Wort der Päpste

Papst Benedikt XVI. - Die Kirche ist nicht nur ein Träger von Sozialleistungen

Geschrieben von (ksf) am 07.02.2011
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Rom (kath.net/as)

Am heutigen Donnerstag Vormittag empfing Papst Benedikt XVI. den neuen Botschafter der Republik Österreich beim Heiligen Stuhl, Alfons M. Kloss, zur Übergabe der Beglaubigungsschreiben, mit denen dieser als außerordentlicher und bevollmächtigter Boschafter akkreditiert wurde.

In seiner Ansprache würdigte Benedikt XVI. Österreich als „Land der Dome“, das in seiner Kultur, seiner Geschichte und nicht zuletzt im täglichen Leben tief vom katholischen Glauben geprägt sei und gleichzeitig eine lange Geschichte der friedlichen Koexistenz der verschiedenen Religionen und Kulturen vorweisen könne.

Der Papst ging dann auf die „eigenartige Spannung“ ein, in die das Verhältnis von Kirche und Staat in verschiedenen Ländern Europas gekommen sei. Es scheine, man wolle das Evangelium an die Kultur anpassen, sei dabei jedoch peinlich darauf bedacht zu verhindern, dass die Kultur vom Religiösen mitgestaltet wird.

Als zweiten Punkt betonte Benedikt die Wichtigkeit der Anerkennung der Religionsfreiheit,, die es der kirchlichen Gemeinschaft erlaube, ihre vielfältigen Tätigkeiten auszuüben, aus denen auch die gesamte Gesellschaft Nutzen zieht. Das Engagement der Kirche habe seinen tiefsten Grund in Gott, „in dem Gott, der die Liebe ist“: „ Daher ist es notwendig, das Wesen und das eigene Wirken der Kirche voll zu achten, ohne sie zu einem von vielen Trägern von Sozialleistungen zu machen. Sie ist vielmehr in der Ganzheit ihrer religiösen Dimension zu sehen“.

So sei es stets geboten, „der Tendenz der egoistischen Vereinzelung entgegenzuwirken. Für alle gesellschaftlichen Kräfte besteht die dringende und bleibende Aufgabe, die moralische Dimension der Kultur zu sichern, die Dimension einer Kultur, die des Menschen sowie seines Lebens in der Gemeinschaft würdig ist. Dabei wird sich die katholische Kirche weiterhin mit ganzer Kraft zum Wohl der Gesellschaft einsetzen“.

Abschließend unterstrich der Papst die Wichtigkeit der Familienpolitik und die Bedeutung der Ehe als wesentlichen Halt der Gesellschaftsordnung: „Daher erfordern Ehe und Familie auch weiterhin den besonderen Schutz des Staates. Sie sind für alle ihre Glieder eine Schule der Humanität mit positiven Konsequenzen für die Individuen wie für die Gesellschaft“.

kath.net veröffentlicht die Ansprache Benedikts XVI. an den neuen Botschafter der Republik Österreich im Wortlaut:


Sehr geehrter Herr Botschafter!

Mit Freude nehme ich das Schreiben entgegen, mit dem der Bundespräsident der Republik Österreich Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter beim Heiligen Stuhl akkreditiert hat. Zugleich danke ich Ihnen für die freundlichen Worte, mit denen Sie auch die Verbundenheit des Herrn Bundespräsidenten und der Bundesregierung mit dem Nachfolger Petri zum Ausdruck gebracht haben. Gerne entbiete ich meinerseits dem Staatsoberhaupt, dem Herrn Bundeskanzler und den Mitgliedern der Bundesregierung sowie allen Bürgerinnen und Bürgern Österreichs meine herzlichen Grüße und verbinde damit die Hoffnung, daß die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich in Zukunft weiter Frucht tragen.

Österreich, das „Land der Dome!“ (Nationalhymne), ist in seiner Kultur, seiner Geschichte und nicht zuletzt im täglichen Leben tief vom katholischen Glauben geprägt. Das durfte ich auch bei meinem Pastoralbesuch in Ihrem Land und der Pilgerreise nach Mariazell vor vier Jahren erleben. Die Tausenden Gläubigen, denen ich begegnen konnte, stehen für Abertausende Männer und Frauen im ganzen Land, die in ihrem Glaubensleben im Alltag und mit ihrer Hilfsbereitschaft die nobelsten Züge des Menschen zeigen und die Liebe Christi erkennen lassen. Zugleich ist Österreich auch ein Land, in dem die friedliche Koexistenz der verschiedenen Religionen und Kulturen eine lange Tradition hat. „In der Eintracht liegt die Macht" hieß es schon in der alten Volkshymne aus der Zeit der Monarchie. Und dies gilt besonders für den Bereich des Religiösen, das in der Tiefe des Bewußtseins des Menschen verwurzelt ist und daher zum Leben eines jeden einzelnen und zum Zusammenleben der Gemeinschaft gehört.
Die geistliche Heimat, die viele Menschen in einer zunehmend mobilen und sich ständig verändernden Arbeitssituation als persönlichen Halt brauchen, sollte öffentlich und in einer Atmosphäre friedlicher Koexistenz mit anderen Glaubensüberzeugungen bestehen können.

In vielen Ländern Europas ist das Verhältnis von Staat und Religion allerdings in eine eigenartige Spannung geraten: Auf der einen Seite sind die politischen Autoritäten sehr darauf bedacht, gegenüber den bloß als individuelle Glaubensüberzeugungen der Bürger verstandenen Religionen keine öffentliche Bühne zukommen zu lassen, auf der anderen Seite besteht der Versuch, Maßstäbe einer säkularen Öffentlichkeit auch für die Religionsgemeinschaften zur Anwendung zu bringen. Es scheint, man wolle das Evangelium an die Kultur anpassen, ist jedoch peinlich darauf bedacht zu verhindern, daß die Kultur vom Religiösen mitgestaltet wird. Dagegen ist die Haltung vor allem einiger mittel- und osteuropäischer Staaten hervorzuheben, dem Grundanliegen des Menschen, dem Glauben des Menschen an Gott und dem Glauben an das Heil durch Gott Raum zu geben. Mit Genugtuung konnte der Heilige Stuhl einige Aktivitäten der österreichischen Regierung in dieser Richtung beobachten, nicht zuletzt die Stell
ungnahme zum sogenannten „Kreuzurteil" des Europäischen Gerichtshofs oder der Vorschlag des Herrn Außenministers, „daß auch der neue Europäische Auswärtige Dienst die Situation der Religionsfreiheit weltweit beobachtet, regelmäßig Bericht erstattet und diesen den EU-Außenministern vorlegt" (Austria Presse Agentur vom 10.12.2010).

Die Anerkennung der religiösen Freiheit erlaubt der kirchlichen Gemeinschaft, ihre vielfältigen Tätigkeiten auszuüben, aus denen auch die gesamte Gesellschaft Nutzen zieht. Hier kommen einem die verschiedenen Bildungseinrichtungen und karitativen Dienste in kirchlicher Trägerschaft in den Sinn, auf die Sie, Herr Botschafter, hingewiesen haben. Deren Einsatz für die Bedürftigen macht deutlich, wie sich die Kirche in gewisser Weise als Fürsprecherin der benachteiligten Menschen versteht. Dieses kirchliche Engagement, das in der Gesellschaft breite Anerkennung erfährt, kann nicht auf bloße Wohltätigkeit reduziert werden. Es hat seinen tiefsten Grund in Gott, in dem Gott, der die Liebe ist. Daher ist es notwendig, das Wesen und das eigene Wirken der Kirche voll zu achten, ohne sie zu einem von vielen Trägern von Sozialleistungen zu machen. Sie ist vielmehr in der Ganzheit ihrer religiösen Dimension zu sehen. So ist es stets nötig, der Tendenz der egoistischen Vereinzelung entgege
nzuwirken. Für alle gesellschaftlichen Kräfte besteht die dringende und bleibende Aufgabe, die moralische Dimension der Kultur zu sichern, die Dimension einer Kultur, die des Menschen sowie seines Lebens in der Gemeinschaft würdig ist. Dabei wird sich die katholische Kirche weiterhin mit ganzer Kraft zum Wohl der Gesellschaft einsetzen.

Ein weiteres wichtiges Anliegen des Heiligen Stuhls ist eine ausgewogene Familienpolitik. Die Familie füllt einen Bereich in der Gesellschaft aus, der die Grundlagen des menschlichen Lebens berührt. Den wesentlichen Halt erfährt die Gesellschaftsordnung in der ehelichen Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auch auf die Zeugung eigener Nachkommen ausgerichtet ist. Daher erfordern Ehe und Familie auch weiterhin den besonderen Schutz des Staates. Sie sind für alle ihre Glieder eine Schule der Humanität mit positiven Konsequenzen für die Individuen wie für die Gesellschaft. Tatsächlich ist die Familie dazu berufen, die gegenseitige Liebe und die Wahrheit, den Respekt und die Gerechtigkeit, die Treue und die Zusammenarbeit, den Dienst und die Verfügbarkeit den anderen, besonders den Schwächsten gegenüber zu leben und zu pflegen. Es wird jedoch vor allem die kinderreiche Familie vielfach benachteiligt. Probleme in solchen Familien, wie etwa ein erhöhtes Konfliktpotential,
niedriger Lebensstandard, erschwerter Zugang zur Bildung, Verschuldung und vermehrte Scheidungen, lassen auf tiefere Ursachen schließen, die von der Gesellschaft her gelöst werden müssen. Zudem bleibt zu beklagen, daß dem werdenden Leben nicht ausreichend Schutz zuteil wird, im Gegenteil, oft nur ein sekundäres Existenzrecht gegenüber der Entscheidungsfreiheit der Eltern zuerkannt wird.

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Letzte Änderung: 08.02.2011 um 11:12

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