Wort der Päpste
Papst Benedikt XVI. - Zur Fastenzeit 2011 |
Geschrieben von (ksf) am 09.02.2013 |
„Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt!“ (vgl. Kol 2,12)
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Fastenzeit, die uns zur Feier des heiligen Osterfestes hinführt, ist für die Kirche eine überaus kostbare und wichtige liturgische Zeit. Im Hinblick darauf freue ich mich, ein besonderes Wort an euch zu richten, da sie mit entsprechendem Eifer gelebt werden soll. Während die Gemeinschaft der Kirche der endgültigen Vereinigung mit ihrem Bräutigam beim ewigen Ostern entgegenharrt, verstärkt sie, unermüdlich im Gebet und in Werken der Liebe, ihre Anstrengungen auf dem Weg der Reinigung im Geist, um mit größerer Fülle aus dem Geheimnis der Erlösung das neue Leben in Christus zu schöpfen (vgl. Präfation für die Fastenzeit I).
1. Dieses Leben ist uns schon am Tag unserer Taufe geschenkt worden, als für uns, die wir „mit der Taufe am Tod und an der Auferstehung Christi Anteil haben“, „das freudige und erhebende Abenteuer der Jüngerschaft“ begonnen hat (Homilie am Fest der Taufe des Herrn, 10. Januar 2010). Der heilige Paulus betont in seinen Briefen immer wieder die einzigartige Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, die durch dieses Bad der Taufe gewirkt wird. Die Tatsache, dass man die Taufe in den meisten Fällen als Kind empfängt, macht deutlich, dass es sich um ein Geschenk Gottes handelt: Keiner verdient sich das ewige Leben aus eigener Kraft heraus. Das Erbarmen Gottes, das die Sünde hinweg nimmt und es ermöglicht, so zu leben, „wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“ (Phil 2,5), wird dem Menschen unentgeltlich geschenkt.
Der Völkerapostel erläutert in seinem Brief an die Philipper den Sinngehalt der Umwandlung, welche sich durch die Teilnahme am Tod und an der Auferstehung Christi vollzieht, indem er ihr Ziel aufzeigt: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen“ (Phil 3,10-11). Die Taufe ist also kein Ritus der Vergangenheit, sondern die Begegnung mit Christus, der die ganze Existenz des Getauften formt, ihm göttliches Leben verleiht und ihn zu einer aufrichtigen Umkehr ruft, die von der Gnade begonnen und getragen wird und so die Vollgestalt Christi erreichen lässt.
Die Taufe steht in einer besonderen Beziehung zur Fastenzeit als einem günstigen Moment, um die rettende Gnade zu erfahren. Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils haben alle Hirten der Kirche dazu aufgerufen, „die der Fastenliturgie eigenen Taufmotive stärker“ zu nutzen (Konstitution Sacrosanctum Concilium, 109). Denn immer schon verbindet die Kirche die Osternacht mit der Feier der Taufe: In diesem Sakrament wird jenes große Geheimnis wirksam, in dem der Mensch der Sünde stirbt, des neuen Lebens im auferstandenen Christus teilhaftig wird und denselben Geist Gottes empfängt, der Jesus von den Toten auferweckt hat (vgl. Röm 8,11). Dieses unentgeltliche Geschenk muss immer wieder neu in jedem von uns entfacht werden, und die Fastenzeit bietet uns einen dem Katechumenat ähnlichen Weg an, der für die Christen der frühen Kirche wie auch für die Taufbewerber von heute eine unersetzbare Schule des Glaubens und des christlichen Lebens ist: Sie erleben die Taufe wirklich als einen entscheidenden Moment für ihre ganze Existenz.
2. Was könnte sich besser eignen, um ernsthaft den Weg auf Ostern zu beschreiten und uns auf die Feier der Auferstehung des Herrn – das freudigste und feierlichste Fest des ganzen Kirchenjahres – vorzubereiten, als sich vom Wort Gottes leiten zu lassen? Deshalb führt uns die Kirche in den Evangelientexten der Sonntage der Fastenzeit hin auf eine besonders innige Begegnung mit dem Herrn, indem sie uns die Etappen der christlichen Initiation noch einmal durchlaufen lässt: für die Katechumenen im Hinblick auf den Empfang des Sakramentes der Wiedergeburt; für die schon Getauften, um neue und maßgebende Schritte in der Nachfolge Christi und in der vollkommeneren Hingabe an Ihn zu setzen.
Der erste Sonntag des Weges durch die Fastenzeit macht die Verfassung unseres Menschseins auf dieser Erde deutlich. Der siegreiche Kampf gegen die Versuchungen, mit dem die Sendung Jesu beginnt, ist eine Einladung, sich der eigenen Schwachheit bewusst zu werden, um die Gnade zu empfangen, die von Sünden frei macht und neue Kraft in Christus ausgießt, der Weg, Wahrheit und Leben ist (vgl. Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche, Nr. 25). Er ist ein deutlicher Aufruf, sich daran zu erinnern, dass der christliche Glaube, nach dem Beispiel Jesu und in Gemeinschaft mit Ihm, einen Kampf „gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt“ (Eph 6,12) einschließt, in welcher der Teufel am Werk ist, der auch heute nicht müde wird, den Menschen, der sich dem Herrn nähern will, zu versuchen: Christus geht daraus als Sieger hervor, um auch unser Herz für die Hoffnung zu öffnen und uns darin zu leiten, die Verführungen des Bösen zu besiegen.
Das Evangelium von der Verklärung des Herrn stellt uns die Herrlichkeit Christi vor Augen, die die Auferstehung vorwegnimmt und die Vergöttlichung des Menschen ankündigt. Die Gemeinschaft der Christen erkennt, dass sie wie die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes „beiseite […] auf einen hohen Berg“ (Mt 17,1) geführt wird, um in Christus, als Söhne im Sohn, wieder das Geschenk der göttlichen Gnade zu empfangen: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.“ (V. 5). Es ist eine Einladung, vom Lärm des Alltags Abstand zu nehmen, um in die Gegenwart Gottes einzutauchen: Er möchte uns tagtäglich ein Wort zukommen lassen, das tief in unseren Geist eindringt, wo es Gut und Böse unterscheidet (vgl. Hebr 4,12), und das den Willen stärkt, dem Herrn nachzufolgen.
Die Bitte Jesu an die samaritische Frau: „Gib mir zu trinken!“ (Joh 4,7), die ihren Platz in der Liturgie des dritten Sonntages hat, drückt die Leidenschaft Gottes für jeden Menschen aus und möchte in unserem Herzen den Wunsch nach dem Geschenk der „sprudelnden Quelle […], deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (V. 14), wecken: Es ist die Gabe des Heiligen Geistes, der die Christen zu „wahren Beter[n]“ macht, die fähig sind, den Vater „im Geist und in der Wahrheit“ (V. 23) anzubeten. Nur dieses Wasser vermag unseren Durst nach dem Guten, nach der Wahrheit und nach der Schönheit zu löschen! Nur dieses Wasser, das uns der Sohn gibt, bewässert die Wüsten der unruhigen und unzufriedenen Seele, „bis sie ruht in Gott“, wie es das bekannte Wort des heiligen Augustinus sagt.
Der Sonntag des Blindgeborenen stellt uns Christus als das Licht der Welt vor Augen. Das Evangelium fragt jeden einzelnen von uns: „Glaubst du an den Menschensohn?“. „Ich glaube, Herr!“ (Joh 9,35.38), bestätigt freudig der Blindgeborene und macht sich so zur Stimme eines jeden Glaubenden. Das Heilungswunder ist das Zeichen dafür, dass Christus zusammen mit dem Augenlicht auch unseren inneren Blick öffnen möchte, damit unser Glaube immer tiefer wird und wir in Ihm unseren einzigen Retter erkennen können. Er erhellt alle Dunkelheit des Lebens und lässt den Menschen als „Kind des Lichtes“ leben.
Wenn uns am fünften Sonntag die Auferweckung des Lazarus verkündet wird, werden wir mit dem letzten Geheimnis unserer Existenz konfrontiert: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. […] Glaubst du das?” (Joh 11,25-26). Für die christliche Gemeinschaft ist das der Augenblick, mit Marta offen alle Hoffnung auf Jesus von Nazaret zu setzen: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (V. 27). Die Gemeinschaft mit Christus in diesem Leben bereitet uns darauf vor, die Grenze des Todes zu überwinden, um für immer in Ihm zu leben. Der Glaube an die Auferstehung der Toten und die Hoffnung auf das ewige Leben öffnen unseren Blick für den letzten Sinn unserer Existenz: Gott hat den Menschen für die Auferstehung und das Leben erschaffen, und diese Wahrheit gibt der Geschichte der Menschen, ihrer persönlichen Existenz und ihrem Leben in der Gesellschaft wie auch der Kultur, der Politik und der Wirtschaft ihren wahren und letztgültigen Sinn. Ohne das Licht des Glaubens endet das ganze Universum eingeschlossen in einem Grab ohne Zukunft, ohne Hoffnung.
Der Weg durch die Fastenzeit findet seine Vollendung in den Drei Österlichen Tagen, besonders in der großen Vigil der Osternacht: Bei der Erneuerung des Taufversprechens bekennen wir von neuem, dass Christus der Herr unseres Lebens ist, jenes Lebens, das Gott uns geschenkt hat, als wir „aus dem Wasser und dem Heiligen Geist“ wiedergeboren wurden, und wir bekräftigen von neuem unseren festen Entschluss, dem Werk der Gnade zu entsprechen, um seine Jünger zu sein.
3. Unser Eingetaucht-Sein in Tod und Auferstehung Christi durch das Sakrament der Taufe drängt uns jeden Tag aufs neue dazu, unser Herz von der Last der materiellen Dinge zu befreien, von jener egoistischen Bindung an die „Erde“, die uns arm macht und uns daran hindert, für Gott und den Nächsten bereit und offen zu sein. In Christus hat sich Gott als die Liebe offenbart (vgl. 1 Joh 4,7-10). Das Kreuz Christi, das „Wort vom Kreuz“ verdeutlicht die rettende Kraft Gottes (vgl. 1 Kor 1,18), die geschenkt wird, um den Menschen aufzurichten und ihm das Heil zu bringen: Liebe in ihrer radikalsten Form (vgl. Enzyklika Deus caritas est, 12). Durch die traditionellen Übungen des Fastens, des Almosengebens und des Gebetes, Ausdrucksweisen der Verpflichtung zur Umkehr, erzieht die Fastenzeit dazu, die Liebe Christi immer radikaler zu leben. Das Fasten, das unterschiedlich begründet sein kann, hat für den Christen einen tief religiösen Sinn: Indem wir unseren Tisch ärmer machen, lernen wir unseren Egoismus zu überwinden, um in der Logik des Schenkens und der Liebe zu leben; indem wir den Verzicht auf etwas auf uns nehmen – nicht bloß auf etwas Überflüssiges – lernen wir, unseren Blick vom eigenen „Ich“ abzuwenden, um jemanden an unserer Seite zu entdecken und Gott im Angesicht vieler unserer Brüder zu erkennen. Für den Christen hat das Fasten nichts mit einer Ichbezogenheit zu tun, sondern es öffnet mehr und mehr auf Gott hin und auf die Bedürfnisse der Menschen und sorgt dafür, dass die Liebe zu Gott auch die Liebe zum Nächsten einschließt (vgl. Mk 12,31).
Auf unserem Weg sehen wir uns auch der Versuchung des Haben-Wollens gegenüber, der Habsucht nach Geld, die die Vorrangstellung Gottes in unserem Leben gefährdet. Die Besitzgier bringt Gewalt, Missbrauch und Tod hervor; aus diesem Grunde erinnert die Kirche besonders in der Fastenzeit an die Übung des Almosengebens, das heißt an das Teilen. Die Vergötterung der Güter hingegen entfernt nicht nur vom anderen, sondern sie entblößt den Menschen, macht ihn unglücklich, betrügt ihn, weckt falsche Hoffnungen, ohne das zu verwirklichen, was sie verspricht, weil sie die materiellen Dinge an die Stelle Gottes setzt, der allein Quelle des Lebens ist. Wie kann man die Vatergüte Gottes verstehen, wenn das Herz voll von sich selbst und den eigenen Plänen ist, mit denen man sich einbildet, sich die Zukunft sichern zu können? Es ist die Versuchung, so zu denken wie der Reiche im Gleichnis: „Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht...“ Wir kennen das Urteil des Herrn: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern…“ (Lk 12,19-20). Die Übung des Almosengebens ist ein Aufruf, Gott den Vorrang zu geben und dem anderen gegenüber aufmerksam zu sein, um unseren guten Vater neu zu entdecken und sein Erbarmen zu empfangen.
In der gesamten Fastenzeit bietet uns die Kirche das Wort Gottes sehr reichlich an. Wenn wir es betrachten und verinnerlichen, um es tagtäglich zu leben, lernen wir eine kostbare und unersetzbare Form des Gebetes kennen. Denn das aufmerksame Hören auf Gott, der unaufhörlich zu unserem Herzen spricht, nährt den Weg des Glaubens, den wir am Tag der Taufe begonnen haben. Das Gebet erlaubt uns auch, eine neue Auffassung der Zeit zu gewinnen: Ohne die Perspektive der Ewigkeit und der Transzendenz unterteilt sie nämlich nur unsere Schritte auf einen Horizont hin, der keine Zukunft hat. Im Gebet finden wir hingegen Zeit für Gott, um zu erkennen, dass „seine Worte nicht vergehen werden“ (vgl. Mk 13,31), um einzutreten in jene innige Gemeinschaft mit Ihm, die „niemand uns nimmt“ (vgl. Joh 16,22) und die uns für die Hoffnung öffnet, die nicht zugrunde gehen lässt, für das ewige Leben.
Kurz gesagt, der Weg durch die Fastenzeit, auf dem wir eingeladen sind, das Geheimnis des Kreuzes zu betrachten, bedeutet, dass „sein Tod mich prägen soll“ (Phil 3,10), um eine tiefe Umkehr in unserem Leben verwirklichen zu können: sich verwandeln lassen durch das Wirken des Heiligen Geistes wie der hl. Paulus auf dem Weg nach Damaskus; unsere Existenz mit Entschiedenheit am Willen Gottes ausrichten; uns von unserem Egoismus befreien, indem wir die Machtsucht über die andern überwinden und uns der Liebe Christi öffnen. Die Fastenzeit ist eine geeignete Zeit, um unsere Schwachheit einzugestehen und nach einer ehrlichen Prüfung unseres Lebens die erneuernde Gnade des Sakramentes der Versöhnung zu empfangen sowie entschieden auf Christus zuzugehen.
Liebe Brüder und Schwestern, durch die persönliche Begegnung mit unserem Erlöser und durch Fasten, Almosengeben und Gebet führt uns der Weg der Umkehr auf Ostern hin zur Wiederentdeckung unserer Taufe. Empfangen wir in dieser Fastenzeit wieder neu die Gnade, die Gott uns in jenem Moment geschenkt hat, damit er all unser Handeln erleuchte und leite. Was das Sakrament bezeichnet und bewirkt, sollen wir jeden Tag in der Nachfolge Christi großzügiger und überzeugender leben. Auf diesem unserem Weg vertrauen wir uns der Jungfrau Maria an, die das Wort Gottes im Glauben und im Fleisch geboren hat, um wie sie in den Tod und die Auferstehung ihres Sohnes Jesus einzutauchen und das ewige Leben zu erlangen.
Aus dem Vatikan, am 4. November 2010
BENEDICTUS PP XVI
© Copyright 2010 - Libreria Editrice Vaticana
Letzte Änderung: 10.02.2013 um 05:55
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