Wort der Päpste
Papst Benedikt XVI. - zum XIX. Welttag der Kranken |
Geschrieben von (ksf) am 07.02.2011 |
Rom (kath.net)
Zum XIX. Welttag der Kranken ruft Papst Benedikt die gesunden Menschen und die Zivilgesellschaft dazu auf, gegenüber den kranken Brüdern und Schwestern „feinfühliger“ zu werden. Den leidenden Menschen öffnet er den Blick auf die Leiden Jesu, nicht nur für uns, sondern auch damals für seine Jünger blieb „das Leiden immer ein Mysterium, das schwer anzunehmen und zu tragen ist“. Doch wird das Leid den Jüngern „in der Begegnung mit dem Auferstandenen der Beweis einer siegreichen Liebe“.
Kath.net dokumentiert das Schreiben von Papst Benedikt XVI. in voller Länge:
Liebe Brüder und Schwestern!
Jedes Jahr begeht die Kirche am Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, der am 11. Februar gefeiert wird, den Welttag der Kranken. Dieser Anlaß ist, wie es der ehrwürdige Diener Gottes Johannes Paul II. gewollt hat, eine günstige Gelegenheit, um über das Geheimnis des Leidens nachzudenken und vor allem unsere Gemeinschaften und die Zivilgesellschaft feinfühliger werden zu lassen gegenüber den kranken Brüdern und Schwestern. Wenn jeder Mensch unser Bruder ist, dann müssen um so mehr der Schwache, der Leidende und der Pflegebedürftige im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen, damit sich niemand vergessen oder ausgegrenzt fühlt, denn: »Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen und nicht im Mit-leiden helfen kann, Leid auch von innen zu teilen und zu tragen, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft« (Enzyklika Spe salvi,
38). Die Initiativen und Veranstaltungen in den einzelnen Diözesen aus Anlaß dieses Welttages mögen eine Anregung sein, die Sorge für die Leidenden immer effektiver zu machen, auch im Hinblick auf die festliche Begehung des Welttages, die 2013 im Marienwallfahrtsort Altötting in Deutschland stattfinden wird.
1. In meinem Herzen ist immer noch jener Moment lebendig, als ich bei meinem Pastoralbesuch in Turin in Betrachtung und Gebet vor dem Grabtuch verweilen durfte, vor jenem leidenden Antlitz, das uns einlädt, meditierend nachzudenken über den, der die Leiden der Menschen aller Orte und Zeiten auf sich genommen hat, auch unsere Leiden, unsere Schwierigkeiten, unsere Sünden. Wie viele Gläubige haben im Lauf der Geschichte vor diesem Grabtuch gestanden, das einst den Leib eines gekreuzigten Menschen eingehüllt hat und ganz dem entspricht, was die Evangelien uns über Leiden und Tod Jesu überliefern! Ihn zu betrachten ist eine Einladung, darüber nachzudenken, was der hl. Petrus schreibt: »Durch seine Wunden seid ihr geheilt« (1 Petr 2,24). Der Sohn Gottes hat gelitten, er ist gestorben, aber er ist auferstanden, und gerade deshalb werden jene Wunden das Zeichen unserer Erlösung, der Vergebung und der Versöhnung mit dem Vater; sie werden aber auch ein Prüfstein für den Glauben der Jü
nger und für unseren Glauben: Jedesmal wenn der Herr von seinem Leiden und Tod spricht, verstehen sie es nicht, weisen es zurück, widersetzen sich. Für sie, wie auch für uns, bleibt das Leiden immer ein Mysterium, das schwer anzunehmen und zu tragen ist. Die beiden Emmausjünger gehen traurig ihren Weg aufgrund dessen, was in jenen Tagen in Jerusalem geschehen ist, und erst als der Auferstandene den Weg mit ihnen geht, öffnen sie sich einer neuen Sichtweise (vgl. Lk 24,13–31). Auch der Apostel Thomas hat Mühe, an den Weg des erlösenden Leidens zu glauben: »Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht« (Joh 20,25). Aber vor Christus, der seine Wunden zeigt, verwandelt sich seine Antwort in ein bewegendes Glaubenszeugnis: »Mein Herr und mein Gott!« (Joh 20,28). Was zunächst als Zeichen des scheinbaren Scheiterns Jesu ein unüberwindliches Hindernis war, wi
rd in der Begegnung mit dem Auferstandenen der Beweis einer siegreichen Liebe: »Nur ein Gott, der uns so liebt, daß er unsere Wunden und unseren Schmerz – vor allem den der Unschuldigen – auf sich nimmt, ist glaubwürdig« (Botschaft Urbi et Orbi, Ostern 2007; O.R. dt., Nr. 15, 13.4.2007, S. 5).
2. Liebe Kranke und Leidende, gerade durch die Wunden Christi können wir alle Übel, die die Menschheit quälen, mit einem Blick der Hoffnung sehen. Durch seine Auferstehung hat der Herr das Leid und das Böse nicht aus der Welt genommen, aber er hat es an der Wurzel besiegt. Der Übermacht des Bösen hat er die Allmacht seiner Liebe entgegengesetzt. Er hat uns gezeigt, daß der Weg zum Frieden und zur Freude die Liebe ist. »Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben« (Joh 13,34). Christus, der Sieger über den Tod, lebt mitten unter uns. Und während auch wir mit dem hl. Thomas sagen: »Mein Herr und mein Gott!«, folgen wir unserem Meister in der Bereitschaft, das Leben für unsere Brüder hinzugeben (vgl. 1 Joh 3,16), indem wir Boten einer Freude werden, die den Schmerz nicht fürchtet: Boten der Freude der Auferstehung.
Der hl. Bernhard sagt: »Gott kann nicht leiden, aber er kann mitleiden.« Gott, die Wahrheit und Liebe in Person, wollte für uns und mit uns leiden; er ist Mensch geworden, um mit dem Menschen mit-leiden zu können, ganz real in Fleisch und Blut. Von da aus ist in alles menschliche Leiden ein Mitleidender, Mittragender hineingetreten; in jedem Leiden ist von da aus die con-solatio, der Trost der mitleidenden Liebe Gottes anwesend und damit der Stern der Hoffnung aufgegangen (vgl. Enzyklika Spe salvi, 39).
Euch, liebe Brüder und Schwestern, wiederhole ich diese Botschaft, damit ihr durch euer Leiden, euer Leben und euren Glauben deren Zeugen seid.
3. Mit Blick auf das Treffen in Madrid im August kommenden Jahres anläßlich des Weltjugendtages 2011 möchte ich einen besonderen Gedanken an die Jugendlichen richten, insbesondere an jene, die die Erfahrung der Krankheit machen. Oft machen das Leiden, das Kreuz Jesu Angst, weil sie die Verneinung des Lebens zu sein scheinen. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall! Das Kreuz ist das »Ja« Gottes zum Menschen, der höchste und intensivste Ausdruck seiner Liebe und die Quelle, aus der das ewige Leben entspringt. Aus dem geöffneten Herzen Jesu ist in der Tat dieses göttliche Leben geflossen. Nur er kann die Welt vom Bösen befreien und sein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe wachsen lassen, nach dem wir alle streben (vgl. Botschaft zum Weltjugendtag 2011, 3). Liebe Jugendliche, lernt, Jesus zu »sehen«, ihm zu »begegnen« in der Eucharistie, in der er für uns wahrhaft gegenwärtig ist, so daß er zur Speise auf unserem Weg wird; erkennt und dient Jesus aber auch in
den Armen, in den Kranken, in den Brüdern, die leiden und in Not sind und eure Hilfe brauchen (vgl. ebd., 4). An alle Jugendlichen, die kranken und die gesunden, richte ich erneut die Aufforderung, Brücken der Liebe und der Solidarität zu bauen, damit sich niemand einsam fühlt, sondern nahe bei Gott und Teil der großen Familie seiner Kinder (vgl. Generalaudienz, 15. November 2006).
4. Während wir die Wunden Jesu betrachten, richtet sich unser Blick auf sein heiligstes Herz, in dem sich die höchste Offenbarung der Liebe Gottes zeigt. Das heiligste Herz ist der gekreuzigte Christus, aus dessen von der Lanze geöffneten Seite Blut und Wasser strömen (vgl. Joh 19,34). »Am Kreuz erhöht, hat er sich für uns dahingegeben aus unendlicher Liebe und alle an sich gezogen. Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles« (Römisches Meßbuch, Präfation vom Hochfest des heiligsten Herzens Jesu). Besonders ihr, liebe Kranke, spürt die Nähe dieses liebevollen Herzens und schöpft mit Glauben und Freude aus dieser Quelle, indem ihr betet: »Wasser der Seite Christi, wasche mich! Leiden Christi, stärke mich! Guter Jesus, erhöre mich! In Deinen Wunden berge mich!« (Gebet des hl. Ignatius von Loyola).
5. Zum Abschluß meiner Botschaft zum kommenden Welttag der Kranken möchte ich allen und jedem einzelnen meine Zuneigung zum Ausdruck bringen, indem ich die Leiden und Hoffnungen mit euch teile, die ihr täglich in Einheit mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus lebt, damit er euch den Frieden und die Heilung des Herzens schenken möge. Mit ihm möge die Jungfrau Maria an eurer Seite wachen, die wir vertrauensvoll als »Heil der Kranken« und »Trösterin der Leidenden« anrufen. Unter dem Kreuz ist für sie die Prophezeiung Simeons Wirklichkeit geworden: ihr Mutterherz wurde durchbohrt (vgl. Lk 2,35). Vom Abgrund ihres Schmerzes her, der Teilnahme am Schmerz ihres Sohnes ist, wird Maria befähigt, die neue Sendung anzunehmen: Mutter Christi in seinen Gliedern zu werden. In der Stunde des Kreuzes weist Jesus auf jeden seiner Jünger hin und sagt zu ihr: »Siehe, dein Sohn« (vgl. Joh 19,26–27). Das mütterliche Mitleid mit dem Sohn wird zum mütterlichen Mitleid mit jedem von uns in
unseren täglichen Leiden (vgl. Predigt in Lourdes, 15. September 2008).
Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Welttag der Kranken, fordere ich auch die Verantwortlichen auf, daß sie sich immer mehr für Strukturen eines Gesundheitswesens engagieren, das den Leidenden hilft und sie unterstützt, besonders die Ärmsten und Bedürftigsten. Indem ich meine Gedanken auf alle Diözesen richte, sende ich einen herzlichen Gruß an alle Bischöfe, Priester, Gottgeweihten und Seminaristen, an die im Krankendienst Tätigen, die freiwilligen Helfer und alle, die sich mit Liebe dem Dienst widmen, die Wunden des kranken Bruders und der kranken Schwester zu pflegen und zu lindern, in den Krankenhäusern oder Pflegeheimen, in den Familien: Mögt ihr im Angesicht der Kranken immer das heiligste Antlitz erkennen können, das Antlitz Christi.
Alle versichere ich meines Gebetsgedenkens und erteile jedem einen besonderen Apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, 21. November 2010, Christkönigssonntag.
BENEDICTUS PP. XVI
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Letzte Änderung: 08.02.2011 um 11:14
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