Betrachtungen
Leidensbetrachtungen 83-89 |
Geschrieben von (ksf) am 06.04.2021 |
Nr. 83
Punkt II: Es ist uns aus dem Evangelium nicht bekannt, was der Engel zu Jesus Christus gesprochen hat. Es wird uns nur versichert, dass er erschienen ist, um ihn zu trösten. Daher dürfen wir annehmen, dass er Trostreiches verkündet hat. Einer kirchlichen Überlieferung zufolge, pflegt man diesen Engel darzustellen, wie er Jesus den Kelch reicht. Der Kelch ist aber nach der Redeweise des Heilandes als Sinnbild seines Leidens zu betrachten. Darum ist es wahrscheinlich, dass der Himmelsbote ihm im Auftrag des ewigen Vaters verkündet, dass nach unabänderlichem Ratschluss das Menschengeschlecht nur durch sein Leiden erlöst werden kann. Gleichzeitig kräftigt er ihn, um ausharren zu können, indem er ihm vorstellt, dass aus dem Übermaß seines Leidens unermessliche Früchte des Heiles hervorgehen werden.
Betrachtung: Welche Beseligung muss es für Jesus Christus sein, wenn er so viele Millionen Seelen erblickt, die sich im Zustand der Todsünde befinden, und die durch das Vergießen seines kostbaren Blutes Rettung und Heil finden werden? Wie wird ihn wohl auch der Gedanke ermutigen, dass er nach drei Tagen durch seine Auferstehung über Tod und Hölle triumphieren wird, und dass auf die vergänglichen Leiden die ewige Herrlichkeit folgen wird?
Zwiegespräch: Deine Tröstungen, o liebster Retter, obwohl sie nur Augenblicke dauern, flößen mir Vertrauen ein. Ach, darf ich hoffen, zur Zahl jener Glücklichen zu gehören, von denen du gesehen hast, dass sie durch deine Erlösung gerettet werden. Ja, ich will es hoffen, im festen Vertrauen auf deine Verdienste. Ich weiß allerdings, dass man nur durch eigenes Bemühen und Leiden das Heil erringen kann. Wenn es aber dich tröstete, den Leidenskelch zum Heil anderer bereitwillig anzunehmen, sollte es dann nicht auch für mich trostreich und ermutigend sein, für das Heil meiner eigenen Seele zu leiden? Wie könnte ich wohl den Kelch verschmähen, aus dem du selbst zuerst getrunken hast? Ach, mein liebreichster Jesus, der du mehr aus Rücksicht auf mich, als um deiner selbst willen vom Engel gestärkt worden bist, verleihe mir ein lebhaftes Verlangen nach meinem ewigen Heil, und das soll mir genügen. Denn was kann wohl im christlichen Leben demjenigen schwer fallen, der aufrichtig nach seinem Heil trachtet? Ist auch die Tugend mit mühevoller Anstrengung und die Einhaltung der Gebote mit Beschwerden verbunden, so wird alles erträglich, ja beseligend, bei dem Gedanken, dass ich dem Himmel entgegengehe. In seinen seligen Wohnungen dauert mein Glück ohne Ende. Mögen die Kreuze auf Erden auch drückend sein, so findet man, indem man sie aus Liebe zu Gott erträgt, freudigen Mut in der Gewissheit, dass auf Erden alles vergeht und die himmlische Herrlichkeit ewig dauern wird. Der kräftigste Ansporn, mir selbst Gewalt anzutun, ist für mich, o mein Jesus, dein Beispiel.
Vorsatz: Jesus wird von einem Engel getröstet. Mich aber tröstet Jesus selbst mit der Verheißung des ewigen Lebens, sofern ich ihm nachfolge. Ich will nun einen Akt der Hoffnung erwecken.
Nr. 84
Punkt III: Jesus Christus wusste alles im Voraus, was ihm der Engel zu verkünden hatte. Er, der Gottmensch, Herr und selige Wonne der Engel, bedurfte weder der Belehrung noch des Trostes von Seiten eines Engels. Als Gott vermag er sich selbst zu trösten. Jedoch verschließt er sich freiwillig jedem erquickenden Einfluss der Gottheit, und als sei er gleichsam nur ein bloßer Mensch, geringer als die Engel, lässt er es zu, dass ihm ein Engel erscheint, um sich dadurch um so tiefer zu verdemütigen und von der Hilfe seiner Diener abhängig zu machen. Damals in der Wüste erschienen ihm Engel um ihm als Gott zu dienen, hier kommt ein Engel, um ihn als Mensch zu stärken.
Betrachtung: Was für eine Schule wunderbarer Demut eröffnet sich mir! Es verdemütigt sich der vom Vater gesandte Engel, der bei seiner Unterredung mit Jesus Christus in tiefste Ehrfurcht versunken ist. Es verdemütigt sich Jesus Christus und nimmt das Wort des Engels mit ehrfurchtsvoller Unterwerfung als Gottes Wort an. Der Engel verdemütigt sich vor dem Gottmenschen, und der Gottmensch vor dem Engel. Sollte die Betrachtung dieser bewunderungswürdigen Demut nicht vermögen, meinen Stolz und Hochmut zu heilen? Wenn ein Engel, der in Anbetracht einer so erhabenen Aufgabe, einer der vornehmsten gewesen sein muss, sich so tief verdemütigt, während er mit Jesus Christus spricht, mit welcher Demut muss dann ich armseliger Mensch an ihn meine Worte richten, wenn ich vor ihm erscheine um sein Leiden zu betrachten? Was bin ich? Mein armseliger Körper wird einst den Würmern zur Nahrung dienen, meine Seele aber ist ein Sammelplatz von Boshaftigkeiten. So müsste ich vor Ehrfurcht erzittern und staunen, wie dieser Gottmensch in seiner Güte und Barmherzigkeit mich vor seinem Angesicht erträgt. Und dennoch, wie steht es um meine innere Sammlung und um mein äußeres Betragen vor ihm? Wenn Jesus Christus, der über alle Engel erhaben ist, sich mit solcher Unterwürfigkeit und Ehrerbietung gegenüber dem Engel benimmt, als sei er geringer als dieser, welche Demut müsste ich dann gegenüber meinen Mitmenschen haben? Ich sollte mich für den niedrigsten Menschen erachten, da gegenüber der Majestät Gottes niemand undankbarer ist als ich. Dessen ungeachtet bin ich voll Unwillen gegen Untergebene, voll Hochmut gegen Meinesgleichen und voll Trotz gegen meine Vorgesetzten!
Zwiegespräch: O wie bin ich wegen meines Stolzes für andere unerträglich! Welches Missfallen muss mein so demütiger Schutzengel an mir, seinem hoffärtigen Pflegekind, finden? Lieber Engel, der du mir vom barmherzigen Gott zum Schutz bestimmt bist, erbarme dich meiner! Flöße mir etwas von deiner demütigen Gesinnung ein und erbitte mir, durch die Verdienste der Demut Jesu, diese überaus wichtige Tugend vom großen Gott, der die Demütigen erhöht.
Vorsatz: Meinen Schutzengel werde ich auch deswegen verehren, weil er mich mit seinem Beispiel immerzu in der Demut unterrichtet, indem er es nicht ablehnt, für ein so armseliges Geschöpf, wie ich es bin, Tag und Nacht Sorge zu tragen.
Nr. 85
Punkt IV: Dem Kelch voll Bitterkeit, der dem Herrn Jesus von einem Engel hingehalten wird, und den er in vollkommener Übereinstimung mit dem göttlichen Willen entgegennimmt, müssen wir, der Schrift gemäß, die Betrachtung eines anderen Kelches gegenüberstellen. Es ist dies ein Kelch, der mit scheinbarer Annehmlichkeit den Sinnen schmeichelt, die Seele bezaubert und bewirkt, dass sie, in Sünden fallend, Gegenstand des göttlichen Zornes wird.
Betrachtung: Während der Dauer dieses armseligen Lebens steht es in unserer Freiheit, entweder den Kelch Jesu Christi zu erwählen, was soviel bedeutet, als ihm zuliebe das Kreuz zu tragen. Oder wir wählen den Kelch der Welt und verschaffen uns durch sündhafte Vergnügungen so genannte gute Tage. Wer immer den Kelch Jesu Christi erwählt, mag er auch früher ein großer Sünder gewesen sein, wird Rechtfertigung und Heil finden und eine ewige überselige Sättigung im Himmel genießen. Wer sich für den Kelch der Welt entscheidet, wird, als Sklave der Verdammnis, in der Hölle den mit Bitterkeit gefüllten Kelch trinken, der für immer und ewig der Anteil der Verworfenen ist. Meine Seele, welcher der beiden Kelche sagt dir mehr zu? Der Kelch der Welt scheint, wie du weißt, dem der ihn verkostet, reizvoll und süß, weil er die Leidenschaften befriedigt. Er ist jedoch betörend und trügerisch, dauert nur Augenblicke und hinterlässt schmerzhafte Vorwürfe und bittere Reue. Der Kelch Jesu Christi, der dir aus Erfahrung bekannt ist, schmeckt bitter, jedoch ist er von süßer Erquickung, denn welche Befriedigung findet man doch im Dienste Gottes. Soll man sich bei dieser Wahl noch lange besinnen und beraten? Fort mit aller Unschlüssigkeit!
Zwiegespräch: Ach, mein Jesus, mein Gott, ich widersage der Welt und bitte dich, ihren Kelch von mir zu entfernen: „Es gehe dieser Kelch an mir vorüber“, so dass ich keinen Augenblick mehr an seine Süßigkeiten denke. Deinen Kelch liebe, wünsche, will ich! O wie lieb bist du mir gerade um deines Kelches willen! Ich ergreife somit den Kelch, den du mir anbietest, den Schmerzenskelch der Reue, den Leidenskelch der Geduld, den Wonnekelch der heiligen Liebe. Mein Gott, mache mich seiner würdig, bewirke, dass er mir wertvoller ist, als alle Schätze der Welt. All zu spät habe ich seinen Wert erkannt, jedoch lebe ich noch in der Zeit. O Kelch Jesu, Kelch des Heiles, wie kostbar und herrlich bist du! Immerhin o mein Jesus, nehme ich ihn aus Dankbarkeit bereitwillig an, da du ihn um meinetwillen aus Liebe so gerne angenommen hast. Noch bin ich ein Sünder der Erde. Lasse mich deine Erbarmungen erfahren, damit ich kein Sünder der Hölle werde, wo es keine Verzeihung mehr geben wird.
Vorsatz: Ich verabscheue mein vergangenes Leben, wodurch ich so oft die Hölle verdient habe und erneuere den Entschluss, Jesus nachzuahmen und so die ewige Seligkeit zu erlangen.
Nr. 86 - Die Todesangst Jesu in Gethsemane
Punkt I: Wundervoll ist das Leiden Jesu Christi. Ein Wunder finden wir auch darin, dass er von einem Himmelsboten Tröstung erhält, ohne dass hierdurch seine innere Traurigkeit vermindert wird, vielmehr wird diese vermehrt. Über die Art und Beschaffenheit dieser Tröstung stellt man zwar verschiedene fromme Betrachtungen an, jedoch ist uns darüber nichts Bestimmtes bekannt. Wir wissen nur, dass Jesus nach erhaltener Tröstung sogleich in Todesangst verfiel, weil im Evangelium unmittelbar nach der Erscheinung des Engels seine Todesangst erwähnt wird.
Betrachtung: Unter dem Ausdruck „er fiel in Todesangst“ ist zu verstehen, dass er wirklich in jenen qualvollen und bemitleidenswerten Zustand geriet, in dem sich die mit dem Tode Ringenden leidend und gequält befinden. Auch dürfen wir glauben, dass diese seine Angst nur eine Wirkung seiner brennenden Liebe ist. Er hat beteuert, dass er gerne stirbt, um durch seinen Tod der Welt das Leben zu erwirken. Da es ihm nicht möglich ist, zwei Mal zu sterben, will er wenigstens zwei Mal die Todesangst erleiden. Deshalb versetzt er sich freiwillig in diese, bevor sie ihm auf dem Kalvarienberg von den Juden verursacht wird. In die Todesangst am Kreuz wird ihn die gottlose Grausamkeit der Kreuziger versenken, die Todesangst im Ölgarten wird einzig nur durch seine Liebe hervorgerufen. Diese Liebe, stark wie der Tod, stärkt sein Herz im Kampf mit dem sinnlichen Begehren und hat zur Folge, dass er, auf sein Gefühl nicht achtend, sich sehnt, für uns den Kreuzestod zu sterben. In dem Augenblick, da er aus Gehorsam den Kelch des Leidens und des Todes zur Rettung der Seelen annimmt, fällt er freiwillig in Todesangst, um uns das Heil zu erwirken.
Zwiegespräch: Liebevollster und liebenswürdigster Jesus, warum erweckst du in dir im Voraus diese peinvolle Todesangst? Wenn du gewillt bist, mich zu erlösen, wird dann jenes Leiden, das von Stunde zu Stunde näher rückt, zu meiner Rettung nicht ausreichen? Ach ja, mehr als ausreichend wird das sein, was du nun bald für mich leiden wirst. Doch deine innige Liebe kann dadurch noch nicht befriedigt werden. O Liebe, o Erbarmung, o huldvolle Güte Jesu! Einzig aus dem Mitleid, das du zu meiner elenden Seele trägst, lässt du dich so weit bringen. Ach Herr, gestatte nicht, dass ich mich gegen deine Liebe undankbar zeige. Es ist mir nicht unbekannt, wie sehr dir der Undank missfällt. Damit ich mich dessen nicht schuldig mache, danke ich dir für deine so bittere Todesangst, die du im Ölgarten erlitten hast, um mich vor dem ewigen Tod zu retten. Ja, ich danke dir, und bemitleide dich. Ich bewundere deine Güte, da du bereit bist für mich so viel zu leiden. Um dich würdig zu bemitleiden, opfere ich dir eben jenes erbarmende Mitleid auf, das du selbst für mich empfunden hast.
Vorsatz: Es ist recht, zu bewundern, zu danken und zu bemitleiden, jedoch muss ich durch eine Abtötung, aus Liebe zu Jesus Christus, selbst etwas erleiden, da er aus Liebe zu mir so viel gelitten hat. Die Nachahmung ist notwendig.
Nr. 87
Punkt II: Da es feststeht, dass nur der gekrönt wird, der gekämpft hat, lässt sich auch Jesus Christus für uns in einen Kampf ein. Seine Todesangst ist nichts anderes als ein Streit, bei dem die Natur und die Sinne die letzten Kräfte des Widerwillens und Widerstrebens gegen den Tod aufbieten. In dem Augenblick, da ihm der Engel den Kelch des Leidens vorhält, steht ihm auch der Tod in seinem grässlichsten Bild zu seiner Erschütterung vor Augen. Er sieht, wie seine Feinde, mit Waffen versehen und von Judas angeführt, aus der Stadt heranrücken, um ihn zu suchen, zu binden, fortzuschleppen und des Lebens zu berauben. Der Eindruck dieses Bildes steigert sich in ihm zu solcher Lebendigkeit und Kraft, dass er, an Mark und Bein von quälender Angst erschüttert, in die Lage eines Sterbenden kommt.
Betrachtung: Der Wille Jesu Christi ist zum Tod entschlossen, um Gott durch die Erlösung der Seelen zu verherrlichen. Weil jedoch das natürliche Empfinden mit gewaltigem Schauder den Tod von sich weist, wird er durch dieses krampfhafte Sträuben und durch die qualvollste Beklemmung in Todesangst versetzt. Weder von seiner Gottheit, noch von seiner menschlichen Vernunft erhält er die geringste Hilfe um sich aufzurichten. Er selbst hat alles so gefügt, dass seine Menschheit im Leiden sich selbst überlassen bleibt. So darf sich niemand unter dem Vorwand, Jesu Leiden sei in Anbetracht seiner Gottheit etwas Leichtes gewesen, von der Verpflichtung zu seiner Nachfolge ausnehmen. Bei der Betrachtung dieser Todesangst bedenke, meine Seele, dass das natürliche Empfinden Jesu Christi sich auf seine eigene Anordnung hin, aufs Äußerste sträubt, damit es in Erfüllung des schuldigen Gehorsams gegenüber dem göttlichen Willen den größten Schmerz erfahren möge. Wie benehmen wir uns, wenn das Empfinden sich dem göttlichen Willen widersetzt? Ach, mein Gott! Wie leicht gebe ich der Empörung nach. Ich erkenne zwar meine Pflicht, aber dennoch leiste ich nicht den erforderlichen Widerstand. Ich trage solch ängstliche Sorge für meine Ehre und Gesundheit, dass ich, wenn es um eine gewisse Abtötung geht, sogleich alles Schlimme befürchte. Meine Lauheit und übertriebene Eigenliebe sind die unselige Ursache meiner Weichlichkeit. Da ich es nicht über mich bringe, meine schlechten Begierden mit allem Ernst zu bekämpfen, fassen sie immer tiefere Wurzeln und es tritt daher leider oft der Fall ein, dass ich schmählich überwunden werde.
Zwiegespräch: Meine ohnmächtige Schwäche, ist dir bekannt, o mein Jesus. Ach, rüste mich aus mit jenem Starkmut, mit dem du am Ölberg so unüberwindlich gerungen hast. Du hast ihn mir durch deine Todesangst verdient, denn du weißt nur zu gut, dass ich dir ohne die Kraft deines Beistandes nicht gehorchen und dienen werde.
Vorsatz: Ich will die Furcht, zu erkranken und zu sterben, die Furcht, gedemütigt und verachtet zu werden, großmütig überwinden und mich nach dem Beispiel Jesu Christi gewaltsam bemühen, das Widerstreben der Natur zu überwinden.
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Punkt III: Um zu begreifen, wie die Todesangst Jesu Christi entstanden ist, darf man nicht außer Acht lassen, dass seine Gedanken dabei eine große Rolle gespielt haben. Die Furcht, das Leben zu verlieren ist naturgemäß für jeden drückend, jedoch steigert sich die Angst in dem Maße, wie sich mit dem natürlichen Empfinden auch das Licht der Vernunft verbindet. Jesus Christus hat die klarste Erkenntnis, um die Kostbarkeit seines Lebens zu begreifen. Es ist ja kein gewöhnliches, sondern ein Leben, das wegen der Vereinigung mit der Gottheit, aller Liebe, Ehre und Hochschätzung würdig ist, wie kein anderes Leben auf Erden. Er begreift, dass sein körperliches Leben wegen der Ehre, zu der es der Gottheit in jedem Augenblick gereicht, kostbarer ist, als das Leben der Engel. Und obwohl er einsieht, welch großes und wertvolles Werk es ist, es zu opfern um die Seelen von der Sünde zu erlösen, so sieht er auch, dass der Wert seines Lebens das Übel aller Sünden der Welt an Größe weit übersteigt. Die Erde ist nicht so weit vom Himmel entfernt, wie unser Leben von dem seinen verschieden ist. Je deutlicher er demnach erkennt, wie sehr sein Leben geliebt zu werden verdient, desto mehr liebt er es aus vollkommenen, sowohl natürlichen, als auch übernatürlichen Beweggründen. Und diese, so große Liebe verursacht ihm nun, da er sein Leben den Händen seiner Feinde überlassen soll, den großen Schmerz, der ihn an die Schwelle des Todes bringt. Jeder andere, noch so starke Mensch würde ihm erliegen.
Betrachtung: Siehe, meine Seele, wie teuer du dem Herrn Jesus bist! Obgleich ihm sein Leben so überaus lieb ist, zieht er dennoch dein Heil vor, so dass er sich, um dich zu retten, für den Tod entschließt. Darin liegt zugleich ein vortreffliches Beispiel, wonach ich zu meinem Seelenheil selbst mitwirken muss. Jesus Christus hatte tausend Gründe, sein kostbares Leben zu lieben und zu erhalten. Doch weil es im Willen des Vaters liegt, dass er stirbt, um mich vom ewigen Tod zu erlösen, versucht er nicht, sich durch einen Einwand vom Gehorsam loszusagen. Des Gehorsams wegen nimmt er keine Rücksicht auf sein Leben, als sei es das unbedeutendste auf der ganzen Welt.
Zwiegespräch: So muss es sein. Zum Ungehorsam gegen Gott gibt es keinen haltbaren Grund. Mögen die Gesundheit, das Leben, alles auf Erden noch so kostbar sein, muss doch der Gehorsam gegen Gottes Willen als weit vorzüglicher angesehen werden. Habe ich mich in der Vergangenheit von dieser Richtschnur leiten lassen? Leider nicht. Ich bereue es, o mein Gott und bitte demütig um die Gnade, deinen heiligsten Willen künftig ohne Ausnahme zu erfüllen, koste es was es wolle. Wenn ich auch mein Leben für dich gäbe, so wäre es wenig mehr als Nichts, im Vergleich zu dem, was ich dir schulde.
Vorsatz: Wie viele Weltmenschen verzehren ihr Leben in Leidenschaften und weltlichen Bestrebungen.Mein Leben im Dienste Gottes zu verzehren, soll für mich kein Gegenstand der Furcht, sondern des Verlangens sein.
Letzte Änderung: 06.04.2021 um 21:47
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