Wort der Päpste
Papst Benedikt XVI. Gedanken zur Ökumene |
Geschrieben von (ksf) am 06.12.2010 |
Liebe Leserin, lieber Leser,
Papst Benedikt XVI hat bei einer Vesper in St. Paul vor den Mauern eine wunderbare Predigt gehalten. Diese Predigt, anlässlich des Abschlusses der Weltgebetswoche um die Einheit der Christen, möchte ich Ihnen hier kommentarlos vorlegen. Der Text, sowie das Grußwort von Kardinal Kasper, basieren auf der Arbeitsübersetzung von "Radio Vatikan". Viel Vergnügen bei der Lektüre.
Zunächst das Grußwort von Kardinal Kasper:
Heiliger Vater,
die Gläubigen, die sich hier in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern versammelt haben, grüßen Sie mit Freude und Dankbarkeit. Ihre Anwesenheit hier unter uns in diesen Jahr zum Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der Christen ist ein Zeichen, wie tief das Gebet Jesu auch in Ihrem Herzen sitzt, der sagt: „Damit sie eins seien.“ Darauf vertrauend, sind wir hier zusammengekommen.
Das Motto der Gebetswoche in diesem Jahr „Ihr seid meine Zeugen“ ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Wir erinnern uns an die Anfänge der ökumenischen Bewegung, als vor einem Jahrhundert die in Edinburgh versammelten Missionare zu der Einsicht kamen, dass das größte Hindernis für die Verbreitung des Glaubens die Spaltungen der Christen untereinander darstellt. Ökumene und Mission sind untrennbar. Sie sind gewissermaßen Zwillinge. Denn in der Tat: wie können wir in glaubwürdiger Art und Weise die Aufgabe erfüllen, die unser Herr uns aufgetragen hat – nämlich die Einheit zu verkünden, die Versöhnung und den Frieden – wenn nicht einmal wir Christen untereinander vereint und versöhnt sind? So gesehen, sind Mission und Ökumene die wichtigsten Aufgaben in der heutigen Welt und die Christen müssen auf diesem Weg weitergehen.
Heiliger Vater, wir sind mit Ihnen zusammengekommen, um gemeinsam zu beten: Dass wir alle eins seien, damit die Welt glaube. Wir freuen uns auf Ihre Worte. Sie sind uns Ermutigung und Orientierung auf unserem Weg. Seien sie in unserer Mitte willkommen, Heiliger Vater.
Und hier die Predigt des Papstes:
„Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben uns hier zu dieser liturgischen Versammlung getroffen, um am Fest der Bekehrung des Apostels Paulus die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen zu beschließen. Ich möchte Euch alle herzlich begrüßen; besonders Kardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, und den Erzpriester dieser Basilika, Mons. Francesco Monterisi, zusammen mit dem Abt und den Mönchen dieses Klosters, die uns Gastfreundschaft gewähren. Ich richte außerdem meine herzlichen Grüße an die anwesenden Herren Kardinäle, die Bischöfe und alle Vertreter der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften der Stadt, die hier zusammen gekommen sind.
Es sind noch nicht viele Monate vergangen, seit das Jahr, das dem hl. Paulus gewidmet war, zu Ende gegangen ist. Es hat uns die Möglichkeit gegeben, das außergewöhnliche Werk des Predigers des Evangeliums zu vertiefen - und auch unsere Berufung, Missionare des Evangeliums zu sein, zu vertiefen, an die uns auch das Thema der Gebetswoche für die Einheit der Christen erinnert hat - "... und ihr seid Zeugen!"(Lk 24,48). Paulus zögert nicht– obwohl er eine lebendige und intensive Erinnerung an seine eigene Vergangenheit als Verfolger der Christen bewahrt -, sich Apostel zu nennen. Das Fundament dieses Titels ist für ihn die Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Damaskus, die zum Anfangspunkt für eine unermüdliche missionarische Aktivität wird, in der er alle seine Energie für die Verkündigung jenes Christus, dem er persönlich begegnet ist, an alle Nationen verbraucht. So wird Paulus vom Verfolger der Kirche selbst zum Opfer der Verfolgung auf Grund des Evangeliums, von
dem er Zeugnis ablegte: „Fünfmal erhielt ich von Juden die neununddreißig Hiebe; dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt… Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße. Um von allem andern zu schweigen, weise ich noch auf den täglichen Andrang zu mir und die Sorge für alle Gemeinden hin.“(2 Kor 11,24-25a.26-28) Das Zeugnis des Paulus erreicht seinen Höhepunkt in seinem Martyrium, als er – nicht weit von hier – die Bewährungsprobe seines Glaubens an Christus, der den Tod besiegt, ablegt.
Die in der Erfahrung des Paulus enthaltene Dynamik ist dieselbe, wie wir sie in der Stelle des Evangeliums finden, die wir gerade gehört haben. Die Jünger von Emmaus kehren, nachdem sie den auferstandenen Herrn erkannt haben, nach Jerusalem zurück und finden die Elf zusammen mit den anderen versammelt. Der auferstandene Christus erscheint ihnen, er tröstet sie, besiegt ihre Furcht, ihre Zweifel, er wird ihr Tischgenosse und öffnet ihr Herz für das Verständnis der Schrift, indem er daran erinnert, dass als dies geschehen musste und dass dies den Kern der christlichen Verkündigung bilden werde. Jesus beteuert: „So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden.“(Lk 24, 46f.) Das sind die Ereignisse, von denen zuallererst die Jünger der ersten Stunde und dann die an Christus Glaubenden aller Zeiten
an allen Orten Zeugnis ablegen müssen. Es ist allerdings wichtig zu unterstreichen, dass dieses Zeugnis damals wie heute aus der Begegnung mit dem Auferstandenen erwächst, sich aus der stetigen Beziehung mit ihm nährt und aus der tiefgründigen Liebe zu ihm beseelt wird. Nur derjenige, der die Erfahrung gemacht hat, Christus gegenwärtig und lebendig zu spüren – „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst.“(Lk 24,39), [die Erfahrung] sich mit ihm an den Tisch gesetzt zu haben, ihm zuzuhören, damit er das Herz brennend mache, [nur der] kann sein Zeuge sein! Dafür verspricht Jesus seinen Jüngern und jedem von uns einen mächtigen Beistand aus der Höhe, eine neue Gegenwart, die des Heiligen Geistes, Gabe des auferstandenen Christus, der uns in die ganze Wahrheit führt. „Und ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden“(Lk 24,49). Die Elf werden ihr ganzes Leben damit zubringen, die Frohe Botschaft des Todes und der Auferstehung des Herrn zu verk
ünden, und fast alle von ihnen werden ihr Zeugnis mit dem Blut des Martyriums besiegeln, dem fruchtbaren Samen, der eine überreiche Ernte eingebracht hat.
Die Wahl des Themas der Gebetswoche für die Einheit der Christen in diesem Jahr, also die Einladung zum gemeinsamen Zeugnis für den auferstandenen Christus gemäß dem Auftrag, den Er seinen Jüngern anvertraut hat, ist mit der Erinnerung an den hundertsten Jahrestag der Missionskonferenz von Edinburgh in Schottland verbunden, die von vielen als ein entscheidendes Ereignis für das Entstehen der modernen ökumenischen Bewegung eingeschätzt wird. Im Sommer 1910 haben sich in der schottischen Hauptstadt mehr als 1000 Missionare, aus verschieden Zweigen des Protestantismus und Anglikanismus, zu denen ein orthodoxer Gast hinzu kam, getroffen, um gemeinsam über die Notwendigkeit die Einheit zu erreichen zu reflektieren, damit das Evangelium glaubwürdig verkündet werde. Und wirklich ist es ja genau der Wunsch, Christus den anderen zu verkünden und seine Botschaft der Versöhnung weiterzutragen, die den Widerspruch der Spaltung unter den Christen spüren lässt. Wie können, in der Tat, die
Ungläubigen die Verkündigung des Evangeliums annehmen, wenn die Christen, auch wenn sie alle auf denselben Christus hinweisen, unter sich uneins sind? Im übrigen hat, wie wir wissen, derselbe Meister, am Ende des letzten Abendmahles, den Vater für seine Jünger gebeten: „Alle sollen eins sein…, damit die Welt glaubt“(Joh 17, 21). Die Gemeinschaft und die Einheit der Jünger Christi sind also besonders wichtige Bedingungen für eine größere Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit ihres Zeugnisses.
Im Abstand eines Jahrhunderts vom Ereignis von Edinburgh ist die Intuition dieser mutigen Vorläufer noch immer sehr aktuell. In einer von religiöser Indifferenz und sogar von einer wachsenden Ablehnung gegenüber dem christlichen Glauben gekennzeichneten Welt ist eine neue und intensive Aktivität der Evangelisierung notwendig, nicht nur bei den Völkern, die das Evangelium noch nie kennengelernt haben, sondern auch bei jenen, in denen das Christentum verbreitet ist und einen Teil ihrer Geschichte ausmacht. Es fehlen leider nicht die Fragen, die die einen von den anderen trennen und von denen wir hoffen, dass sie durch Gebet und Dialog überwunden werden können, aber es gibt [auch] den zentralen Inhalt der Botschaft Christi, den wir zusammen verkünden können: die Vaterschaft Gottes, den Sieg Christi durch sein Kreuz und seine Auferstehung über Sünde und Tod, das Vertrauen in das verwandelnde Wirken des Geistes. Während wir auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft sind, sind wir gerufe
n, ein gemeinsamen Zeugnis gegenüber den immer komplexeren Herausforderungen unserer Zeit zu geben: die Säkularisierung und die Indifferenz, der Relativismus und der Hedonismus, die delikaten ethischen Themen bezüglich des Anfangs und des Endes des Lebens, die Grenzen der Wissenschaft und der Technologie, der Dialog mit den anderen religiösen Traditionen. Es gibt außerdem weitere Felder in denen wir [schon] von jetzt an ein gemeinsames Zeugnis geben müssen: die Bewahrung der Schöpfung, die Förderung des Allgemeinwohls und des Friedens, die Verteidigung der zentralen Stellung der menschlichen Person, das Engagement im Besiegen der Nöte unserer Zeit, insbesondere Hunger, Elend, Analphabetismus und die nicht gleiche Verteilung der Güter.
Das Engagement für die Einheit der Christen ist weder die Aufgabe von einigen wenigen, noch eine Nebenaktivität der Kirche. Jeder ist dazu gerufen seinen Beitrag zu leisten, um jene Schritte zu gehen, die zur vollen Gemeinschaft von allen Jüngern Christi führen, ohne dabei zu vergessen, dass jene vor allem Geschenk Gottes ist, welches wir unablässig erbitten. Tatsächlich kommt die Kraft für die Förderung der Einheit und der Mission aus der fruchtbaren und leidenschaftlichen Begegnung mit dem Auferstandenen, wie es mit dem Hl. Paulus auf dem Weg nach Damaskus und mit den Elf und den anderen Jüngern, versammelt in Jerusalem, geschah. Die Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, möge helfen, dass sich so schnell wie möglich jener Wunsch ihres Sohnes realisiere: „Alle sollen eins sein…, damit die Welt glaubt“(Joh 17, 21).
Quelle: http://www.kath.net
(ksf)
Letzte Änderung: 07.12.2010 um 18:54
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