Wort der Päpste
Papst Benedikt XVI. - als Josef Ratzinger |
Geschrieben von (ksf) am 09.02.2013 |
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Der Gott Jesu Christi (in der franz. Übers. S. 72)
„Wer dieses Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf“
Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass der zentrale theologische Hoheitstitel Jesu der des „Sohnes“ ist. In welchem Maße hat diese Bezeichnung auch sprachlich schon vorbereitet auf die Art und Weise, mit der Jesus sich selbst vorgestellt hat?... Es steht außer Zweifel, dass sie ein Versuch ist, in einem Wort die umfassende Bedeutung seines Lebens zusammenzufassen: die Ausrichtung seines Lebens, seine Wurzeln und sein Schlusspunkt hatten einen Namen – „Abba“, lieber Vater. Er wusste, dass er niemals allein war. Bis zum letzten Schrei am Kreuze ist er ganz auf den Anderen ausgerichtet, auf den hin, den er Vater nennt. So war es möglich, dass sein wahrer Hoheitstitel schlussendlich nicht „König“ oder „Herr“ und auch kein anderes Machtattribut war, sondern ein Wort, das wir auch übersetzen könnten mit „Kind“.
Wir können also sagen: Wenn die Kindschaft einen solch hervorragenden Stellenwert in der Verkündigung Jesu einnimmt, dann deshalb, weil sie zutiefst verbunden ist mit seinem ureigensten Geheimnis, seiner Sohnschaft. Seine höchste Würde, die auf seine Göttlichkeit verweist, ist letztendlich keine Macht, die er für sich selbst besitzt. Sie besteht darin, dass er ganz auf den Andere hin ausgerichtet ist – auf Gott, den Vater.
Der Mensch möchte wie Gott sein (vgl. Gen 3,5) und er soll ihm ähnlich werden. Doch jedes Mal, wenn er, wie im ewigen Dialog mit der Schlange des Paradieses, versucht, dorthin zu gelangen, indem er sich der Hilfestellung Gottes und seiner Schöpfung entledigt, um sich einzig auf sich selbst zu stützen und sich selbst einzusetzen, jedes Mal also, wenn er ganz erwachsen, ganz emanzipiert wird und gänzlich die Kindschaft als Lebensstand verwirft, läuft er ins Nichts, da er sich seiner eigenen Wirklichkeit widersetzt, die Abhängigkeit ist. Nur, indem er das bewahrt, was wesentlich ist in der Kindschaft und in der Sohnschaft, die Jesus zuerst gelebt hat, tritt er mit dem Sohn in die Göttlichkeit ein.
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Predigt bei einem Einkehrtag im Vatikan, 1983
„Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hinein kommen“
Es ist erstaunlich, wie wichtig für Jesus selbst die Kindheit eines jeden Menschen ist. „Amen, das sage ich euch: wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18,3). Kindsein ist also für Jesus kein bloß vorübergehender Lebensabschnitt, der dem biologischen Ablauf unterworfen ist und später ganz endet. In der Kindheit verwirklicht sich das, was an einem Menschen wesentlich ist in einer Weise, dass jemand, der das Wesentliche der Kindheit verloren hat, selbst verloren ist.
Von daher, und aus menschlicher Sicht, können wir uns vorstellen, welch gute Erinnerung Christus die seiner Kindheit behalten musste und wie sehr die Kindheit für ihn eine kostbare Erfahrung blieb, in besonders reiner Form Mensch zu sein. Davon ausgehend, können wir lernen das Kind hochzuschätzen, das in seiner Wehrlosigkeit an unsere Liebe appelliert.
Das aber wirft die Frage auf: Was ist denn nun das charakteristische Merkmal der Kindheit, das Jesus als unverzichtbar ansieht?... Zunächst müssen wir uns daran erinnern, dass das wesentliche Merkmal Jesu, das ein Ausdruck seiner Würde ist, darin besteht, dass er „Sohn“ ist... Die Ausrichtung seines Lebens, das Grundmotiv und das Ziel, das ihn geformt hat, lassen sich mit einem einzigen Wort sagen: „Abba, Vater“ (Mk 14,36; Ga 4,6). Jesus wusste, dass er nie allein war, und bis zum letzten Schrei am Kreuz gehorchte er dem, den er Vater nannte und auf den er sich ganz ausrichtete. Nur so kann man verstehen, dass er sich letztlich weigerte, sich König oder Herr zu nennen, oder einen anderen Titel zu beanspruchen, der Ausdruck einer Macht ist, sondern dass er einen Begriff zu Hilfe nahm, den wir auch mit „Kind“ übersetzen könnten.
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Fastenpredigt 1981
«So muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat»
„Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht. Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,5-9)... Der außerordentlich gehaltvolle Text spielt eindeutig auf den Fall Adams an. Jesus Christus betritt den Weg, auf dem Adam gegangen ist. Im Gegensatz zu Adam ist er wirklich „wie Gott“ (vgl. Gen 3,5). Aber wie Gott zu sein, Gott gleich zu sein, das bedeutet „Sohn zu sein“, also reine Beziehung: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun“ (Joh 5,19). Deshalb hält er, der wirklich Gott gleich ist, nicht krampfhaft an seiner Unabhängigkeit fest, an der Uneingeschränktheit seiner Macht und seines Wollens. Weil er den Weg in umgekehrter Richtung geht, wird er der völlig Abhängige, der Diener. Weil er nicht den Weg der Macht geht, sondern den Weg der Liebe, kann er bis zur Sünde des Adam hinabsteigen, bis zum Tod, und da die Wahrheit aufrichten, das Leben schenken.
So wird Christus zum neuen Adam, durch den das menschliche Leben einen Neuanfang erfährt... Das Kreuz, der Ort seines Gehorsams, wird so zum wahren Lebensbaum. Christus wird zum Gegenbild der Schlange, wie Johannes in seinem Evangelium schreibt. Von diesem Baum ergeht nicht das Wort der Versuchung, sondern das Wort der rettenden Liebe, des Gehorsams, durch das Gott selbst Gehorsam angenommen hat und uns so seinen Gehorsam als Betätigungsfeld der Freiheit anbietet. In seiner Passion hat Christus sozusagen das lodernde Flammenschwert von uns abgewendet (Gen 3,24), er ist durchs Feuer gegangen und hat das Kreuz als wahre tragende Achse der Welt aufgerichtet. Deshalb ist die Eucharistie, als Vergegenwärtigung des Kreuzes, der Baum des Lebens, der immer in unserer Mitte bleibt und uns einlädt, die Früchte des wahren Lebens zu empfangen.
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Meditationen zur Karwoche, 1969
«Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück»
Der Evangelist Johannes führt die beiden Sakramente (Taufe und Eucharistie) bis zum Kreuz zurück. Er sieht sie aus der offenen Seite des Herrn strömen (19,34) und begreift dies als Erfüllung eines Wortes in Jesu Abschiedsrede: „Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück“ (griechisch). „Ich gehe und zur gleichen Zeit komme ich; mein Fortgang – der Tod am Kreuz – ist auch mein Kommen.“
Solange wir leben, ist unser Leib nicht nur Brücke, die uns miteinander verbindet, sondern auch Schranke, die uns trennt, die uns in unser unzugängliches kleines Ich einschließt. Die offene Seite des Herrn wird zum Symbol der neuen Öffnung, die er sich im Tod erwirkt hat. Von nun an ist die Schranke seines Leibes aufgehoben. Blut und Wasser fließen aus seiner Seite in einem gewaltigen Strom durch die Geschichte. Als Auferstandener ist er der Freiraum, in den zu treten wir alle eingeladen sind.
Seine Wiederkunft ist nicht ein am fernen Ende der Zeiten stattfindendes Ereignis: sie hat schon in seiner Todesstunde stattgefunden, wo er in seinem Weggehen auf neue Weise zu uns kam. So hat sich im Tod des Herrn das Geschick des Weizenkornes erfüllt: wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht (Joh 12,24). Wir alle leben noch von dem Ertrag dieses Weizenkorns, das gestorben ist. Im eucharistischen Brot nehmen wir die unerschöpfliche Brotvermehrung der Liebe Christi entgegen, die ergiebig genug ist, den Hunger aller Zeiten zu stillen.
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Der Gott Jesu Christi (München, Kösel-Verl., 19772, S. 82 ff.)
"Mädchen, ich sage dir, steh auf!"
„Du überlässest mein Leben nicht dem Totenreich; du duldest nicht, dass dein Frommer die Verwesung schaut.“ (Ps 16,10) Nach jüdischer Auffassung trat die Verwesung nach dem dritten Tag ein; das Schriftwort erfüllt sich an Jesus dadurch, dass er am dritten Tage aufersteht, vor dem Einsetzen der Verwesung; hier ist der Text zugleich mit dem Artikel vom Tod zusammengespannt: Dies alles geschieht im Rahmen der Schrift – der neue Tod Jesu führt ins Grab, aber nicht in die Verwesung. Er ist Tod des Todes...
Diese Überwindung der Todesmacht gerade da, wo sie ihre Unwiderruflichkeit entfaltet, gehört zentral zum biblischen Zeugnis... Wer dies bekennt, behauptet nicht ein seltsames Mirakel, sondern er behauptet die Macht Gottes, der seine Schöpfung respektiert, aber der an ihre Todesgesetzlichkeit nicht gebunden ist. Gewiss, der Tod ist die Grundform der gegenwärtig bestehenden Welt. Aber die Überwindung des Todes, seine reale, nicht bloß gedankliche Beseitigung, ist heute so sehr das Verlangen und Suchen des Menschen wie eh und je. Die Auferstehung Jesu sagt, dass diese Überwindung in der Tat möglich ist. Dass der Tod nicht prinzipiell und unwiderruflich zur Struktur des Geschaffenen, der Materie, gehört. Sie sagt freilich zugleich auch dies, dass die Überwindung der Todesgrenze letztlich nicht durch verfeinerte klinische Methoden, durch Technik möglich ist. Sie geschieht durch die schöpferische Macht des Wortes und der Liebe. Nur diese Mächte sind stark genug, die Struktur der Materie so grundlegend zu ändern, dass die Todesschranke überwindbar wird...
Vor allem aber wird damit sichtbar, dass der Glaube an die Auferstehung Jesu ein Bekenntnis zur realen Existenz Gottes ist. Und ein Bekenntnis zu seiner Schöpfung, zu dem unbedingten Ja, mit dem Gott zur Schöpfung, zur Materie, steht... Die Macht Gottes [ist] Hoffnung und Freude, das ist der erlösende Gehalt [der] Offenbarung an Ostern, die Ermächtigung zum Alleluja-Singen mitten in einer Welt, über der der schwere Schatten des Todes steht.
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Aus: Mitarbeiter der Wahrheit
"Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt"
Das Christentum verspricht nicht einfach das Heil der Seele in einem diffusen Jenseits, in dem alle Werte und alle Kostbarkeiten dieser Welt verschwänden, als handelte es sich um Kulissen, die man einst gebaut hat, und die nun abgebaut werden. Das Christentum verspricht die Ewigkeit dessen, was schon auf dieser Erde Wirklichkeit geworden ist.
Gott kennt und liebt diesen ganzen Menschen, der wir gegenwärtig sind. Unsterblich also ist das, was wächst und sich entfaltet in unserem gegenwärtigen Leben. In unserem Körper leiden und lieben wir, hoffen wir, freuen wir uns und sind wir traurig, wachsen wir schließlich mit der Zeit. Alles das also, was in unserem gegenwärtigen Leben wächst, ist unvergänglich. Was wir geworden sind in unserem Körper ist deshalb ebenso unvergänglich wie das, was gewachsen und gereift ist in der Herzmitte unseres Lebens, in Verbindung mit den Dingen dieser Welt. Es ist der „ganze Mensch“, wie er sich in die Welt gestellt hat, wie er gelebt und gelitten hat, der dereinst in die Ewigkeit Gottes aufgenommen wird und der in Gott selbst teilhaben wird an der Ewigkeit. Und das ist es, was uns mit tiefer Freude erfüllen sollte.
Letzte Änderung: 10.02.2013 um 06:26
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