Betrachtungen

Leidensbetrachtungen 76-82

Geschrieben von (ksf) am 06.04.2021
Betrachtungen >>

Nr. 76 - Gebet Jesu Christi im Ölgarten

Punkt I - In der Fülle seiner schmerzlichen Betrübnis bricht Jesus nicht in Ungeduld oder Entrüstung aus, wie dies bei uns gewöhnlich geschieht, wenn uns Widerwärtigkeiten treffen. Er nimmt im Gebet seine Zuflucht zum Vater, wie es in der Schrift geweissagt ist. Er betet nicht als Gott, denn als solcher ist er dem Vater in allem gleich und vermag alles zu wirken, was er will. Er betet als Mensch, der in der menschlichen Schwäche der göttlichen Hilfe bedarf. Auch betet er als Haupt und Lehrer der Kirche, um uns durch sein Beispiel zu lehren, dass wir in allen Bedrängnissen und Nöten, besonders in jenen der Seele, auf das Gebet vertrauen sollen.

Zwiegespräch - Ich bereue, o Gott, meine Untreue im Befolgen deiner Lehren und in der Nachahmung deiner Beispiele. Tag und Nacht sollte ich beten mit Seufzen und Weinen, um deiner Gerechtigkeit Sühne anzubieten und deine Barmherzigkeit anzuflehen wegen des vielen Bösen, das ich getan und wegen der Unterlassung von so viel Gutem. Und dennoch, siehe wie kalt, wie eiskalt ich bin, ohne Eifer und ernstlichem Verlangen, diese meine Pflicht zu erfüllen. Wohlan mein Jesus, verleihe mir etwas von deinem heiligen Eifer, mit dem du im Ölgarten dein Gebet an den himmlischen Vater gerichtet hast. Schenke mir auch etwas von deiner wahren Demut, auf dass ich mich als das erkenne, was ich bin: Staub und Asche vor deiner göttlichen Majestät. Wenn ich bei meinem Gebet weiter nichts vermag, als mich wiederholt zu verdemütigen, so werde ich dadurch nicht wenig ausrichten, weil ich weiß, dass du das Gebet der Demütigen immer erhörst.

Betrachtung - Siehst du, meine Seele, mit welcher Demut und Ehrfurcht er betet, auf den Knien liegend, mit dem Angesicht zur Erde gebeugt, als wäre er nicht würdig, es empor zu richten und den Himmel anzuschauen. Es scheint gleichsam, als ob er sich nicht einmal erinnere, dass er der Sohn Gottes ist. Seine Erniedrigung geht soweit, dass es ihm nicht genügt, sich wie ein gewöhnlicher Mensch zu verdemütigen, sondern er lässt sich noch tiefer herab, als wäre er das Geringste unter den Menschenkindern. Bedenken wir aber: Wenn unser Heiland, der Gottmensch, nirgends sonst als im Gebet eine Erleichterung in seinen Bedrängnissen sucht, wie kann dann ein armer Mensch vermessentlich glauben, sich in seinen Trübsalen ohne Gebet und nur aus eigenen Kräften aufrecht halten zu können? Sind wir vielleicht stärker oder standhafter? O wie bin ich doch so töricht, stolz und unwissend! Lehrt mich vielleicht Jesus, nur im Umgang mit Menschen eine Erleichterung zu suchen, wenn Traurigkeit oder Seelennot sich meiner bemächtigen? Wie selten nehme ich selbst in meinen täglichen Nöten, wenn ich aufgeregt, beunruhigt oder verwirrt bin, meine Zuflucht zu Gott!

Vorsatz - Da ich nicht weiß, was mir von einer Stunde zur anderen begegnen kann, werde ich mich zur Zeit des Wohlergehens oft an Gott erinnern und ihn bitten, dass er mir in den vielleicht schon nahe bevorstehenden Widerwärtigkeiten seine Hilfe nicht versage.

 

Nr. 77

Punkt II: Jesus Christus verrichtete sein Gebet am Ölberg mit Demut, niedergeworfen zur Erde. Wie der hl. Paulus sagt, verrichtete er es mit Eifer, unter lautem Stöhnen und von Tränen begleitet. Er brachte es dar, mit unerschütterlichem Vertrauen, wie dies aus seinen Worten ersichtlich ist: „Mein Vater, dir ist alles möglich!“ O könnten wir sein Inneres sehen, mit welchen Gefühlen der Liebe, der Ehrfurcht und Hochachtung er mit diesen Worten die Majestät Gottes verehrt! Sonst rief er den Vater nur mit dem Wort „Vater“ an, jetzt nennt er ihn „seinen Vater“, denn er vertritt die Gläubigen und lehrt uns durch sein Beispiel, was er auch bei seiner Unterrichtung gelehrt hatte, nämlich Gott im Gebet unseren Vater zu nennen.

Betrachtung: Diese Belehrung ist überaus wichtig. Jesus Christus will nicht, dass wir Gott mit jener knechtischen Furcht anrufen, die dem alten Bund eigen war, sondern mit kindlicher Liebe, die dem neuen Bund zusteht. Wie kann man wahrhaft beten, wenn man nicht hofft, erhört zu werden. Damit wir aber mit Vertrauen beten und hoffen können, stellt uns Jesus Christus zwei Glaubenswahrheiten vor Augen: Gott ist aus Güte unser Vater und liebt uns als wahrer Vater, und Gott ist allmächtig, so dass es nichts gibt, was ihm nicht möglich wäre. Diese beiden Gedanken sind mächtig genug, um unsere Herzen zur stärksten Hoffnung zu bewegen. Gibt es wohl eine Gnade, die ich nicht verlangen dürfte oder die ich nicht erhoffen sollte, da ich weiß, dass Gott als mein Vater bereit ist, mir alles zu geben und mir in seiner Allmacht alles Gute gewähren kann.

Zwiegespräch: Mein liebreichster Jesus, ich erkenne, dass von dieser Wahrheit mein Heil für Zeit und Ewigkeit abhängt. Da du dich nun herabgelassen hast, mich zu lehren, wie ich beten soll, so bitte ich, dass du mir mit deiner Gnade auch beistehst, mein Gebet nach deiner Anweisung zu verrichten. Gib, dass ich jene Worte: „Vater unser, der du bist im Himmel“, mit tiefer Demut zum Vater empor sende und dabei mein Elend betrachte. Gib, dass ich sie zugleich mit wahrer Bewegung des Herzens und tiefster Ehrfurcht ausspreche, so wie du selbst im Ölgarten sprachst: „Mein Vater!“

Ewiger Vater, der du willst, dass auch ich dich Vater nenne, flöße mir jene kindliche Liebe und Hochschätzung ein, die ich deiner Majestät schuldig bin. Ich verdiene deine Liebe nicht, du aber bist unendlich wert, von mir geliebt zu werden. Ich bin zwar ein armer Sünder, aber dessen ungeachtet, dennoch dein Kind, durch die Verdienste deines Sohnes Jesu Christi. Ja, dein Kind bin ich, obwohl ich mich leider oft nicht als Kind benehme. Ach, um deiner Barmherzigkeit willen, die sich herablässt, mich als Kind anzuerkennen, obwohl ich es nicht verdiene, auch nur als dein Sklave angesehen zu werden, flehe ich um die Gnade, deinem wahren Sohn Jesus in seinen Tugenden, zu deiner Ehre und zu meinem Heil nachfolgen zu dürfen.

Vorsatz: Ich werde beim Gebet nie vergessen, jene drei Tugenden zu üben, die mich Jesus Christus gelehrt hat: die Demut, den Eifer für Gott und das Vertrauen. Fehlt nur eine von diesen, dann ist das Gebet schwach und Gott wenig wohlgefällig.

 

Nr. 78

Punkt III: Das Gebet ist ein Akt des Willens, der Gott ein Verlangen vorträgt, damit es bei ihm Erhörung finde. Daher müssen wir annehmen, dass Jesus Christus im Ölgarten zweierlei Gebet verrichtet hat. Eines, um zu bitten, dass seine Menschheit davon freigesprochen werde, den Kelch des Leidens zu trinken. Dies entsprach dem Begehren der menschlichen Sinne, die das Leiden fliehen wollten. Das andere, um zu erlangen, dass dessen ungeachtet alles geschehe, was Gott gefällt, und dies entsprach seinem vernünftigen Willen, der dem göttlichen Willen unterworfen blieb.

Betrachtung: Jesus Christus bittet zuerst den ewigen Vater, dass er ihn von dem bevorstehenden Leiden befreie. Dieses Gebet war die Stimme des Fleisches zugunsten der Sinne, um durch die Schwäche der Natur erkennen zu geben, dass er wahrer Mensch ist. Aber sogleich fügt er hinzu, dass der Wille des Vaters geschehen möge. Er ergibt sich ganz durch einen Akt vollkommener Tugend und belehrt uns dadurch, dass unser Gebet ebenso beschaffen sein soll. Er bittet zuerst mit den Worten eines Leidenden, der von seiner Trübsal befreit werden möchte, auf dass der Mensch hieraus lerne, mit den Worten des Gottmenschen zu bitten und nichts anderes zu begehren, als das, was Gott will. O Weisheit, o Güte des göttlichen Erlösers, der sich herablässt, nach den Gefühlen des menschlichen Herzens zu sprechen und zugleich zu zeigen, wie sich dieses mit dem Herzen Gottes vereinigen muss.

Erwäge, meine Seele, das Beispiel, das dir Jesus Christus gibt. Obgleich es erlaubt ist, Gott unsere natürlichen Bedürfnisse vorzutragen und ihn zu bitten, dass er uns von den Mühsalen dieser Welt befreit, so muss dieser Bitte immer jene andere folgen, dass alles nach dem Willen Gottes geschehen möge. Im Gebet des Vaterunsers verlangt man alles, auch das, was man zum leiblichen Wohlergehen benötigt. In welchem Geiste aber sprechen wir jene drei süßen Worte aus: „Dein Wille geschehe“?

Zwiegespräch: Ich sage wohl oft, o Gott, dass dein Wille geschehe, aber ich sage es nur so mit Worten und nicht wahrhaft von Herzen. All zu groß ist meine Anhänglichkeit an den eigenen Willen. Ich wünsche, dass dein Wille geschehe, aber noch mehr wünsche ich die Erfüllung meines eigenen Willens, und es verdrießt mich sehr, wenn er nicht befriedigt wird. Eine Krankheit oder eine andere Widerwärtigkeit, obwohl von dir zugelassen, ist meinem Willen zuwider und ich kann mich nicht fügen. Ach, mein Gott, heile mich von dieser Verblendung durch die Erleuchtung, dass mein Wille, so gut er mir auch zu sein scheint, eine falsche Richtschnur ist, die mich täuschen und zum Irrtum verleiten kann. Nur dein allzeit heiliger und gerechter Wille ist der unfehlbare Leitstern, nach dem ich mich richten muss, um mein wahres Heil für Zeit und Ewigkeit zu finden. So soll es sein, und so wird es auch künftig bei mir sein, wenn du dich herablässt, mir hierzu deine Gnade zu geben.

Vorsatz: Nur darin muss ich die Vollkommenheit suchen, dass die sinnliche Neigung der Vernunft untergeordnet ist, und die Vernunft sich dem göttlichen Willen unterwirft. Hierauf soll mein ganzes Bestreben gerichtet sein, weil alles davon abhängt.

 

Nr. 79

Punkt IV: Von Adams Ungehorsam kam das Verderben der Welt. Jede Sünde aber bedeutet ein Ungehorsam, da man, indem man sie begeht, dem Begehren der Sinnlichkeit, statt den Geboten Gottes gehorcht. Da uns also Jesus Christus mit Gott versöhnen wollte, stellt er, um die der beleidigten Gottheit geraubte Ehre zu ersetzen, dem allgemeinen Ungehorsam seinen vollkommenen Gehorsam entgegen. Diesen hat er besonders im Ölgarten gezeigt. Er erweckt in sich das heftigste Sträuben gegen Schmerzen, Entehrungen und den Tod. Damit man erkennen möge, dass nur Gott allein seiner Betrübnis abzuhelfen vermag, nimmt er seine Zuflucht zu Gott. Er stellt ihm die Bedrängnisse seiner Menschheit vor, um bei ihm Mitleid hervorzurufen. Weil er aber in die Welt gekommen ist, um den Willen des Vaters und nicht den des Fleisches und Blutes zu erfüllen, fügt er sogleich hinzu, dass allein der Wille des Vaters geschehen möge. Er will sagen, dass wenn auch die Natur widerstrebt und sich weigert, sie dennoch dem Vater gehorchen muss. So ist es sein Wille.

Betrachtung: O wunderbarer Gehorsam! Jesus sieht deutlich die Leiden, die er zu erwarten hat und die Umstände der schrecklichsten Schmerzen. Ein heftiges Widerstreben entsteht in ihm, und er möchte nicht leiden. Durch viele Akte des Gehorsams, mit denen er seine Unterwerfung unter den Willen des Vaters erneuert, fügt er sich in alle noch so furchtbaren Leiden, indem er spricht: „Mein Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Überlassen wir die Bewunderung hierüber den Engeln, und richten wir unser Augenmerk besonders auf sein nachahmungswertes Beispiel. Siehst du, meine Seele, welch heftigen Widerstand die gefühlvolle Menschheit Jesu überwunden hat um dem Vater zu gehorchen! Richte nun die Betrachtung auf dich.

Zwiegespräch: Ach, mein Gott! Selbst das kleinste Widerstreben meiner Natur reicht schon aus, mich vom Gehorsam gegenüber deiner göttlichen Majestät abzubringen. Schon unzählige Male war ich dir ungehorsam, weil ich es unterlassen habe, die Begierden und Neigungen der Sinnlichkeit zu bekämpfen. Siehe, ich bereue nun schmerzlich all mein Versagen und opfere dir, o ewiger Vater, zur Genugtuung für die Beleidigungen meines Ungehorsams, die ehrfurchtsvolle Unterwerfung deines geliebten Sohnes auf! Aber auch an dich wende ich mich, o mein geliebter Heiland, und bitte dich, dass du mir deine Gesinnung mitteilst, damit ich vermag, so wie du, im Geist und in der Wahrheit zu beten. Du hast dich im Ölgarten nicht damit beschäftigt, über dein bevorstehendes Leiden eine trockene Betrachtung anzustellen, sondern du bist zu dem wirklichen Willensentschluss gekommen, es in freudigem Gehorsam anzunehmen. Nach diesem Vorbild sollte ich mich richten. Jedoch wie lau, kalt und kraftlos ist mein Gebet! Ach, erwecke meinen trägen Willen, dass ich dich in der Ausübung deiner Tugenden nachahme. Vor allem fasse ich den Entschluss zum treuen Gehorsam gegenüber deinem Willen.

Vorsatz: Ich werde mich mit folgendem Gebet vertraut machen: „Gib, o Gott, dass an mir allezeit dein heiliger Wille geschehe; lasse mich erkennen, was dir wohlgefällig ist und verleihe mir die Gnade, es auch zu vollbringen!“ Wenn es erforderlich ist, bin ich bereit, mir selbst Gewalt anzutun.

 

Nr. 80

Punkt V: Alles, was Jesus Christus für das Heil der Welt getan hat, hat er als Gottmensch getan. Nur als Mensch oder nur als Gott allein, hätte er nicht Vermittler sein können, um uns mit Gott zu versöhnen. Als Gottmensch hat er sich verdemütigt, hat gebetet und gehorcht. Beherzigenswert ist ein besonderer Vorzug seines Gehorsams: Eigentlich war es nicht der Vater, der diesen Gottmenschen zum Leiden und Sterben verpflichtete, sondern er selbst hat sich freiwillig für das Heil der Welt angeboten, da er wusste, dass der ewige Vater daran Wohlgefallen findet.

Betrachtung: So handelt ein guter Sohn, dem es am Herzen liegt, den Vater zu ehren. Allein, dass er weiß, was dem Vater willkommen ist, schon betrachtet er des Vaters Wohlgefallen als ein Gebot, um Gehorsam zu üben. Je freier und ehrfurchtsvoller dieser ist, desto wertvoller ist er. So verhält es sich bei Jesus Christus. Wohl wissend, dass es seinem ewigen Vater zur größeren und wohlgefälligeren Genugtuung und Ehre gereicht, je qualvoller die Pein ist, der er sich unterzieht, bietet er sich aus inbrünstiger Liebe, mit freudiger Bereitwilligkeit an, so Vieles zu erleiden, als seine Menschheit zu ertragen fähig ist. O Beispiel des Gehorsams! O Schauspiel der Beschämung für mich! Wohl weiß ich, dass Gott Vieles wohlgefällig wäre, wenn ich es aus Liebe zu ihm tun würde. Ich bin überzeugt, dass ich Gott gefallen könnte durch die Übung der Demut, der Liebe, der Geduld und anderer Tugenden. Dennoch lässt mich der Gedanke an das göttliche Wohlgefallen beinahe gefühllos und untätig. Sogar hinsichtlich der strengsten Gebote fällt mir der Gehorsam schwer. Der Hauptinhalt meines Lebens besteht darin, dass ich mich damit begnüge, nichts Böses zu tun, mich aber im Übrigen nicht um die Übung des Guten kümmere. In Bezug auf das, zu dem ich nicht streng verpflichtet bin, nutze ich die Freiheit, mehr meiner Behaglichkeit als Gott zu dienen. Immerhin neige ich mehr dazu, meine Begierlichkeit durch eitle Genüsse, als mein Gewissen durch werktätige Liebe zum wahrhaft Guten zu befriedigen.

Zwiegespräch: Mein Gott, wie sehr missachte ich deine unschätzbaren Beispiele! Weder Leiden noch Tod waren für dich ein Gebot, und doch hast du beides willig angenommen, um den Vater durch deinen Gehorsam zu ehren und ihm zu gefallen. Dasselbe zu tun ist auch meine Pflicht. Wohlan! Weil du so barmherzig bist, mir deine Verdienste zuzuwenden, so flöße mir auch die Gesinnungen deines Herzens ein, damit es meine einzige Absicht sei, dir zu gefallen und dir vollkommenen Gehorsam zu leisten. Gib mir zu erkennen, wie und womit ich dir gefallen kann und verleihe mir die Bereitwilligkeit in allem nur dein und nicht mein Wohlgefallen anzustreben.

Vorsatz: Ich werde den Einsprechungen zum Guten gehorsam sein. Ohne zu ergründen, was ein Gebot oder was ein Ratschlag ist, soll mein Gehorsam nur das Wohlgefallen Gottes beabsichtigen.

 

Nr. 81

Punkt VI: Dreimal hat Jesus Christus in dieser Nacht gebetet, das erste Mal eine ganze Stunde lang. Nachdem er nun seine Menschheit dem himmlischen Vater empfohlen und sich seinem Willen ergeben hat, betet er für uns alle, so wie er auch das Leiden für uns alle angenommen hat. Er sieht, dass seine vielfältigen Leiden, die ihm lebhaft vor Augen stehen, die Quelle sind, aus der uns alle zum Heil notwendigen Gnaden entströmen werden. Er weiß aber, dass viele Gnaden, die er durch sein Leiden verdienen wird, nach der Weissagung der Propheten, von ihm gleichzeitig durch Bitten erfleht werden müssen. So können wir uns vorstellen, dass er, indem er sich zum Ertragen der Geißeln, der Verspottungen, der Dornen und des Kreuzes anbietet, auch alle diese Qualen mit Bitten, Flehen, innigen Seufzern und Tränen dem Vater für uns aufopfert. Der Vater, geehrt durch die Würde und Demut seines Sohnes, gewährt ihm all sein Verlangen. Der Wunsch seines sinnlichen Begehrens nach Befreiung von den Leiden wird zwar nicht erfüllt, weil es so geschehen muss, und er selbst verlangt, dass hier nicht sein Wille geschehen möge. Im Übrigen wurde aber jede seiner Bitten erfüllt.

Betrachtung: Bedenke, meine Seele, wie sehr du deinem Heiland verbunden sein sollst. Der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, die Wirkung der Sakramente, die Gaben des Heiligen Geistes, die Eingebungen und Gnaden und so viele andere Hilfeleistungen, die du zur Erlangung der ewigen Seligkeit benötigst, sind Wirkungen und Früchte, die dir aus dem Leiden und dem Gebet Jesu Christi zufließen. Er hat zwar alle Verdienste für die gesamte Menschheit erworben, aber sie gehören dir, als ob er für dich allein gelitten und gebetet hätte, und als ob du allein auf der Welt wärest.

Zwiegespräch: Von ganzem Herzen danke ich dir, o guter Jesus und bereue schmerzlich, dass ich deine Verdienste so oft missbraucht habe, indem ich es meinerseits an der erforderlichen Mitwirkung mangeln ließ. Ach bewirke, dass eine von den Gnaden, die du mir erworben hast, jene sei, die mir die Nachahmung der Beispiele deines Lebens und besonders deines Leidens möglich macht. Darum bitte ich dich demütig. Gestatte nicht, dass die Frucht deines so innigen Gebetes an mir verloren gehe. Sollte ich dieser Frucht nicht teilhaftig werden, so weiß ich, dass es durch meine Schuld geschieht. Dein Wille ist es, dass ich gerettet werde. So verleihe mir gnädig, dass dein Wille an mir nicht unerfüllt bleibe.

Vorsatz: Alle meine Gebete werde ich auf die Verdienste Jesu Christi gründen. Mit seinem Gebet will ich das meine vereinigen und fest vertrauen, durch Jesus Christus so erhört zu werden, wie es für mich am besten ist.

 

Nr. 82 - Jesus wird von einem Engel gestärkt

Punkt I: Das Gebet Jesu Christi im Ölgarten war demütig, eifrig und vertrauensvoll, aber auch beharrlich. Eine Belehrung für uns, dass wir in unserem Flehen zu Gott nicht ermüden sollen, denn durch die Beharrlichkeit erhält man, was andere Tugenden nicht erreichen können. Zum wiederholten Male bittet Jesus mit zum Himmel gewandten Augen, dass das Menschengeschlecht, wenn möglich, ohne seinen Kreuzestod gerettet werden möge. So sehr entsetzte sich die Natur vor dem schrecklichen Tod.

Betrachtung: Jedoch als wäre der Himmel gleichsam aus Stein, leuchtet Jesus kein Hoffnungsfunke, dass seine Bitte Erhörung fände. Immer mehr nimmt daher seine Angst zu. Seine Seele, in völliger Verlassenheit, wird von tödlicher Traurigkeit bedrängt. Wohin soll er sich wenden? Kehrt er zu den Aposteln zurück, so findet er sie schlafend. Nimmt er seine Zuflucht zum Vater, so scheint es, dass der Vater, der ihn immer erhört hatte, wenn er für andere betete, ihn jetzt, da er für sich selbst bittet, fast nicht beachtet und in ihm gleichsam nur die Adamsnatur betrachtet. Wie groß ist die Qual seiner verlassenen Menschheit bei der Vorstellung, dass der Allmächtige gegen sie beinahe unempfindlich geworden ist und bei der Wahrnehmung, dass ihm selbst von dort, woher er Tröstung erhoffte, nur Bitterkeit zuströmt. Dessen ungeachtet wird er nicht unwillig oder verwirrt, sondern betet zum dritten Mal. Und siehe es erscheint ihm ein Engel vom Himmel, der ihn stärkt. So begnadigt Gott jeden, der in der Bedrängnis seine Zuflucht zu ihm nimmt und im Gebet nicht nachlässt. Er sendet ihm mit Gewissheit Trost und Hilfe, wie und wann immer es heilsam für ihn ist. Wäre mein Vertrauen beharrlicher, würde auch ich das gleiche erfahren. Bitte ich Gott um die Gnade der Demut, der Liebe, der Kraft zur Keuschheit usw., so möchte ich sogleich erhört werden. Verzögert sich aber die Erfüllung meiner Bitte, beginnt mein Vertrauen zu sinken. Ich werde missmutig und sogar entmutigt, weiter zu beten. Wie kann ich nur so anmaßend sein! Meinem Herrn, der verdient sofort erhört zu werden, wird die Tröstung erst beim dritten Mal gewährt. Und ich armer Sünder bilde mir ein, bei der ersten Bitte um eine Gnade augenblicklich Erhörung finden zu müssen.

Zwiegespräch: Entferne von mir, o mein geduldiger Retter, diesen Geist der Anmaßung und lehre mich, dem Beispiel deiner Beharrlichkeit zu folgen. Ich bin deines Erbarmens unwürdig und verdiene nur Strafe. Wenn du mir deine Gnade schenkst, so ist dies nur ein Werk deiner Barmherzigkeit. Wer bin ich, dass ich deiner Barmherzigkeit Vorschriften machen dürfte? Klopft ein Armer an der Pforte deiner Güte an, so muss er geduldig warten können.

Vorsatz: Eifrig will ich nach Demut streben, denn wer demütig ist, hält sich für unwürdig, erhört zu werden. Er ermüdet nicht, weil sein Vertrauen, das auf die Güte Gottes gegründet ist, nie wankt. Die Beharrlichkeit ist eine Tochter der Demut.


Letzte Änderung: 06.04.2021 um 21:35

Zurück