Zitate von Kirchenlehrern

Hl. Petrus Chrysologus - 2

Geschrieben von (ksf) am 02.01.2012
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Predigt über Markus 2; PL 52, 287

Der neue Wein

 

Warum fasten wir, und deine Jünger nicht?“ Warum wohl? Weil für euch Fasten eine Sache des Gesetzes ist. Es ist kein spontanes Geschenk. Fasten als solches hat keinen Wert. Was zählt, ist das, wonach der Fastende begehrt. Welchen Nutzen wollt ihr aus eurem Fasten ziehen, wenn ihr dazu genötigt, durch ein Gesetz verpflichtet werdet? Fasten ist ein ausgezeichneter Pflug um den Acker der Heiligkeit zu bestellen. Die Jünger Christi jedoch sind ohne Umschweife mitten im erntereifen Feld der Heiligkeit. Sie essen das Brot der neuen Ernte. Wie hätten sie auch zu einem Fasten verpflichtet sein können, das ja nicht mehr gültig war? „Können die Freunde des Bräutigams fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“

Wer Hochzeit hält, überlässt sich ganz der Freude und nimmt teil am Festmahl; er zeigt sich den Gästen gegenüber leutselig und ist aufgeräumter Stimmung. Er macht alles, wozu ihn seine Liebe zur Braut inspiriert. Christus feiert seine Hochzeit mit der Kirche während seines Lebens auf Erden. Deshalb nimmt er die Einladungen zu Gastmahlen an; deshalb lehnt er sie nicht ab. Voller Wohlwollen und Liebe zeigt er sich menschlich, zugänglich und liebenswürdig. Kommt er denn nicht, um die Menschen mit Gott zu vereinen und aus seinen Gefährten Glieder von Gottes Familie zu machen? Dazu sagt Jesus auch: „Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid“. Dieses neue Kleid ist der Stoff des Evangeliums, den er mit der Wolle des Lammes Gottes gerade webt: ein königliches Gewand, das alsbald vom Blut der Passion purpurn gefärbt sein wird. Wie könnte Christus damit einverstanden sein, dass dieses neue Kleid mit dem veralteten Gesetzesdenken Israels eingefärbt wird?... So „füllt man schließlich nicht neuen Wein in alte Schläuche, sondern man füllt neuen Wein in neue Schläuche“. Die neuen Schläuche, das sind die Christen. Das Fasten Christi reinigt diese Schläuche von allem Schmutz, damit sie den Wohlgeschmack des neuen Weines unverändert bewahren. Der Christ wird so zu einem neuen Schlauch, der dazu bereit ist, den neuen Wein aufzunehmen: den Hochzeitswein des Sohnes, der in der Kelter des Kreuzes ausgepresst worden ist.

 

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30. Predigt: PL 52,285

"Er isst mit den Zöllnern und Sündern!"

 

„Wie kann euer Meister mit Zöllnern und Sündern essen?“ Gott wird vorgeworfen, sich zum Menschen hinabzubeugen, sich zum Sünder zu setzen, zu hungern nach seiner Bekehrung und zu dürsten nach seiner Umkehr, sich zu stärken an der Kost der Barmherzigkeit und am Kelch des Wohlwollens. Doch Christus, meine Brüder, kam zu diesem Mahl; das Leben selbst kam zu den Tischgästen, damit sie, die zum Tode verurteilt waren, leben mit dem Leben. Die Auferstehung legte sich zu Tisch nieder, damit die, die ruhten, aus ihren Gräbern auferstehen. Die Güte hat sich herabgebeugt, um die Sünder zur Vergebung aufzurichten. Gott kam zum Menschen, damit der Mensch zu Gott kommt. Der Richter kam zum Mahl der Schuldigen, um die Menschheit vor dem Urteilsspruch zu bewahren. Der Arzt kam zu den Kranken, um sie gesund zu machen, indem er mit ihnen isst. Der Gute Hirt hat die Schulter herabgebeugt, um das verlorenen Schaf zur Herde des Heils zurückzubringen. (Lk 15,3f).

„Wie kann euer Meister mit Zöllnern und Sündern essen!“ Doch wer ist Sünder, wenn nicht der, der es zurückweist, sich als ein solcher anzusehen? Heißt das nicht, noch tiefer in seine Sünde zu fallen, um es in Wahrheit zu sagen: sich mit ihr zu identifizieren, wenn man aufhört, sich als Sünder zu erkennen? Und wer ist ungerecht, wenn nicht der, der sich gerecht dünkt?... Mach dich auf, Pharisäer, und bekenne deine Sünde, und du wirst zur Tafel Christi kommen können. Christus wird sich für dich zum Brot machen, zu jenem Brot, das gebrochen wird zur Vergebung deiner Sünden. Christus wird für dich zum Kelch, zu diesem Kelch, der zur Vergebung deiner Sünden vergossen wird. Auf, Pharisäer, nimm teil am Mahl der Sünder, und Christus wird mit dir Mahl halten. Erkenne, dass du ein Sünder bist und Christus wird mit dir essen. Tritt mit den Sündern ein beim Festmahl deines Herrn und du wirst kein Sünder mehr sein können. Halte Einzug mit der Vergebung Christi im Haus des Erbarmens.

 

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Predigt 168, 4-6; CCL 24 B, 1032-1034

„Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war“

 

Der Mann, der hundert Schafe besitzt, ist Christus, der gute Hirt (Joh 10,11); er ist der barmherzige Hirt, der das gesamte Menschengeschlecht auf ein einziges Schaf gegründet hat, d.h. auf Adam. Er hatte dem Schaf seinen Platz im wunderbaren Paradies zugewiesen und in den Weideplätzen des Lebens. Doch das Schaf traute dem Geheul der Wölfe und vergaß auf die Stimme des Hirten; es kam vom Weg ab, der zum Schafstall des Heiles führt, und fand sich wieder, über und über mit tödlichen Wunden bedeckt. Christus ist in die Welt gekommen, um das Schaf zu suchen, und hat es im Schoß der Jungfrau gefunden. Er ist gekommen, er ist im Fleisch geboren worden, er hat das Schaf ans Kreuz geheftet und es auf die Schultern seiner Passion gehoben. Sodann hat er, voller Freude über seine Auferstehung, das Schaf bei seiner Himmelfahrt bis hin in die himmlische Wohnung erhoben.

„Er ruft seine Freunde und Nachbarn – das sind die Engel – zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war“. Die Engel jubilieren und frohlocken mit Christus, weil das Schaf des Herrn zurückgekommen ist. Sie sind nicht böse, wenn sie sehen, dass es vor ihnen auf dem Thron der Majestät sitzt. Denn Neid gibt es nicht im Himmel; der Neid ist daraus zusammen mit dem Teufel verbannt worden. Dank dem Lamm, das die Sünde der Welt hinweggenommen hat (Joh 1,29), kann die Sünde des Neids nicht mehr in den Himmel eindringen.

Brüder, Christus ist gekommen, um uns auf der Erde zu suchen; suchen wir ihn im Himmel! Er hat uns weggeführt in die Herrlichkeit seiner Göttlichkeit. Und wir, wir tragen ihn in unserem Leib durch die Heiligkeit unseres ganzen Lebens.

 

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Predigt 3; PL 52, 303-306, CCL 24, 211-215

„Diese Generation fordert ein Zeichen“

 

Jona selbst beschließt, sich aus dem Schiff werfen zu lassen. Er sagt: „Nehmt mich und werft mich ins Meer“ (Jon 1,12) – das steht für die freiwillige Passion des Herrn... Aber da taucht ein Ungeheuer aus der Tiefe auf, ein großer Fisch kommt näher, der die Auferstehung des Herrn ausführen und offenbaren, oder vielmehr dieses Geheimnis beschreiben soll. Da ist ein Ungeheuer, ein schreckenerregendes Bild der Hölle: wenn sich sein hungriger Schlund gegen den Propheten richtet, verkostet und einverleibt er die Kraft seines Schöpfers und dadurch, dass er ihn verschlingt sich tatsächlich zwingt niemanden mehr zu verschlingen.

Der grauenhafte Ort im Innern des Tieres bereitet dem Besucher von Oben eine Wohnstatt, und zwar auf so vortreffliche Weise, dass das, was das Unglück auslöste, das geradezu unvorstellbare Transportmittel für eine notwendige Überfahrt wurde, das seinen Passagier wohl behütete und ihn nach drei Tagen an Land brachte. Auf diese Weise wurde den Heiden das gegeben, was den Feinden Christi entrissen worden war. Und als diese ein Zeichen verlangten, verfügte der Herr, dass ihnen nur dieses eine Zeichen gegeben werde, an dem sie erkennen sollten, dass die Herrlichkeit, die sie sich von Christus erhofft hatten, auch den Heiden zukommen müsse.

Durch die Böswilligkeit seiner Feinde war Christus tief in das Chaos der Totenwelt eingetaucht worden (1 Petr 3,19), wo er drei Tage lang alle Schlupfwinkel aufsuchte. Nach seiner Auferstehung machte er die Bosheit seiner Feinde und zugleich seine eigene Größe und seinen Triumph über den Tod sichtbar. Es ist also nur billig, dass die Einwohner Ninives sich am Tage des Gerichts erheben, um diese Generation zu verurteilen; denn sie haben sich auf die Verkündigung eines einzigen schiffbrüchigen, fremden, unbekannten Propheten hin bekehrt, während die Menschen dieser Generation nicht gläubig geworden sind und sich nicht bekehrt haben – nach so vielen erstaunlichen Taten und Wundern und trotz der Herrlichkeit der Auferstehung.

 

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Predigt 98, 1-2

«Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse»

 

Brüder, ihr habt gehört, dass das Himmelreich in seiner ganzen Größe mit einem Senfkorn verglichen wird... Ist das alles, was die Gläubigen sich erhoffen? Alles, was die Getreuen erwarten?... Ist es das, was „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat? Was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist“? Ist es das, was der Apostel Paulus ankündigt und was Gott im unaussprechlichen Heilsmysterium denen bereitet hat, die ihn lieben (1 Kor 2,9)? Lassen wir uns durch die Worte des Herrn nicht aus der Fassung bringen. Denn wenn wirklich „das Törichte an Gott weiser ist als die Menschen, und das Schwache an Gott stärker als die Menschen“ (1 Kor 1,25), dann ist dieses ganz Kleine, das Gott gehört, herrlicher als die ganze weite Welt.

Könnten wir nur dieses Senfkorn in unser Herz einpflanzen, so dass es zum großen Baum der Erkenntnis (Gen 2,9) wird! Ein Baum, der zu seiner ganzen Höhe heranwächst, um unser Denken zum Himmel emporzuheben, und der alle Verzweigungen der Intelligenz sich ausbreiten lässt.

Christus ist das Himmelreich. Einem Senfkorn gleich, wurde er in ein Gartenbeet ausgesät, den Leib der Jungfrau. Er ist gewachsen und wurde zum Baum des Kreuzes, der die ganze Erde bedeckt. Als er durch die Passion zermalmt war, haben seine Früchte reichlich Würze entwickelt, um ihren Wohlgeschmack und ihr Aroma auf alle Lebenden zu übertragen, die ihn berühren. Denn solange das Weizenkorn unversehrt ist, bleibt seine Wirksamkeit verborgen. Das Korn entfaltet jedoch seine ganze Kraft, wenn es zermalmt ist. Deshalb wollte Christus, dass sein Leib zermalmt wird, damit seine Kraft nicht verborgen bleibt... Christus ist König; denn er ist der Ursprung aller Macht. Christus ist das Himmelreich; von ihm geht aller Glanz seines Reiches aus.

 

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53. Predigt

«Die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören»: «Lazarus, komm heraus» (Joh 11,43)

 

Der Herr hat die Tochter des Jaïrus auferweckt, aber da war der Leichnam noch warm, und der Tod hatte sein Werk erst zur Hälfte vollbracht (Mt 9,18f)... Er hat auch den einzigen Sohn einer Mutter auferweckt, indem er die Leichenbahre anhielt und dem Begräbnis zuvorkam... bevor dieser Tote völlig dem Gesetz des Todes anheimfiel (Lk 7,11f). Aber alles, was mit Lazarus geschah, ist einmalig...: In Lazarus hatte der Tod seine ganze Macht entfaltet, und in Lazarus leuchtete zugleich das vollkommene Bild der Auferstehung auf... Christus ist am dritten Tag als Herr ins Leben zurückgekehrt; Lazarus, der Diener, wurde am vierten Tag ins Leben zurückgerufen.

Der Herr sagte zu seinen Jüngern immer wieder: „Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf, dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird“ (Mt 20,18f). Und als er das sagte, sah er, wie unschlüssig, traurig und untröstlich sie waren. Er wusste, dass sie vom Gewicht der Passion zerquetscht werden mussten, bis in ihnen kein eigenes Leben mehr war, kein Glaube, keine eigene Erkenntnis; dass im Gegenteil ihre Herzen verfinstert würden durch die beinahe totale Nacht ihres fehlenden Glaubens. Deshalb überlässt er Lazarus vier Tage lang dem Tod... Daher sagt der Herr zu seinen Jüngern: „Lazarus ist gestorben, und ich freue mich, dass ich nicht dort war“, „denn ich will, dass ihr glaubt“. Der Tod des Lazarus war also notwendig, damit mit Lazarus auch der Glaube der Jünger aus dem Grab auferstehen konnte.

„Weil ich nicht dort war.“ Und gab es denn einen Ort, an dem Christus nicht war?... Der Gott Christus war dort, liebe Brüder, aber der Mensch Christus nicht. Der Gott Christus war dort, als Lazarus starb, und jetzt sollte Christus zu dem Toten kommen, da Christus der Herr in den Tod gehen sollte: „Im Tod, im Grab, in der Unterwelt muss von mir und durch meinen Tod die Macht des Todes gebrochen werden.“

 

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Predigt 167; CCL 248, 1025; PL 52, 636

«Johannes ist gekommen..., und ihr habt ihm nicht geglaubt» (Mt 21,32)

 

„Johannes der Täufer verkündete: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 3,1)... Der selige Johannes wollte, dass die Umkehr vor dem Gericht stattfindet; dass die Sünder nicht gerichtet, sondern belohnt werden; dass die Gottlosen ins Reich kommen und nicht der Züchtigung anheimfallen... Wann hat Johannes verkündet, dass das Reich Gottes unmittelbar bevorstehe? Die Welt war noch in ihren Kinderschuhen...; für uns aber, die heute dasselbe verkünden, ist die Welt ganz alt und müde. Sie hat ihre Kraft verloren, ist am Ende ihrer Möglichkeiten; von Schmerzen gequält, schreit sie ihre Schwäche hinaus; sie zeigt alle Symptome, dass es mit ihr zu Ende geht...

Wir sind im Schlepptau einer Welt, die vergeht, denken nicht an kommende Zeiten. Wir gieren nach Aktualität, bedenken aber nicht, dass das Gericht schon naht. Wir laufen dem Herrn, der kommt, nicht entgegen...

Bekehren wir uns, Brüder, bekehren wir uns rasch... Der Herr zögert, er wartet noch und beweist so, dass er möchte, dass wir zu ihm zurückkehren, dass wir nicht umkommen. In seiner reichen Güte spricht er immer noch die Worte zu uns: „Ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass er auf seinem Weg umkehrt und am Leben bleibt“ (Ez 33,11). Lasst uns umkehren, Brüder! Haben wir keine Angst davor, dass die Zeit knapp wird. Seine Zeit, die Zeit des Urhebers der Zeit, kann nicht knapper werden. Dafür ist der Räuber im Evangelium Zeuge, der sich auf dem Kreuz und in seiner Todesstunde die Vergebung erschlichen hat, sich des Lebens bemächtigt hat, sich wie ein Einbrecher das Paradies ergaunert hat und es so fertiggebracht hat, ins Himmelreich zu gelangen (Lk 23,43).

 

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Predigt 31, Nr. 8 zur Auferstehung des Herrn; PL 52, 427

«Fasst mich an, begreift»

 

Als der Herr nach seiner Auferstehung bei verschlossenen Türen (Joh 20,19) in die Mitte der Jünger trat, glaubten sie nicht, dass er seinen wirklichen Leib wiedererlangt hatte. Vielmehr nahmen sie an, dass allein seine Seele in einer körperlich wahrnehmbaren Gestalt wiedergekommen sein, vergleichbar den Bildern, die Träumenden im Schlaf erscheinen. „Sie glaubten, einen Geist zu sehen“...

„Was seid ihr so bestürzt, warum lasst ihr in euren Herzen solche Zweifel aufkommen? Seht meine Hände und meine Füße an.“ Seht an: das bedeutet: Schaut genau hin. Warum? Weil das, was ihr seht, kein Traumgesicht ist. Schaut meine Hände und Füße an, wenn ihr schon mit euren erschöpften Augen mein Gesicht noch nicht anschauen könnt; schaut die Wunden an meinem Leib an, wenn ihr noch nicht die Werke Gottes sehen könnt. Betrachtet die Wundmale, die mir meine Feinde zugefügt haben, wenn ihr die Offenbarungen Gottes noch nicht wahrnehmen könnt. Fasst mich an, damit euch eure Hände den Beweis liefern, wenn eure Augen derart verblendet sind... Fühlt die Löcher in meinen Händen, fasst in meine Seite, öffnet meine Wunden; denn ich kann meinen Jüngern um des Glaubens willen nicht verweigern, was ich meinen Feinden in meiner Todespein nicht verweigert habe. Fasst mich nur an, prüft mich bis auf die Knochen, damit ihr sicher seid, dass es wirklich Fleisch ist, und damit die noch offenen Wunden bezeugen können, dass ich es wirklich bin...

Warum glaubt ihr nicht, dass ich auferstanden bin, wo ich doch wiederholt vor euren Augen Tote auferweckt habe?... Als ich am Kreuz hing, hat man mich mit den Worten beleidigt: „Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben“ (Mt 27,46). Was ist schwieriger: die Nägel zu entfernen und vom Kreuz herabsteigen oder auf den Tod den Fuß zu setzen und aus der Unterwelt zurückkommen? Ich habe mich selbst errettet; ich habe die Ketten der Unterwelt gesprengt und bin wieder heraufgekommen auf die Welt.

 

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Predigt 37; PL 52, 304-306

Das Zeichen des Jona

 

Die ganze Lebensgeschichte des Jona zeigt ihn uns als vollkommene Vorabbildung des Retters... Jona ging nach Joppe hinab, um ein Schiff nach Tarschisch besteigen...; der Herr kam vom Himmel herab auf die Erde, die Gottheit zur Menschheit, die Allmacht stieg herab in unser Elend..., um an Bord des Schiffes seiner Kirche zu gehen...

Jona selber ergreift die Initiative und lässt sich ins Meer werfen: „Nehmt mich“, sagte er, „und werft mich ins Meer“. So kündigt er das freiwillige Leiden des Herrn an. Wenn das Heil vieler vom Tod eines Einzigen abhängt, so liegt der Tod in den Händen dieses Menschen und er kann ihn nach Belieben hinauszögern – oder aber, um die Gefahr nicht hinauszuschieben, sein Eintreten beschleunigen. Das ganze Mysterium des Herrn ist hier bereits abgebildet. Für ihn ist der Tod keine Notwendigkeit; er ist seiner freien Entscheidung überlassen. Hört, was er sagt: „Ich habe die Macht mein Leben hinzugeben, um es wieder zu nehmen: niemand entreißt es mir“ (Joh 10,18)...

Schaut euch den riesigen Fisch an, dieses schreckenerregende und grausame Sinnbild der Hölle. Als er den Propheten verschlingt, spürt er die Kraft des Schöpfers...; voll Ehrfurcht bietet er diesem Reisenden, der von oben gekommen ist, seine Bauchhöhle als Wohnstatt an... Und nach drei Tagen... bringt er ihn wieder ans Licht und gibt ihn den Heiden... Das ist das Zeichen, das einzige Zeichen, das Christus den Schriftgelehrten und Pharisäern zu geben bereit war (Mt 12,39). Sie sollten so verstehen, das die Herrlichkeit, die sie für sich selbst von Christus erwarteten, auch den Heiden gelte: die Menschen von Ninive symbolisieren die Heiden, die an ihn geglaubt haben... Welch ein Glück für uns, liebe Brüder! Was symbolisch angekündigt und verheißen war, das verehren und sehen wir von Angesicht zu Angesicht und besitzen wir!

 

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Predigt 50; PL 52, 339

«Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?»

 

„Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ Durch diese Worte wollte Christus sich den Menschen als Gott zu erkennen geben, als er sich dem menschlichen Auge noch unter dem Aussehen eines Menschen verbarg. Er wurde wegen der Beweise seiner Macht und seiner Wunder mit den Propheten verglichen; gleichwohl hatten auch sie – durch ihn und durch seine Macht – Wunder gewirkt. Sünden zu vergeben steht nicht in der Macht des Menschen; das ist das eigentliche Kennzeichen Gottes. So fing Jesus an, sich in den Herzen der Menschen als Gott erkennen zu geben – was die Pharisäer rasen ließ vor Wut. Sie warfen ihm vor: „Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?“

Du, der du ein Pharisäer bist, du glaubst zu wissen und weißt doch nichts. Du glaubst deinen Gott zu rühmen und kennst ihn nicht! Du glaubst Zeugnis zu geben und teilst Schläge aus! Wenn es Gott ist, der Sünden vergibt, warum gibst du dann nicht zu, dass Christus Gott ist? Da er eine Sünde vergeben konnte, ist es doch er, der die Sünden der ganzen Welt löscht: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Wenn du seine Göttlichkeit erkennen willst, höre ihm zu – denn er durchdringt den Grund deines Wesens. Schau hin: er hat die Tiefe deiner Gedanken erfasst. Fasse den, der die geheimen Absichten deines Herzens aufdeckt!

 

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Predigt 152; PL 52, 604

 

«An jenem Tag, Herr, haben die heiligen unschuldigen Kinder deinen Ruhm verkündet, nicht durch ihr Wort, sondern allein durch ihren Tod»

Wohin führt Missgunst?... Das heute begangene Verbrechen zeigt es uns: die Angst, es könnte ihm jemand sein irdisches Reich streitig machen, versetzt Herodes in Panik, er zettelt eine Verschwörung an gegen den „unschuldigen König“ (Mt 2,2), den unvergänglichen König; er sagt seinem Schöpfer den Kampf an und tötet Unschuldige... Was hatten sich diese Kinder zu Schulden kommen lassen? Ihre Zungen waren stumm, ihre Augen hatten nichts gesehen, ihre Ohren nichts gehört, ihre Hände nichts getan. Sie erlitten den Tod, ohne das Leben gekannt zu haben... Christus liest im Buch der Zukunft und erforscht die Geheimnisse der Herzen, er erkennt unsere Gedanken und prüft unsere Absichten (vgl. Ps 139): Warum hat er dann diese Kinder im Stich gelassen?... Der soeben geborene König des Himmels – warum hat er sich um diese Gefährten seiner Unschuld nicht gekümmert und auf die Wachen, die um seine Wiege standen, so sehr vergessen, dass der Feind, der es auf den König abgesehen hatte, gegen dessen ganze Armee wüten konnte?

Meine Brüder, Christus hat seine Soldaten nicht im Stich gelassen, sondern hat sie mit Ehren überhäuft. Denn er ermöglichte es ihnen zu triumphieren, noch bevor sie lebten, und zu siegen, ohne vorher zu kämpfen... Er wollte, dass sie noch vor der Erde den Himmel besäßen..., er sandte sie als Herolde vor sich her. Er hat sie nicht im Stich gelassen; er hat seine Vorhut gerettet; er hat sie nicht vergessen.

Selig, die Ruhe eingetauscht haben gegen Anstrengung, Linderung gegen Schmerz, Freude gegen Leid. Sie leben, sie leben, sie leben wirklich – sie, die für Christus den Tod auf sich genommen haben... Selig auch die Tränen, die von den Müttern für ihre Kinder vergossen worden sind: sie haben ihnen die Gnade der Taufe erwirkt... Möge er, der in unserem Stall zu liegen geruhte, auch uns auf die himmlische Weide führen!

 


Letzte Änderung: 10.02.2013 um 05:00

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