Sonstiges
Johannes Tauler - 4 |
Geschrieben von (ksf) am 09.02.2013 |
49. Predigt
"Er hat alles gut gemacht: den Tauben gibt er das Gehör und den Stummen die Sprache"
Wir müssen genau untersuchen, was den Menschen taub macht. Weil es sein Ohr den Einflüsterungen des Feindes geliehen hatte, weil es seine Worte angehört hatte, darum ist das erste Ehepaar unserer Vorfahren als erstes taub geworden. Und wir sind es nach ihm geworden, so dass wir die liebevollen Eingebungen des ewigen Wortes weder hören noch verstehen können. Dennoch wissen wir sehr wohl, dass das ewige Wort auf dem Grund unseres Seins ist, so unaussprechlich nahe bei uns und in uns, wie unser Sein selbst; unsere eigene Natur, unsere Gedanken, alles, was wir benennen, sagen oder verstehen können, das alles ist uns nicht so nahe und nicht so innerlich gegenwärtig, wie es das ewige Wort ist. Und dieses Wort redet unaufhörlich im Menschen. Doch der Mensch hört es nicht, weil er von einer großen Taubheit befallen ist... Gleichzeitig wurde er dergestalt in seinen anderen Möglichkeiten beschnitten, dass er ebenfalls stumm geworden ist und sich selbst nicht kennt. Wenn er von seinem Inneren sprechen wollte, so könnte er es nicht, da er nicht weiß, wo er steht und sein eigenes inneres Sein nicht kennt...
Was hat es also auf sich mit der Einflüsterung des bösen Feindes? Es ist die Unordnung, die er dich sehen lässt mit ihrer schillernden Seite. Und er überredet dich, sie anzunehmen, indem er sich der Liebe oder der Suche nach den geschaffenen Dingen dieser Welt und allem, was an ihr hängt, bedient: der Reichtümer, der Ehren, selbst der Freunde und Verwandten, ja sogar deiner eigenen Natur, kurz, aller Dinge, die dir Geschmack an den Reichtümern dieser gefallenen Welt vermitteln. Das alles enthält seine Einflüsterung ...
Aber dann kommt unser Herr: er legt seinen heiligsten Finger in das Ohr des Menschen und etwas von seinem Speichel auf seine Zunge. Und dadurch lässt er den Menschen sein Wort wieder finden.
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Predigt 21, 4. Predigt zur Himmelfahrt
„Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein“
Da unser Haupt in den Himmel aufgefahren ist, ist es angemessen, dass seine Glieder ihrem Herrn auf dem Weg, den er so qualvoll gegangen ist, nachfolgen. Denn „Christus musste all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen“ (Lk 24,26). Wir müssen unserm Haupt nachfolgen, ihm, der der Liebe so würdig ist und der uns das Banner vorausgetragen hat. Jeder nehme sein Kreuz auf sich und folge ihm nach; so werden wir dorthin gelangen, wo er ist. Viele folgen, wie man leicht sehen kann, dieser Welt um lächerlicher Ehre willen. Dafür verzichten sie auf Komfort, auf Familie und Freunde; sie setzen sich den Gefahren des Krieges aus – und das nur um weltlicher Güter willen. Mit gutem Recht also leisten wir völligen Verzicht, um das reine Gut zu erlangen, das Gott ist, und folgen unserm Haupt nach...
Nicht selten trifft man auf Menschen, die Zeugen des Herrn sein wollen, und zwar im Frieden, also unter der Voraussetzung, dass alles nach ihren Wünschen abläuft. Sie wollen gerne Heilige werden, aber ohne Mühe, ohne Unannehmlichkeiten und Schwierigkeit, ohne dass es sie etwas kostet. Sie wollen Gott kennenlernen, ihn verkosten und spüren, aber es darf nichts Bitteres dabei im Spiel sein. Sobald man sich aber anstrengen muss, sobald sie mit Bitterkeit, Dunkelheit und Versuchungen zu tun haben, sobald sie Gott nicht mehr spüren und sich innerlich wie äußerlich verlassen fühlen, verflüchtigt sich ihre schöne Entschlossenheit. Das sind keine wirklichen Zeugen, so wie wir sie für den Retter brauchen... Könnten wir uns doch von solchen Bestrebungen lösen und jederzeit, auch mitten im Unglück, den Frieden suchen! Nur da entsteht der wahre Friede, ein Friede, der Bestand hat.
Letzte Änderung: 10.02.2013 um 03:28
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