Sonstiges
Johannes Tauler 3 |
Geschrieben von (ksf) am 01.07.2012 |
Predigt Nr. 20, die 3. zur Himmelfahrt
«Wohin ich gehe, den Weg dorthin kennt ihr»
„Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen“... Die Glieder des Leibes Christi müssen ihrem Herrn, ihrem Haupt, folgen, der heute in den Himmel aufgestiegen ist. Er ging hin, um einen Platz für uns vorzubereiten (Joh 14,2), uns, die wir ihm nachfolgen, damit wir wie die Braut des Hohenliedes sagen können: „Zieh mich her hinter dir“ (1,4)...
Wollen wir ihm nachfolgen?
Wir müssen auch den Weg bedenken, den er uns dreiunddreißig Jahre lang aufgezeigt hat: einen sehr bitteren Weg der Armut und Entäußerung. Wenn es uns gelingen soll, mit ihm emporzukommen über alle Himmel, müssen wir den ganz gleichen Weg gehen. Auch wenn alle Lehrer verstorben und alle Bücher verbrannt wären, fänden wir in seinem heiligen Leben immer genügend Belehrung; denn er selber ist der Weg, er und kein anderer (Joh 14,6).
Lasst uns also diesen Weg gehen. Wie der Magnet Eisen anzieht, so zieht der liebenswürdige Christus alle Herzen an sich, die er berührt hat. Das von der Kraft des Magneten erfasste Eisen wird über seine natürlichen Möglichkeiten hinausgehoben, es folgt dem Magneten und wird von ihm emporgezogen, was ganz gegen seine Natur ist. Deshalb lassen alle, die tief in ihrem Herzen von Christus berührt sind, alle Freude und alles Leid los. Sie sind über sich selbst zu Christus erhoben...
Wenn man nicht berührt wird, darf man das nicht Jesus zuschreiben. Gott berührt, gibt Anstöße, mahnt und liebt alle Menschen gleich; er will sie unterschiedslos haben; aber auf sein Tun, auf seine Mahnungen und seine Geschenke wird sehr unterschiedlich reagiert, sie werden auf sehr ungleiche Weise entgegengenommen... Wir lieben und wollen etwas, was nicht Er ist; deshalb werden die Geschenke, die Gott jedem Menschen unaufhörlich anbietet, bisweilen nicht angenommen...
Aus dieser seelischen Einstellung können wir uns nur befreien mit mutigem und entschiedenem Einsatz und mit einem aus dem Herzen aufsteigenden aufrichtigen und hartnäckigen Beten.
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Erste Predigt für den vierten Sonntag nach Dreifaltigkeit
«Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist»
Über einen anderen zu urteilen, ist riskant und gefährlich. Es soll ein jeder darauf bedacht sein, diese Sünde nicht zu begehen. Denn er, der die Wahrheit ist, hat gesagt: „Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden“.
Wenn du in hohem Maße barmherzig bist, wirst du große Barmherzigkeit finden. Wenn du es nur wenig bist, findest du wenig; wenn du ohne Barmherzigkeit bist, wirst du selber auch keine finden. Diese Barmherzigkeit muss man in seinem Inneren empfinden und ausüben, so tief in seinem Willen, dass man überall, wo man seinen Nächsten leiden sieht, tiefes ehrliches Mitleid mit ihm empfindet und Gott von ganzem Herzen bittet, ihn zu trösten.
Wenn du ihm spürbar helfen kannst, durch einen guten Rat oder ein Geschenk, durch Worte oder Taten, so tue es im Rahmen deiner Möglichkeiten. Wenn du nicht viel tun kannst, so tue doch etwas, nämlich ein Werk der inneren oder der äußeren Barmherzigkeit: gib ihm wenigstens ein gutes Wort. Auf diese Weise begleichst du, was du ihm schuldest, und findest einen barmherzigen Gott.
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Predigt 27, die 3. zum Pfingstfest
«Er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen»
„Ich bin die Tür zu den Schafen“: Unser Herr sagt, dass er die Türe zum Schafstall ist. Was ist nun dieser Schafstall, diese Umfriedung, dessen Tür Christus ist? Es ist das Herz des Vaters, und Christus ist wahrhaftig die liebenswerte Tür zum und vom Vater. Christus hat für uns die Versiegelung aufgebrochen und den Zugang zum Herzen ermöglicht, das bis dahin allen Menschen verschlossen war.
In diesem Schafstall sind alle Heiligen vereint. Der Hirte ist das ewige Wort, das Tor ist das Menschsein Christi; unter den Schafen dieses Stalles verstehen wir die Seelen der Menschen, aber auch die Engel gehören dort hinein...; der Torsteher ist der Heilige Geist...; denn alle Wahrheit kommt von ihm, die erfasste und die verfasste...
Mit wie viel Liebe und Güte öffnet er uns das Herz des Vaters und gibt uns ständig freien Zutritt zum verborgenen Schatz, zu den verborgenen Wohnungen und zum Reichtum dieses Hauses! Niemand hat eine Vorstellung davon, wie zugänglich Gott ist, wie bereit uns aufzunehmen, wie er sich geradezu danach sehnt es zu tun, und wie er uns in jedem Augenblick und zu jeder Stunde entgegenkommt... Liebe Kinder, wie unverbesserlich taub wir doch dieser liebevollen Einladung gegenüber bleiben...!
Wir weigern uns so oft, ihr zu folgen. Wie viele Einladungen und Anrufe des Heiligen Geistes lehnen wir ab! Wir verweigern uns aus allen möglichen irdisch-weltlichen Gründen! Wir suchen so oft nach Anderem, und nicht den Ort, an dem Gott uns haben möchte.
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Predigt 48, zum 11. Sonntag nach dem Dreifaltigkeitssonntag
«Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf um zu beten»
Die beiden Männer gingen zum Tempel hinauf. Der Tempel ist der liebenswerte innere Seelengrund, wo die heilige Dreifaltigkeit so freundlich wohnt, so edel waltet, wo sie so großzügig ihren ganzen Schatz aufbewahrt, wo sie ihr Wohlgefallen und ihre Wonne findet und sich ihres würdevollen Abbilds erfreut (Gen 1,26). Niemand kann den Adel und die große Würde dieses Tempels vollkommen beschreiben; man geht hinein um zu beten. Und damit das Gebet gut gelingt, müssen zwei Menschen dort hinaufgehen..., der äußere und der innere Mensch.
Das Gebet, das der äußere Mensch ohne den inneren Menschen betet, hat keinen großen Nutzen, ja gar keinen. Um wirklich Fortschritte zu machen auf dem Weg des echten und guten Gebetes, gibt es keine größere und nützlichere Hilfe als den kostbaren eucharistischen Leib unseres Herrn Jesus Christus... Meine lieben Kinder, ihr müsst äußerst dankbar sein dafür, dass euch diese große Gnade häufiger gewährt wird als früher, und sollt öfter darauf zurückgreifen als auf jede andere Hilfe...
Einer der beiden Männer also war ein Pharisäer. Das Evangelium sagt uns, was mit ihm geschah. Der andere war ein Zöllner; er blieb ganz hinten stehen, wagte nicht die Augen zum Himmel zu erheben und sagte: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Für ihn nahm das Gebet einen glücklichen Ausgang. Ich wollte ja gern so handeln wie er und meine Nichtswürdigkeit ständig vor Augen haben. Das wäre der vornehmste und nützlichste Weg, den man je einschlagen könnte. Dieser Weg führt den Menschen unverzüglich und unmittelbar zu Gott hin, denn wohin Gott mit seiner Barmherzigkeit kommt, da kommt er mit seinem ganzen Wesen, da kommt er selber.
Nun kommt es vor, dass manche Leute zwar so fühlen wie dieser Zöllner, aber, im Wissen um ihre Sünden, vor Gott und dem heiligen Sakrament die Flucht ergreifen und sagen, sie wagten es nicht, näher zu kommen. Nein, meine lieben Kinder, ihr sollt im Gegenteil viel bereitwilliger zur Kommunion gehen, um von euren Sünden befreit zu werden und sagen zu können: Komm, Herr, beeile dich, bevor meine Seele in der Sünde stirbt; du musst sofort kommen, sonst geht sie ganz zugrunde“ (vgl. Joh 4,49).
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Predigt Nr. 15, zum Vorabend des Palmsonntags
«Jesus ging an einen einsamen Ort, um zu beten»
Als der Sohn Gottes „die Augen zum Himmel erhob und sprach: Vater, verherrliche deinen Sohn“ (Joh 17,1), ließ er uns dadurch wissen, dass wir alle unsere Sinne, unsere Hände, unsere Fähigkeiten, unsere Seele hoch erheben und in ihm, mit ihm und durch ihn beten müssen. Das ist das liebenswerteste und heiligste Werk, das Gottes Sohn auf Erden vollbracht hat: die Anbetung seines geliebten Vaters.
Das übersteigt jedoch bei weitem alles Vorstellungsvermögen, und wir können es auf keine Weise auch nur annähernd verstehen – es sei denn im Heiligen Geist. Der hl. Augustinus und der hl. Anselm sagen vom Gebet, dass es „eine Erhebung der Seele zu Gott hin“ ist...Ich sage dir nur so viel: Löse dich wirklich von dir ab und von allem Geschaffenen, und erhebe deine Seele ganz über alle Kreaturen, in tiefster Tiefe. Und lass dort deinen Geist in eine echte Selbstaufgabe fallen..., in eine echte Einheit mit Gott...
Bitte dort Gott um alles, worum er gebeten werden will; um alles, was du ersehnst und was sich die Menschen von dir wünschen. Und sei gewiss: was eine armselige kleine Münze ist im Vergleich zu zehntausend Goldtalern, das ist jedes gesprochene Gebet im Vergleich zu dem Gebet, das eine echte Einheit mit Gott ist, zu diesem Versinken und Verschmelzen des geschaffenen Geistes im ungeschaffenen Geist Gottes. Wenn man dich um ein Gebet bittet, so bete mit Worten, worum man dich gebeten hat und wie du es versprochen hast: Aber indem du es tust, ziehe deine Seele himmelwärts und in deine innere Wüste, treibe deine ganze Herde dorthin, wie Mose es getan hat (Ex 3,1)... „Die wahren Beter werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,23). In diesem inneren Gebet kommen alle Praktiken, Formeln und Gebetsarten zur Vollendung, die von Adam an bis jetzt dargebracht worden sind und noch bis zum letzten Tag dargebracht werden.
All das kommt in dieser echten und essenziellen Sammlung zum Ausdruck.
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10. Predigt
"Im gleichen Augenblick konnte der Mann sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg"
„Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8,12). Er ist dieses Licht, das seinen Glanz allen Lichtern der Erde weitergibt: den materiellen Lichtern, wie der Sonne, dem Mond, den Sternen und den Sinnen des Menschen, und auch dem geistlichen Licht, dem Verstand des Menschen, durch das alle Geschöpfe ihrem Ursprung zustreben.
Ohne diese Rückbesinnung sind diese geschaffenen Lichter aus sich selbst heraus nur Dunkelheiten, verglichen mit jenem wesenhaft wahren Licht, das ein Licht für die ganze Welt ist.Unser lieber Herr sagt uns: „Entsage deinem Licht, das wirklich Finsternis ist im Vergleich zu meinem Licht, und das im Gegensatz zu mir steht, denn ich bin das wahre Licht und will dir als Gegengabe deiner Finsternis mein ewiges Licht schenken, damit es dir wie mir gehöre, und damit du - wie ich - mein Sein, mein Leben, mein Glück und meine Freude habest.“
Welches ist also der kürzeste Weg, der zum wahren Licht führt? Hier ist er: wahrhaft seiner selbst entsagen, Gott allein lieben und im Blick haben..., in keiner Sache seine eigenen Interessen verfolgen, sondern einzig die Ehre und Verherrlichung Gottes wünschen und suchen, alles unmittelbar von Gott erwarten und ohne jeglichen Umweg oder Vermittler ihm alle Dinge zurückbringen, woher sie auch kommen, damit zwischen Gott und uns ein unmittelbarer Fluss und Rückfluss herrsche. Das ist er, der wahre, der gerade Weg.
Letzte Änderung: 02.07.2012 um 14:03
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