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Johannes Tauler - 1

Geschrieben von (ksf) am 10.04.2011
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Predigt 12, zum Dienstag vor dem Palmsonntag: „Jesus zog auch zum Fest hinauf..., aber heimlich“

 

Jesus sagte: „Meine Zeit ist noch nicht gekommen, für euch aber ist immer die rechte Zeit... Geht ihr nur hinauf zum Fest; ich gehe nicht zu diesem Fest hinauf, weil meine Zeit noch nicht erfüllt ist“ (Joh 7, 6-8). Was ist das für ein Fest, zu dem unser Herr uns hinaufschickt und das immer stattfindet? Das erhabenste und echteste Fest, das höchste Fest ist das Fest des ewigen Lebens, also die ewige Seligkeit, wo wir von Angesicht zu Angesicht bei Gott sind. Dieses Fest können wir hier auf Erden nicht haben. Das Fest aber, das wir haben können, ist ein Vorgeschmack von jenem, eine Erfahrung der Gegenwart Gottes im Geist durch die Herzensfreude, die uns eine zutiefst innere Empfindung davon vermittelt. Die  Zeit, die für uns immer unsere Zeit ist, ist die Zeit, in der wir Gott suchen und der Empfindung seiner Gegenwart nachgehen in all unseren Werken, in unserem Leben, unserem Wollen und unserer Liebe. So sollen wir uns über uns selbst und über alles, was nicht Gott ist, erheben und nur ihn allein in großer Reinheit wollen und lieben, und nichts anderes. Dazu ist jeden Augenblick die richtige Zeit.

Jedermann ersehnt die wahre Freudenzeit des ewigen Lebens, und zwar mit einer natürlichen Sehnsucht; denn alle Menschen wollen natürlich glücklich sein. Aber sich danach zu sehnen, ist nicht genug. Um seinetwillen müssen wir Gott nachgehen, ihn selbst suchen. Viele Menschen möchten gerne einen Vorgeschmack des wahren, großen Festtages haben und klagen darüber, dass er ihnen nicht gewährt wird. Wenn sie an einem Festtag im Gebet diese innere Erfahrung nicht machen und die Gegenwart Gottes nicht spüren, dann betrübt sie das. Sie beten nun weniger und tun das schlecht gelaunt und sagen, sie spürten Gott nicht. So  macht sie das Vorhaben und das Gebet verdrossen. Gerade das darf dem Menschen niemals passieren. Wir dürfen niemals ein Werk mit erkaltetem Eifer tun, denn Gott ist dabei immer gegenwärtig, und ist , ohne dass wir es wahrgenommen haben, insgeheim zum Fest bereits erschienen.

 

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Predigt 71, zu Allerheiligen: „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“

 

 

 

„Als er die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg... dann begann er zu reden und lehrte sie.“ Der Berg, auf den Jesus stieg, war seine eigene Glückseligkeit und seine Einheit im Wesen mit dem Vater. Scharen von Menschen folgten ihm, nämlich die große Zahl der Heiligen, deren Fest wir heute feiern. Sie alle folgten ihm nach, jeder entsprechend der Berufung, in die ihn Gott gerufen hatte. Darin müssen wir sie nachahmen: jeder muss vor allem darauf achten, wozu er berufen ist, um sicher sein zu können, wozu ihn Gott beruft. Dann muss er diesem Ruf folgen.

Auf dem Berg ergriff Jesus das Wort und verkündete die acht Seligpreisungen. „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“ Hier ist in erster Linie die Tugend der geistigen Armut gemeint, weil sie Anfang und Voraussetzung aller Vollkommenheit ist. Von welcher Seite aus man das Problem auch betrachtet, es geht immer darum: Wenn Gott sein Werk in der Tiefe des Menschenherzens vollbringen soll, dann muss sein Innerstes entblößt, entbunden, frei, arm und abgeschnitten sein von allem Eigenen. Es muss befreit sein von jeglicher persönlichen Bindung. Nur dann kann Gott sich darin zu Hause fühlen...

„Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.“ Das ist der nächste Schritt; denn durch echte Armut wird man zwar frei von Fesseln; aber mit Sanftmut dringt man weiter in die Tiefe vor, und alle Bitterkeit, Reizbarkeit, Unbesonnenheit verliert sich... Für den Sanftmütigen ist nichts bitter. Für solche, die gut sind, ist doch auch alles gut: das Gute kommt aus ihrem guten und reinen Innersten... Der Sanftmütige erbt das Land, er lebt in Frieden, was immer ihm auch zustößt. Wenn du dich nicht sanftmütig verhältst, verlierst du diese Tugend und damit deinen Frieden, und man wird dich einen Griesgram nennen können und dich mit einem bissigen Hund vergleichen.

„Selig die Trauernden...“ Wer sind die Trauernden? Einmal sind es solche, die leiden; zum anderen sind es Menschen, die wegen ihrer Sünden traurig sind. Die echten Freunde Gottes – und damit die glücklichsten von allen – haben aufgehört, wegen ihrer Sünden traurig zu sein... Und doch ist ihnen Traurigkeit nicht fremd: sie sind traurig wegen der Sünden und Fehler ihres Nächsten... So trauern die wahren Freunde Gottes wegen der Verblendung der Welt und ihrer Sündennot.


Letzte Änderung: 02.07.2012 um 13:55

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