondern außerhalb der Stadt, an dem Querbalken des Kreuzes. Es wird der Tag kommen, da er nicht mehr mit dem Blut eines Opfertieres ausgelöst wird, sondern wo er die anderen loskauft durch sein eigenes Blut... Das wird das Abendopfer sein. Das hier ist das Morgenopfer: es geschieht in Freude. Aber jenes Opfer wird umfassender sein, dargebracht nicht zur Zeit der Geburt, sondern in der Lebensfülle. Dem einen oder anderen mag das Wort des Propheten in den Sinn kommen: „Er hat sich geopfert, denn er selber hat es gewollt“ (Jes 53,7 Vulgata). Heute hat er sich als Opfer dargebracht, nicht weil er dessen bedurft hätte, nicht weil er dem Gesetz unterstellt gewesen wäre, sondern weil er selber es wollte. Ebenso wird er sich auf dem Kreuz nicht darbringen, weil er den Tod verdient hätte, nicht weil seine Feinde Macht über ihn hätten, sondern weil er selber es will.
Das meint doch das Wort: „Freudig bringe ich dir mein Opfer dar“ (Ps 54,8). Denn freiwillig, Herr, hast du dich dargebracht zu meinem Heil... Auch wir, Brüder, wollen ihm das Beste darbringen, was wir haben: uns selbst. Er hat sich selbst als Opfer dargebracht – und du, wer bist du, dass du zögerst, dich ganz als Opfer hinzugeben?
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Predigt zur Geburt Mariens als dem „Acquaeductus“, §13, 18
„Der Sämann sät das Wort“
Brüder, wir müssen darauf achtgeben, dass das Wort aus dem Mund des Vaters, das über die Jungfrau Maria zu uns gekommen ist, nicht leer zu ihm zurückkehrt (s. Jes 55,11), sondern dass wir ihm durch diese Jungfrau immer wieder Dank sagen. Besinnen wir uns also ohne Unterlass auf den Vater, solange wir uns darauf beschränken müssen, uns nach seiner Gegenwart zu sehnen. Lassen wir die Gnadenströme zu ihrer Quelle zurückfließen, damit sie reicher wieder auf uns zurückkommen...
Ihr bewahrt den Herrn im Geist: Schweigt also nicht, haltet euch, wenn es um ihn geht, nicht zurück! Wer bereits in seiner Gegenwart lebt, hat diesen Hinweis nicht nötig...; wer aber noch im Glauben lebt, muss dazu ermuntert werden, Gott nicht durch Schweigen zu antworten. Denn „Gott redet, der Herr verkündet seinem Volk Frieden“ (Ps 85,9): seinen Heiligen, die in sich gehen. Er hört auf alle, die ihn hören; er wird zu denen sprechen, die mit ihm reden. Ansonsten wird auch er, wenn ihr schweigt und ihn nicht verherrlicht, schweigsam sein. Schweigt also nicht!
Was ihr aber auch immer Gott als Opfergabe darbringt, vergesst nicht, sie Maria anzuvertrauen, damit die Gnade auf dem gleichen Weg zu ihrer Quelle zurückfließt, auf dem sie zu uns kam... Achtet gut darauf, dass ihr das Wenige, das ihr Gott geben könnt, durch die Hände Mariens darbietet. Ihre Hände sind ganz rein: aus ihnen nimmt Gott eure Gabe gerne an.
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1. Predigt zum Fest der Bekehrung des hl. Paulus, 1, 6; PL 183, 359
„Herr, was soll ich tun?“
Zu Recht, geliebte Brüder, ist die Bekehrung des „Lehrers der Heiden“ (1 Tim 2,7) ein Fest, das alle Völker heute voll Freude feiern. Die Ableger, die aus dieser Wurzel hervorwuchsen, sind in der Tat zahlreich. Nach seiner Bekehrung wurde Paulus das Werkzeug zur Bekehrung der ganzen Welt. Damals, als er noch im Fleisch war, aber nicht vom Fleisch bestimmt (vgl. Röm 8,5f), bekehrte er durch seine Predigt viele zu Gott. Auch heute noch, da er in Gott ein glücklicheres Leben führt, arbeitet er durch sein Beispiel, sein Gebet und seine Lehre unermüdlich an der Bekehrung der Menschen.
Dieses Fest ist für alle, die es feiern, eine wichtige Quelle des Guten. Wie könnte man auch die Hoffnung aufgeben – und seien unsere Sünden so groß – wenn man hört, dass „Saulus, der immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn wütete“, plötzlich sein „auserwähltes Werkzeug“ wurde ((Apg 9,1.15)? Wer könnte unter der Last seiner Sünde sagen: „Ich kann nicht aufstehen und ein besseres Leben führen“, wenn auf dem gleichen Weg, den ihn sein hasserfülltes Herz einschlagen ließ, der wütende Verfolger plötzlich zum treuen Verkünder geworden ist? Diese Bekehrung allein zeigt uns, wie groß das Erbarmen Gottes und wie mächtig seine Gnade ist...
Dies ist, meine Brüder, ein perfektes Muster der Umkehr: „Mein Herz ist bereit, o Gott, mein Herz ist bereit... Was soll ich tun?“ (Ps 57,8; Apg 9,6) Ein kurzes Wort, aber bedeutsam, lebendig, wirkungsvoll und der Erhörung würdig. Leider sind es nur wenige, die diese Haltung des vollkommenen Gehorsams haben, die so sehr ihrem eigenen Willen entsagen, dass ihnen nicht einmal mehr ihr Herz gehört! Wie wenige sind es doch, die zu jeder Zeit nicht das suchen, was sie selber wollen, sondern was Gott will, und die ihn ständig fragen: „Herr, was soll ich tun?“
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Predigten zum Hohenlied, Nr 83
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen lieben“
Ich habe gelesen, dass Gott die Liebe ist (1Joh 4,16) und nicht etwa die Ehre oder die Würde. Es ist nicht so, dass Gott nicht geehrt werden will; er sagt ja: „Wenn ich der Vater bin, wo bleibt dann die Ehrerbietung?“ (Mal 1,6) Hier spricht er als Vater. Wenn er sich aber wie ein Gemahl verhalten würde, so glaube ich, würde er anders reden und sagen: „Wenn ich euer Gemahl bin, wo ist die mir geschuldete Liebe?“ Denn er hatte ja schon gesagt: „Wenn ich der Herr bin, wo bleibt dann die Furcht vor mir?“ (ebd.) Er verlangt also, dass man ihn als Herrn respektiert, als Vater ehrt, als Gemahl liebt.
Welche von den drei Empfindungen ist die wertvollste? Zweifelsfrei die Liebe. Denn ohne Liebe ist Respekt mühsam und Ehrfurcht bleibt, was sie ist. Furcht ist sklavisch, solange Liebe sie nicht freisetzt, und Ehrfurcht, die nicht aus der Liebe kommt, ist keine Ehrfurcht, sie ist nur Schmeichelei. Sicher, Gott allein gebührt Ehre und Ruhm, Gott nimmt beide aber nur entgegen, wenn sie mit dem Honig der Liebe gesüßt sind.
Liebe genügt sich selbst, sie findet an sich selbst Gefallen; sie ist ihr eigener Wert und ihre eigene Belohnung. Liebe will keinen anderen Grund, keinen anderen Vorteil als sich selber. Ihr wahrer Nutzen liegt in ihrem Vorhandensein. Ich liebe, weil ich liebe. Ich liebe, um zu lieben... Die Liebe ist von allen Regungen der Seele, von all ihren Gefühlen und Neigungen die einzige, die es dem Geschöpf erlaubt, seinem Schöpfer zu antworten: wenn nicht von gleich zu gleich, so doch von ähnlich zu ähnlich.
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17. Predigt über das Hohelied, 2
Wachsamkeit im Heiligen Geist
Der Prophet Elischa hatte seinerzeit seinen Lehrer Elija um zwei Anteile seines Geistes gebeten; das aber war nur möglich, wenn er den Moment miterleben würde, wo Elija in den Himmel emporfahren würde (2 Kön 2,9-10)... Diese Geschichte ist auch für uns erzählt. Wir werden unterwiesen und ermahnt, wachsam auf unser Heilswerk bedacht zu sein, das der Heilige Geist mit der wunderbaren Zartheit und Liebenswürdigkeit seiner göttlichen Kunst unaufhörlich in unserem Innersten betreibt. Niemals möge, ohne dass es uns zu Bewusstsein kommt, die Salbung, unsere Lehrmeisterin, die uns in allem unterweist, von uns genommen werden, wenn wir nicht um die doppelte Gabe betrogen werden wollen. Niemals soll sie uns, wenn sie kommt, unvorbereitet finden, sondern stets mit einer Miene voll Erwartung und einem Herzen, das dem reichen Segen des Herrn offen steht. Wie sollen denn diejenigen sein, die er sucht? „Gleich den Menschen, die ihren Herrn erwarten, wenn er von der Hochzeit zurückkommt“ (Lk 12,36); kommt er doch von jenen reichen Genüssen der himmlischen Tafel niemals mit leeren Händen zurück.
Also muss man wachsam sein, wachsam zu jeder Stunde, da wir nicht wissen, in welcher Stunde der Geist kommen oder wieder weggehen wird. Der Geist geht und kehrt zurück, und wer steht, solange der Geist ihn hält, muss fallen, wenn er ihn verlässt. Aber er wird nicht zerschmettert werden, weil der Herr wiederum schützend seine Hand ausstreckt. Diesen ständigen Wechsel lässt er unaufhörlich denen zuteil werden, die geistlich gesinnt sind, oder vielmehr, die nach seinem Schöpferplan Kinder des Geistes sein sollen; er sucht sie am frühen Morgen heim und prüft sie jeden Augenblick (Ijob 7,18).
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Homilien zu den Worten des Evangeliums: „Der Engel wurde gesandt“, Nr. 2, 17
„Maria, von der Jesus geboren wurde, der der Christus genannt wird“ (Mt 1,16)
„Der Name der Jungfrau war Maria“ (Lk 1,27). Der Name, so heißt es, bedeutet „Stern des Meeres“ und er passt wunderbar zu der jungfräulichen Mutter. Mit nichts lässt sie sich zutreffender vergleichen als mit einem Stern, der seine Strahlen aussendet, ohne sich zu verändern; und so gebiert sie ihren Sohn, ohne an ihrem jungfräulichen Leib Schaden zu nehmen. Sie ist der herrliche „Stern, der in Jakob aufgeht“ (Num 24,17), dessen Glanz die ganze Welt erleuchtet, der im Himmel strahlt und dessen Strahlen bis in die Hölle dringen... Sie ist wirklich der schöne, bewundernswerte Stern, der über dem unendlichen Meer aufgehen sollte; der Stern dessen Verdienste hell strahlten und der durch sein Beispiel die Welt erleuchtete.
Ihr alle, wer immer ihr auch seid, die ihr euch heute wie auf hoher See fühlt, fern vom Festland, Wind und Wellen ausgeliefert: wendet euren Blick nicht vom Glanz dieses Sternes ab, damit ihr nicht Schiffbruch erleidet. Wenn Versuchung auf dich einstürmt, wenn du die Klippen der Prüfung auf dich zukommen siehst, dann schau auf den Stern und rufe Maria an! Wenn dich Stolz und Ehrgeiz aufblähen, dich Verleumdung und Eifersucht treffen, so hebe die Augen auf zum Stern und rufe Maria an... Wenn dir die Schwärze deiner Sünden den Frieden raubt, dich die Vorhaltungen deines Gewissens bedrücken und die Angst vor dem Gericht dich schreckt, wenn du im Abgrund von Traurigkeit und Verzweiflung zu versinken drohst, dann denk an Maria. In Gefahr, Angst, Zweifel denk an Maria, ruf sei an!
Ihr Name möge immer auf deinen Lippen und in deinem Herzen sein. Folge ihr, und du verirrst dich nicht; bitte sie, und du wirst nicht verzweifeln; denk an sie, und du wirst keinen falschen Weg einschlagen. Wenn sie dich an der Hand hält, gehst du nicht unter; wenn sie dich schützt, hast du nichts zu fürchten; unter ihrer Führung kennst du keine Müdigkeit; unter Schutz gelangst du ans Ziel. Und du wirst selber erfahren, wie wahr das Wort ist: „Der Name der Jungfrau war Maria“.
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2. Predigt zur Bibelstelle: „Der Engel Gabriel wurde gesandt“, §16
«Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?»
Brüder, ruft euch ins Gedächtnis, wer der Patriarch Josef war..., von dem Josef, der Mann Mariens, nicht nur den Namen, sondern auch seine Sittsamkeit, Reinheit und sein freundliches Wesen geerbt hat. Jener erhielt vom Himmel die Gabe, Träume zu deuten (Gen 40; 41); dieser bekam nicht nur die Erkenntnis der Geheimnisse des Himmels geschenkt, sondern auch die Ehre, an ihnen teilzuhaben. Der erste hat für den Bestand eines ganzen Volkes gesorgt, indem er ihm Getreide in Fülle verschaffte (Gen 41,55); der zweite wurde zum Hüter des lebendigen Brotes bestellt, das der ganzen Welt Leben schenken soll (Joh 6,51). Ganz sicher war Josef, der mit der Mutter des Retters verlobt war, ein guter und treuer Mann, oder vielmehr „ein tüchtiger und treuer Diener“ (Mt 25,21), den der Herr seiner Familie zugewiesen hat: als Tröster seiner Mutter, als Ziehvater seiner menschlichen Natur, als treuer Mitwirkender an der Neugestaltung der Welt.
Und er war aus dem Hause Davids..., von königlicher Herkunft, adelig von Geburt; noch adeliger aber war sein Herz. Er war wirklich Davids Sohn, nicht nur von seiner Abstammung her, sondern durch seinen Glauben, seine Heiligkeit, seinen Eifer im Dienste Gottes. In der Gestalt des Josef hat sich der Herr – wie in der Gestalt Davids – wirklich „einen Mann nach seinem Herzen“ (1 Sam 13,14) gesucht, dem er getrost das größte Geheimnis seines Herzens anvertrauen konnte. Er hat ihm „im Verborgenen Weisheit“ gelehrt (Ps 51,8), hat ihm ein Wunder erleben lassen, wie es kein Fürst dieser Welt erlebt hat; und hat ihm schließlich gewährt zu sehen, „was viele Könige und Propheten sehen wollten und nicht gesehen haben“, und den zu hören, den viele „hören wollten und nicht gehört haben“ (Lk 10,24). Und er hat ihn nicht nur gesehen und gehört, sondern auf den Armen getragen, an der Hand geführt, ans Herz gedrückt, geküsst, ernährt und behütet.
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Predigt 17 über den Psalm 90, §4; PL 183, 252
«Zwei Besessene liefen ihm entgegen»
„Ich bin bei ihm in der Not“, sagt der Herr, „ich befreie ihn und bringe ihn zu Ehren“ (Ps 91,15); „meine Freude war es, bei den Menschen zu sein“ (Spr 8,31). Die Rede ist von Immanuel, dem Gott mit uns (Mt 1,23)... Er stieg herab, um bei denen zu sein, deren Herz verzweifelt ist, um mit uns zu sein in unserer Not. Es wird aber der Tag kommen, da „werden wir auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein“ (1 Thess 4,17), sofern wir uns bemühen, ihn immer bei uns zu haben als Weggefährten, der uns dafür die Heimat schenken wird. Mehr noch: er selber wird dann unsere Heimat sein, vorausgesetzt er ist unser Weg.
Für mich ist ja besser, Herr, in Not zu sein, sofern du da bei mir bist; es ist besser für mich, als ohne dich ein Reich zu besitzen, als ohne dich in Freuden zu leben, als ohne dich in Ehren zu stehen. Besser ist es für mich, in der Not mich an dich zu schmiegen, im Feuerofen dich bei mir zu haben als ohne dich zu sein selbst im Himmel. Ja, „was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde“ (Ps 73,25). „Denn im Feuer wird das Gold geprüft, und jeder, der Gott gefällt, im Schmelzofen der Bedrängnis“ (Sir 2,5). Hier ist dein Platz, inmitten derer, die sich in deinem Namen versammeln, wie ehemals die drei Jünglinge im Feuerofen von Babylon (Dan 3,92)... Warum also sollten wir Angst haben?... „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ (Röm 8,31). Wenn uns Gott den Händen unserer Feinde entreißt, wer kann uns da seinen Händen entreißen?
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3. Predigt zu Pfingsten
«Es ist gut für euch, dass ich fortgehe»
Der Heilige Geist hat die Jungfrau Maria überschattet (Lk 1,35) und am Pfingsttag den Aposteln Kraft gegeben. Er überschattete Maria, um die Wucht des Herabkommens Gottes in ihren jungfräulichen Leib abzumildern; die Apostel wollte er „mit der Kraft aus der Höhe erfüllen“. (Lk 24,49), also aus glühender Liebe... Wie hätten sie denn, schwach wie sie waren, ihre Sendung erfüllen und über den Tod triumphieren können ohne diese Liebe, die „so stark ist wie der Tod“? Wie hätten sie es verhindern können, dass „die Mächte der Unterwelt sie überwältigten“ und ohne „die Leidenschaft, die hart ist wie die Unterwelt“? (Mt 16,18; Hld 8,6) Einige von denen, die ihren Eifer sahen, glaubten gar, sie seine betrunken (Apg 2,13). Sie waren tatsächlich trunken, aber von einem neuen Wein... von dem, den der „wahre Weinstock“ vom Himmel herbeifließen ließ, von dem, „der das Herz des Menschen erfreut“ (Joh 15,1; Ps 103,15)... Für die Bewohner der Erde war es neuer Wein, der Himmel aber war voll davon..., er floss in Strömen auf die Straßen und Plätze der heiligen Stadt, wo er Freude in den Herzen verbreitete...
Es gab also im Himmel einen besonderen Wein, den die Erde nicht kannte. Aber auch die Erde hatte etwas, was nur sie hatte und was ihren Ruhm ausmachte, nämlich das Fleisch Christi – und die Himmel hatten dürsteten nach der Gegenwart dieses Fleisches! Wer könnte denn diesen so sicheren und gnadenreichen Austausch zwischen Himmel und Erde, zwischen Engeln und Aposteln verhindern, mit dem die Erde in den Besitz des Heiligen Geistes und der Himmel in den Besitz des Fleisches Christi kam?... „Wenn ich nicht fortgehe“, sagte Jesus, „wird der Beistand nicht zu euch kommen.“ Das bedeutet: wenn ihr nicht loslasst, was ihr liebt, erhaltet ihr nicht, was ihr ersehnt. „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe“, und dass ich euch von der Erde in den Himmel bringe, vom Fleisch zum Geist; denn der Vater ist Geist, der Sohn ist Geist, und auch der Heilige Geist ist Geist... Und der Vater, „der Geist Ist, sucht Beter, die ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,23-24).
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Die Stufen der Demut und des Stolzes, Kap. 3, § 6,12
„Alle, die unter einer Krankheit litten, versuchten ihn zu berühren“
Folgt dem Beispiel unseres Erlösers, der sich in sein Leiden gegeben hat, um das Mitleid zu lernen, um sich dem Elend zu unterwerfen und die Erbarmungswürdigen zu verstehen. So wie er „Gehorsam gelernt hat durch das, was er erlitten hat“ (vgl. Hebr 5,8), so hat er auch Erbarmen lernen wollen... Vielleicht werdet ihr sonderbar finden, was ich gerade von Christus gesagt habe: Er, der die Weisheit Gottes ist (vgl. 1Koe 1,24), wie hat er lernen können?...
Ihr anerkennt, dass er Gott und Mensch in einer Person ist. Als ewiger Gott besaß er immer die Erkenntnis aller Dinge; als Mensch, der in der Zeit geboren ist, hat er viele Dinge in der Zeit gelernt. Da er begonnen hat, in unserem Fleisch zu sein, hat er auch begonnen, die Leiden des Fleisches zu erfahren. Für unsere Stammeltern wäre es besser und weiser gewesen, diese Erfahrung nicht machen zu müssen. Doch ihr Schöpfer ist gekommen, „zu suchen, was verloren ist“ (vgl. Lk 19,10). Er hatte Erbarmen mit seiner Schöpfung und ist gekommen, um sie wiederzufinden, indem er voller Erbarmen dorthin hinabgestiegen ist, wo sie erbärmlich zugrunde ging...
Nicht einfach um ihr Unglück zu teilen, tat er das, sondern um Anteil zu haben an ihrem Elend und um sie zu befreien: Um barmherzig zu werden nicht als ein Gott in seiner ewigen Seligkeit, sondern als ein Mensch, der teilhat an der Situation der Menschen... Welch wunderbare Logik der Liebe! Wie hätten wir anders diese bewundernswerte Barmherzigkeit erkennen sollen, wenn sie sich nicht über das herrschende Elend gebeugt hätte? Wie hätten wir anders das Mitleiden Gottes verstehen können, wenn es menschlich gesehen dem Leiden fremd geblieben wäre?... Mit der Barmherzigkeit eines Gottes hat Christus also diejenige eines Menschen verbunden, ohne sie zu verändern, sondern indem er sie vielmehr vervielfachte, wie geschrieben steht: „Du rettest Mensch und Tier, Herr mein Gott, wie du auch überreich gemacht hast deine Barmherzigkeit!“ (Ps 35, 7-8 Vulg).
Letzte Änderung: 06.02.2013 um 00:41
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