Wort der Päpste

Papst Benedikt XVI. - Theologie? Theologie jenseits der ‚Arroganz der Vernunft’!

Geschrieben von (ksf) am 23.02.2011
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Rom (kath.net/as)

Priesterjahr 2009-2010: Gerade in der Zeit, als verschiedenste Skandale um den Klerus die Kirche erschütterten, hatte Papst Benedikt XVI. ein besonderes „Jahr der Priester“ ausgerufen. Das Jahr sollte dazu beitragen, das Engagement einer inneren Erneuerung aller Priester für ein noch stärkeres und wirksameres Zeugnis für das Evangelium in der Welt von heute zu fördern. Aber wie der Papst selbst in seinem Buch „Licht der Welt“ sagt: „Man könnte nun meinen, der Teufel konnte das Priesterjahr nicht leiden und hat uns daher den Schmutz ins Gesicht geworfen. Als hätte er der Welt zeigen wollen, wie viel Schmutz es gerade auch unter den Priestern gibt“.

Und dennoch: Zum feierlichen Abschluss des Priesterjahres auf dem Petersplatz im Juni 2010 waren über 17.000 Priester aus aller Welt zum internationalen Priestertreffen gekommen. Am 10. Juni fand auf dem Petersplatz zusammen mit Benedikt XVI. eine Gebetswache statt. Wie es bei diesen Anlässen zur Tradition geworden ist, hielt der Papst keine Ansprache, sondern antwortete in freier Rede auf die Fragen von Priestern aus den fünf Kontinenten.

Der von der Elfenbeinküste stammende Priester Mathias Agnero wandte sich an den „Theologenpapst" mit einer Frage zum Zustand und zur Aufgabe der Theologie: „Uns scheint, dass zwischen Theologie und Lehre ein Bruch entstanden ist und noch mehr zwischen Theologie und Spiritualität“, so der junge Afrikaner.

Man spüre die Notwendigkeit, dass das Studium nicht nur rein akademisch sein solle, sondern der Spiritualität Nahrung geben müsse. „Dieses Bedürfnis spüren wir auch im pastoralen Dienst selbst. Manchmal scheint im Zentrum der Theologie nicht Gott zu stehen und Jesus Christus nicht der erste ‚theologische Ort’ zu sein, sondern sie scheint den verbreiteten Geschmäckern und Tendenzen zu entsprechen; und die Folge ist die Ausbreitung von subjektiven Meinungen, die es zulassen, dass sich auch in die Kirche ein nicht-katholisches Gedankengut einschleicht. Wie sollen wir in unserem Leben und unserem Dienst nicht die Orientierung verlieren, wenn die Welt es ist, die den Glauben richtet, und nicht umgekehrt? Wir fühlen uns ‚dezentriert’!“

Benedikt XVI. wich damals dieser brennenden Frage nicht aus, die sich gerade auch aufgrund der jüngsten Ereignisse um das Memorandum „Kirche 2011“ auf Initiative von „Theologen“ aus dem deutschsprachigen Raum verschärft hat. Als grundlegendes Problem ist eine Theologie zutage getreten, die nicht im Glauben der Väter gründet, sondern in einer weit von der Wirklichkeit entfernten geist-losen Weise Abstraktionen produziert, die in Ansätzen vielleicht für Soziologen interessant sein könnten (so diese sich nicht mit der Aktualität beschäftigen), jedoch nichts mit dem Wesen der Kirche und dem in ihr überlieferten Glauben zu tun haben. Folglich musste der Rom-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Jörg Bremer zur „Wertung“ der deutschen Theologie aus römischer Sicht feststellen (22.2.2010): „Die deutsche Theologie gilt in Rom mittlerweile als ziemlich provinziell; einerseits überreflektiert und andererseits lebensfremd. Auch die geistigen Strömungen in Amerika und ander
norts würden zu wenig zur Kenntnis genommen. Nun habe sich die deutsche Theologie weiter geschadet.“

Und so antwortete der Papst dem Priester, dass das „Problem“, welche eine gewisse Theologie heute darstellt, ein „schwieriges und schmerzhaftes“ Problem ist. Benedikt XVI. beklagte die Arroganz eines theologischen Denkens, das sich in einer Herrscherfunktion über Gott erschöpft bzw. meint, ein Recht auf ein derartiges Vorgehen zu haben, und definierte dies als „Missbrauch“: ein Missbrauch, der sich für ihn auch als Mutlosigkeit zur rechten, weil weiten Vernunft darstellt und zur Verfinsterung der Gegenwart Gottes in der Welt führt. Dagegen „müssen wir Theologen die umfassende Vernunft gebrauchen, die für die Größe Gottes offen ist. Wir müssen den Mut haben, über den Positivismus hinauszugehen bis zu der Frage der Wurzeln des Seins“.

Aus aktuellem Anlass dokumentiert kath.net die Antwort Benedikts XVI. vom 10. Juni 2010 im Wortlaut:


Sie sprechen ein sehr schwieriges und schmerzhaftes Problem an. Es gibt wirklich eine Theologie, die vor allem akademisch sein, wissenschaftlich erscheinen will und dabei die lebensnotwendige Wirklichkeit vergißt, die Gegenwart Gottes, seine Gegenwart unter uns, sein Sprechen heute, nicht nur in der Vergangenheit. Schon Bonaventura hat zu seiner Zeit zwei Formen von Theologie unterschieden. Er hat gesagt: »Es gibt eine Theologie, die aus der Arroganz der Vernunft stammt, die alles beherrschen will, die Gott vom Subjekt zum Objekt macht, das wir studieren, während er das Subjekt sein müßte, das zu uns spricht und uns führt.« Es gibt wirklich diesen Mißbrauch in der Theologie, der Arroganz der Vernunft ist und den Glauben nicht nährt, sondern die Gegenwart Gottes in der Welt verdunkelt.

Dann gibt es eine Theologie, die eine größere Kenntnis anstrebt aus Liebe zum Geliebten, sie wird angeregt von der Liebe und geleitet von der Liebe, sie will den Geliebten besser kennenlernen. Und das ist die wahre Theologie, die aus der Liebe Gottes, der Liebe Christi kommt und in tiefere Gemeinschaft mit Christus eintreten will. Die Versuchungen der heutigen Zeit sind wirklich groß; vor allem setzt sich das sogenannte »moderne Weltbild« (Bultmann) durch, das zu einem Kriterium wird für das, was möglich ist oder nicht möglich ist. Und gerade mit diesem Kriterium, daß alles so wie immer ist, daß alle historischen Ereignisse von derselben Art sind, schließt man die Neuheit des Evangeliums aus, man schließt das Einbrechen Gottes in diese Welt aus, die wahre Neuheit, die die Freude unseres Glaubens ist. Was soll man tun? Ich würde vor allem den Theologen sagen: Habt Mut! Und ich möchte auch den vielen Theologen, die gute Arbeit leisten, Dank sagen.

Es gibt Mißbräuche, das wissen wir, aber in allen Teilen der Welt gibt es viele Theologen, die wirklich vom Wort Gottes leben, die sich von der Meditation nähren, den Glauben der Kirche leben und helfen wollen, damit der Glaube in unserem Heute gegenwärtig wird. Diesen Theologen möchte ich meinen tiefen Dank aussprechen. Und den Theologen im allgemeinen möchte ich sagen: »Habt keine Angst vor diesem Phantom der Wissenschaftlichkeit!« Ich verfolge die Theologie seit 1946: Ich habe im Januar 1946 begonnen, Theologie zu studieren und habe daher fast drei Generationen von Theologen erlebt, und ich kann sagen: Die Thesen, die zu jener Zeit und dann in den 60er und 80er Jahren ganz neu waren, absolut wissenschaftlich, fast absolut dogmatisch, sie sind in der Zwischenzeit veraltet und gelten nicht mehr! Viele von ihnen erscheinen fast lächerlich.

Das heißt, den Mut haben, der scheinbaren Wissenschaftlichkeit Widerstand zu leisten, sich nicht allen Thesen des Augenblicks unterwerfen, sondern wirklich ausgehend vom großen Glauben der Kirche zu denken, der zu allen Zeiten gegenwärtig ist und uns den Zugang zur Wahrheit öffnet. Vor allem auch nicht zu denken, daß die positivistische Vernunft, die die Transzendenz ausschließt – die unzugänglich ist –, die wahre Vernunft ist! Diese schwache Vernunft, die nur das Erfahrbare zeigt, ist in Wirklichkeit eine unzureichende Vernunft. Wir Theologen müssen die umfassende Vernunft gebrauchen, die für die Größe Gottes offen ist. Wir müssen den Mut haben, über den Positivismus hinauszugehen bis zu der Frage der Wurzeln des Seins. Das scheint mir sehr wichtig zu sein.

Man muß also den Mut haben, zur großen, umfassenden Vernunft, man muß die Demut haben, sich nicht allen Hypothesen des Augenblicks zu unterwerfen, aus dem großen Glauben der Kirche aller Zeiten zu leben. Es gibt keine Mehrheit gegen die Mehrheit der Heiligen: Die wahre Mehrheit sind die Heiligen in der Kirche, und an den Heiligen müssen wir uns orientieren! Und dann sage ich dasselbe zu den Seminaristen und Priestern: Denkt daran, daß die Heilige Schrift kein isoliert dastehendes Buch ist, sondern in der lebendigen Gemeinschaft der Kirche lebt, die in allen Jahrhunderten dasselbe Subjekt ist und die Gegenwart des Wortes Gottes garantiert. Der Herr hat uns die Kirche als lebendiges Subjekt gegeben, mit der Struktur der Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Papst, und diese großartige Realität der Bischöfe in der Welt in Gemeinschaft mit dem Papst ist uns Garant für das Zeugnis der bleibenden Wahrheit. Haben wir Vertrauen in dieses bleibende Lehramt der Gemeinschaft der Bischöfe mit
dem Papst, die für uns die Gegenwart des Wortes darstellt. Und haben wir dann auch Vertrauen in das Leben der Kirche, und vor allem müssen wir kritisch sein.

Sicher ist die theologische Ausbildung – das möchte ich vor allem den Seminaristen sagen – sehr wichtig. In unserer Zeit müssen wir die Heilige Schrift gut kennen, auch gerade gegen die Angriffe der Sekten; wir müssen wirklich Freunde des Wortes Gottes sein. Wir müssen auch die Strömungen unserer Zeit kennen, um begründete Antworten geben zu können, um, wie der hl. Petrus sagt, »Rede und Antwort zu stehen« für unseren Glauben. Die Ausbildung ist sehr wichtig. Aber wir müssen auch kritisch sein: das Kriterium des Glaubens ist das Kriterium, nach dem auch die Theologen und die Theologien zu beurteilen sind.

Papst Johannes Paul II. hat uns mit dem Katechismus der Katholischen Kirche ein absolut sicheres Kriterium geschenkt: hier finden wir die Zusammenfassung unseres Glaubens, und dieser Katechismus ist wirklich das Kriterium, um zu sehen, wohin eine akzeptable oder inakzeptable Theologie führt. Ich empfehle also die Lektüre, das Studium dieses Textes, und so können wir vorangehen mit einer im positiven Sinn kritischen Theologie, das heißt kritisch gegenüber den modischen Tendenzen und offen für wahre Neuheiten, für die unerschöpfliche Tiefe des Wortes Gottes, das sich zu allen Zeiten als neu erweist, auch in unserer Zeit.

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Letzte Änderung: 24.02.2011 um 11:01

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