Betrachtungen

Leidensbetrachtungen 1 - 5

Geschrieben von (ksf) am 13.10.2011
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Jesus Christus sagt den Aposteln sein Leiden voraus

 

 

Nr. 1

 

Punkt I - Mehrmals hat Jesus Christus den Aposteln sein bitteres Leiden vorausgesagt. Er spricht von seinem Leiden, nachdem ihn Petrus als den Sohn Gottes bekannt hat. Er spricht auch davon, um alle aufzufordern, ihm im geduldigen Kreuztragen nachzufolgen. Niemand wird sich mit ihm in der Herrlichkeit freuen können, der hier nicht mit ihm leiden will. Petrus erhebt Widerspruch und rät ihm ab, da nach seiner Meinung, ein so schmähliches Leiden nicht schicklich ist für den Sohn des lebendigen und unsterblichen Gottes.

Abermals redet Jesus Christus auf dem Rückweg von Galiläa nach Jerusalem mit den Aposteln über sein Leiden. Er erklärt ihnen die schlimmen Entehrungen, die er erdulden müsse. Sie sollten von der Demut eines Gottes lernen, demütig zu sein. Jedoch zwei von ihnen, Jakobus und Johannes, von dem Wunsch nach Würden und Auszeichnungen beseelt, lassen ihre Eitelkeit erkennen. Der Heiland muss sie zurechtweisen und ihnen begreiflich machen, dass sein Reich nur für die Demütigen ist.

Betrachtung - Wie sieht es bei uns aus? Wenn die Apostel Nachsicht verdienten, da sie das Geheimnis des Kreuzes noch nicht verstanden, welche Entschuldigung haben wir, wenn wir aus dem Leiden des Heilandes keinen Nutzen ziehen? Auch ich fasse bei der Betrachtung den Entschluss, mich abzutöten und zu verdemütigen, aber wie oft lasse ich mich von der Eigenliebe davon abhalten? Obwohl jede Station des Leidens Christi mir ans Herz geht, so dass ich davon die Demut lernen könnte, bin ich dennoch voller Hochmut und Eitelkeit, voller Ansprüche und Empfindlichkeiten.

Zwiegespräch - Erlöser meiner Seele, erfülle mich mit deinem Geist, damit ich meinen Widerstand gegen das Leiden besiege. Wenn es darauf ankommt, meine selbstsüchtigen Neigungen zu überwinden, bin ich zu kleinmütig und schwach, um auf deine Stimme zu hören. Wie groß ist doch mein Stolz!

Süßester, liebreichster Jesus, Lehrer der wahren Demut und Geduld, gib, dass ich mir die Tugenden aneigne, die du mich lehren willst. Gestatte nicht, dass dein Leiden für mich fruchtlos bleibt. Ich werfe mich zu deinen Füßen nieder und bitte dich um die Gnade der rechten Erkenntnis.

Vorsatz - Ich will mir den Grundsatz einprägen, dass ich ohne Demut und Geduld mein Heil nicht finden werde. Geduldig werde ich sein durch die Demut, demütig durch die Erkenntnis meines Elends.

 

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Nr. 2

 

Punkt II - Während die Volksscharen über die geschehenen Wunder staunen, spricht Jesus Christus mit seinen Aposteln von seinem Leiden: „Merkt auf meine Worte: Wahrlich ich werde den Händen meiner Feinde ausgeliefert werden.“ Dieses sagt er ihnen, damit sie verstehen, dass ihm nichts gegen seinen Willen angetan wird, vielmehr, dass alles nach seiner freien Wahl geschieht. Wenn sie ihn später am Kreuz sterben sehen, sollen sie sich an diese Vorhersage erinnern und glauben, dass er Gottmensch ist. Der Erlöser kann sich nicht deutlicher erklären, um das große Geheimnis ihrem Geiste einzuprägen. Aber, als wären sie blind oder ohne Verstand, verstehen sie nicht, was er sagen will.

Jesus Christus wiederholt nochmals die Vorhersage seines Leidens, indem er ihnen mit klaren Worten sagt, dass er ausgeliefert, misshandelt, gegeißelt, angespieen und getötet werden wird, so wie es in der Schrift über ihn steht. Aber sie begreifen nichts, sondern halten es für eine Rede in Gleichnissen. Sie verdrehen den Sinn der Worte und deuten sie nicht im Hinblick auf die Wirklichkeit seines bevorstehenden Leidens. Sie wetteifern untereinander um den ersten Platz, ohne sich in der Demut zu üben, die ihnen der göttliche Lehrmeister so eindringlich ans Herz gelegt hat.

Betrachtung - Forschen wir nicht weiter nach, wieso dies bei den Aposteln möglich gewesen ist, schauen wir vielmehr auf uns selbst. Bin nicht auch ich, wenn ich das Leiden Jesu betrachte, kalt und gefühllos, so dass ich weder begreife noch verstehe? Wenn ich bedenke, wer leidet, warum er leidet, für wen er leidet, empfinde ich kaum eine Rührung, als sei der Glaube in mir erloschen. Ist mein Geist verblendet und mein Herz verhärtet, da ich die Geheimnisse des Heiles nicht verstehe?

Zwiegespräch - Barmherziger Gott, Vater des Lichtes, ich bitte dich, meine Finsternis zu erleuchten. Öffne die Augen meines Geistes, erhebe mein Herz über das Sinnliche und gib mir die Gabe des Verstandes. Gib, dass ich mit Andacht bei der Betrachtung der schmerzhaften Geheimnisse verweile und zu Mitleid und Reue gerührt werde. Ach mein Jesus, du bist so gut! Durch das Innerste deiner Barmherzigkeit bitte ich dich, mich mit deiner Gnade zu erleuchten und zu stärken.

Vorsatz - Am Anfang und am Ende meiner Betrachtung werde ich mich der seligsten Jungfrau anempfehlen. Ich werde mich im Empfinden meiner Unwürdigkeit verdemütigen, weil Gott nur den Demütigen die Gabe der Einsicht zu verleihen pflegt.

 

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Verschwörung der Juden

 

Nr. 3

 

Punkt I - Nachdem Jesus Christus den Lazarus auferweckt, und der Ruf dieses Wunders sich verbreitet hatte, bekehrten sich viele Juden, die Jesus als den Sohn Gottes erkannten. Einige aber begaben sich zu den Pharisäern, um sie davon in Kenntnis zu setzen, welches Ansehen er sich dadurch erworben hatte. So versammeln sich diese im Hause des Kajaphas mit den Synagogenvorstehern, um eine Verschwörung gegen Jesus anzuzetteln. Schon öfter haben sie versucht, ihn zu töten, jetzt aber wollen sie den entscheidenden Entschluss fassen.

Betrachtung - Die Wahrheit des Wunders kann weder geleugnet, noch verhehlt werden. Was aber diesen Gottlosen Veranlassung zu größerer Bewunderung und Verehrung Jesu Christi sein sollte, erbittert sie nur umso mehr und lässt ihren unversöhnlichen Hass in Wut entflammen. Wie weit führt doch eine unselige Leidenschaft!

Was aber war die Veranlassung zu diesem Leiden beim weltlichen Gericht? Die blinde Leidenschaft jener Häupter des jüdischen Volkes. Was aber war die Ursache des Leidens beim Gericht Gottes? Meine Sünden! Woher aber entspringt jede meiner Sünden, wenn nicht von meinen inneren Leidenschaften.

Zwiegespräch - Wenn man das Leben der Heiligen liest, so erkennt man, dass sie durch sorgfältiges Abtöten ihrer Leidenschaften heilig geworden sind. Wie oft aber habe ich mich meiner Leidenschaften bedient, um mich gegen dich, mein Gott, zu empören? Du hast mir die angeborenen Schwächen gelassen, damit sie mir Anlass sind, mich in der Tugend zu üben, ich aber mache daraus ein Werkzeug des Lasters. In meinem Herzen ziehe ich, gleichsam wie im Saale des Kajaphas, von Zeit zu Zeit meine Leidenschaften zu Rate, und der Entschluss geht am Ende immer dahin, schwere Beleidigungen gegen dich zu begehen. Ach, wo finde ich ein Heilmittel, wo Rettung?

Nur von dir, o mein Gott, darf ich hierin Hilfe erwarten. Deshalb bitte ich in Demut, mich durch die Betrachtung des Leidens Jesu Christi dahin gelangen zu lassen, meine Leidenschaften in Schranken zu halten, um deinen Geboten gehorsam zu sein. Wegen meiner sündhaften Neigungen fühle ich vielfältige und große Schwäche und Lauheit, jedoch deine Weisheit, Barmherzigkeit und Gnade sind mächtig genug, mir zu helfen und mich zu stärken. Vor allem fürchte ich meinen Stolz, den ich nicht recht erkenne. Zur Bekämpfung dieser Wurzel alles Bösen verleihe du mir Licht und Kraft, der du der Lehrer der Demut und Beschützer der Demütigen bist.

Vorsatz - Weil ich meinen Stolz nicht erkenne, muss ich darauf bedacht sein, ihn durch Erforschung meiner Gedanken, Begierden und Worten selbst in jenen Werken zu entdecken, die mir vortrefflich erscheinen.

 

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Nr. 4

 

Punkt II - Die vorherrschende Leidenschaft, die die Hohen Priester und Pharisäer zur Wut gegen Jesus Christus entflammt, ist der Neid. Da sie sehen, wie das Volk über seine Wunder staunt und ihm anhängt, ergreift sie die Eifersucht, als ob sie seinetwegen die Hochachtung und Zuneigung des Volkes und die ihnen daraus zufließenden Einkünfte verlieren müssten. Deshalb beschließen sie einmütig, aus purem Neid, Habsucht und Stolz, den heiligsten Mann der Welt zu töten.

Betrachtung - Welch großes Unheil verursacht doch der Neid zum Verderben der Seelen, ja zum Verderben der ganzen Welt. Auch geistliche Personen sind davon nicht frei. Gewöhnlich hält man den Neid für ein unbedeutendes Übel, weshalb er nicht gefürchtet oder gar nicht wahrgenommen wird. Und doch kann er uns nach und nach unbemerkt ins ewige Verderben stürzen.

Erforschen wir uns in den geheimen Falten unseres Gewissens, und wir finden vielleicht diese Leidenschaft darin verborgen, die mit unmerklichem Fieber uns verzehrt. Bei vielen Gelegenheiten wünsche ich sehnlich, dass man mir die gebührende Achtung entgegenbringt. Wird aber ein anderer mehr als ich geschätzt und geliebt, regt sich dann in mir Missfallen und Verdruss? Freue ich mich über alles Gute meines Nächsten, welcher Art es auch immer sein mag, so als ob ich es selbst besäße? So erfordert es von mir die Liebe, und jede Regung des Herzens, die dieser Liebe widerstrebt, ist ein wahrer Akt des Neides. Falls es so ist, meine Seele, wie steht es um uns vor Gottes Augen?

Zwiegespräch - Die Bosheit meines Herzens, o Gott, erfüllt mich mit Furcht. Wie oft betrübt mich das Wohl der anderen? Wie kann ich sicher sein, dass dies nicht ein Akt versteckten Neides ist? Mit den Augen deiner Allwissenheit, womit du die tiefsten Abgründe des Herzens durchdringst, siehst du meine sündhafte Leidenschaft. Ich aber kümmere mich nicht darum, klage mich darüber nicht an und bin auch nicht bestrebt, sie zu bekämpfen. Der Neid verblendet mich. Durch die Übung der Liebe könnte ich heilig sein, und mich über fremdes Wohlergehen freuen. Mein Gott, der du mich in der heiligen Schrift belehrst, dass der Neid ein Laster Satans ist, da er den Menschen nur hasst und verfolgt, wegen des Guten, das du ihm erweist. Stehe mir bei, damit ich dieses verderbliche Laster immer mehr erkenne und verabscheue.

Vorsatz - Bei meiner Gewissenserforschung werde ich auf den Neid mein Augenmerk richten, und wenn ich mich schuldig finde, werde ich Reue erwecken, mich anklagen und den Vorsatz fassen, bei nächster Gelegenheit darauf bedacht zu sein, die ersten Regungen zu unterdrücken.

 

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Nr. 5

 

Punkt III - In der Versammlung der Hohen Priester und Pharisäer bringt man die Wunder Jesu Christi als Gegenstand der Anklage vor und spricht: „Warum dulden wir noch länger einen Menschen, der Wunderdinge vollbringt, die über alle menschliche Kraft gehen?“ Man erwähnt die Blinden, denen er das Augenlicht gegeben, die Kranken, die er geheilt, die Toten, die er auferweckt und viele andere Wunder, die er zum Wohle der Menschen gewirkt hat. Aus all diesen Werken, an denen sie den von den Propheten verkündeten Messias hätten erkennen können, ziehen sie den Schluss, dass er getötet werden muss. Hat man je gehört, dass man über die guten Werke eines Menschen Gericht gehalten hat, um das Todesurteil über ihn auszusprechen? So geschieht es mit Jesus Christus, den man, seiner unleugbaren Wunder wegen, für strafwürdig erklärt.

Betrachtung - Man betrachte die Verblendung jener Menschen. Sie sehnten sich und beteten, dass der Messias kommen möge, und da er nun wirklich mit allen Zeichen erschien, verschmähen sie ihn und trachten danach, ihn aus der Welt zu schaffen.

Es ist dasselbe, was auch meinerseits geschieht. Ich bitte und flehe um Demut, Liebe, Geduld und alle Tugenden, die zur Erlangung meines Heiles notwendig sind. Wie verhalte ich mich aber, wenn Gott mich gnädig erhört und mir Gelegenheit, Einsprechung und Beistand gewährt, um tatsächlich demütig, liebreich und geduldig zu sein? Ich nutze nicht die Gelegenheit, widerstehe den Einsprechungen, bediene mich der Gnade nicht und bin so ganz jenen ähnlich, die die Wohltaten des Himmels mit Undank erwidern. Die Juden wollten einen Messias, der sie rettet, ohne ihre irdischen Gesinnungen zu stören. Ebenso wünsche auch ich mein Heil, jedoch ohne Abtötung meiner Begierden und fehlerhaften Neigungen.

Zwiegespräch - Was sagst du dazu, mein Gott? Habe ich nichts Jüdisches in meiner Vorstellung, auf dass der Erlöser mich nach meinem Gutdünken retten soll? Ich wünsche, dass er mir die Tugenden schenkt, ohne dass ich meine Fehler ablege, dass er mir das Himmelreich schenkt, ohne dass ich Gewalt gebrauche, mich von mir selbst und von der Welt loszureißen. Mein Gott, verleihe mir, dass ich deine Erbarmungen und Gnaden schätzen lerne, und dass meine Bosheit, die du bis auf den Grund durchschaust, auch mir nicht verborgen bleibt. Ich verlange danach, sie zu erkennen, um sie ablegen zu können.

Du selbst bist es, o Herr, der mich durch innere Erleuchtung dazu antreibt, dir diese Bitte vorzutragen. Wirst du wohl den leer ausgehen lassen, der eine Bitte nach deinem Wohlgefallen und in deinem Namen an dich richtet? Demütig flehe ich um deinen Beistand, dass ich die Gnaden und Mittel, die du mir zu meinem Heil verleihst, nicht zu meinem Verderben missbrauche. Es ist unmöglich, auf eine andere Weise, als die, die mich mein Heiland gelehrt hat, Rettung zu finden.

Ich werde einst vor dem göttlichen Richterstuhl zu meiner Entschuldigung nicht vorbringen können, dass ich wegen Mangel an Gnaden die Tugendübung unterlassen habe. Meine Lauheit wird gegen mich zeugen und wegen meiner Trägheit und Treulosigkeit werde ich für schuldig erklärt werden.

Vorsatz - Ich will mir mit fester Entschlossenheit vornehmen, Jesus in seinen Lehren und Beispielen nachzufolgen. O Jesus, von den Juden verschmäht, sei von mir immer geliebt, angebetet und nachgeahmt.

 

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Letzte Änderung: 28.01.2012 um 00:41

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