Lehrschreiben

Papst Pius XII. - Rundschreiben MEDIATOR DEI ET HOMINUM - 2

Geschrieben von (ksf) am 02.05.2012
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226. Die Kirche hat daher Zweck, Aufgabe und Amt gemeinsam mit dem menschgewordenen Gottessohn; sie hat alle die Wahrheit zu lehren, die Menschen richtig zu lenken und zu leiten, Gott ein wohlgefälliges Opfer darzubringen und so jene wunderbare Zusammengehörigkeit und Eintracht zwischen Gott dem Schöpfer und den geschaffenen Dingen wiederherzustellen, die der Völkerapostel mit folgenden Worten anschaulich umschreibt: So seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge und Beisassen, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, auferbaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten, wobei der Eckstein Jesus Christus selbst ist. In ihm ist der ganze Bau fest zusammengefügt und wächst empor zu einem heiligen Tempel im Herrn, in dem auch ihr miterbaut werdet zu einer Wohnung Gottes im Geiste[21]. Deshalb zielt die vom göttlichen Erlöser gestiftete Gesellschaft mit ihrer Lehre und Leitung, dem von ihm eingesetzten Opfer und den von ihm gestifteten Sakramenten, mit der von ihm überkommenen Verwaltung und dem von ihr verströmten Gebet und Blut nur auf das eine hin, daß sie täglich sich weite nach außen und innerlich zusammenwachse; das wird auch erreicht, wenn Christus in den Menschenseelen Leben gewinnt und sich entfaltet, und umgekehrt die Menschenseelen durch Christus gleichsam auferbaut werden und wachsen; so daß in der irdischen Verbannung der heilige Tempel sich täglich weiter wölbt, in dem der göttlichen Majestät die rechte und ihr wohlgefällige Verehrung gezollt wird.

227. Deshalb ist in jeder liturgischen Handlung zugleich mit der Kirche ihr göttlicher Stifter zugegen. Zugegen ist Christus im hochheiligen Opfer des Altares, in der Person des seine Stelle vertretenden Priesters und vor allem unter den eucharistischen Gestalten. Zugegen ist er in den Sakramenten durch die Kraft, die er ihnen zuströmen läßt als den Werkzeugen der Heiligung. Zugegen ist er endlich im Lob Gottes und im Bittgebet, gemäß dem Worte: Wo nämlich zwei oder drei in meinem Namen vereint sind, bin ich mitten unter ihnen[22].

228. Die heilige Liturgie bildet folglich den öffentlichen Kult, den unser Erlöser, das Haupt der Kirche, dem himmlischen Vater erweist und den die Gemeinschaft der Christgläubigen ihrem Gründer und durch ihn dem Ewigen Vater darbringt; um es zusammenfassend kurz auszudrücken: sie stellt den gesamten öffentlichen Gottesdienst des mystischen Leibes Jesu Christi dar, seines Hauptes nämlich und seiner Glieder.

229. Die liturgische Betätigung nahm ihren Anfang, sobald die Kirche von Gott gegründet war. Die Christen der Urkirche, so heißt es ja, verharrten in der Lehre der Apostel, in der brüderlichen Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet[23].Wo es den Hirten gelingt, eine Gemeinschaft von Gläubigen zu sammeln, dort errichten sie den Altar, auf dem sie das Opfer darbringen und um den alle übrigen Riten sich ranken, damit sich die Menschen durch sie heiligen und Gott die ihm gebührende Ehre erweisen. Unter diesen Riten nehmen die erste Stelle ein die Sakramente, die sieben Hauptquellen des Heils; dann der Lobpreis Gottes, mit dem die Christen auch als Gemeinschaft der Mahnung des Apostels Paulus gehorchen: Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit. Singt Gott dankbaren Herzens Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder[24]. Weiter die Lesung aus dem Gesetz und den Propheten, aus den Evangelien und den Briefen der Apostel, und endlich die Homilie oder Predigt, wodurch der Vorsteher der Gemeinde die Vorschriften des göttlichen Meisters in Erinnerung ruft und sodann nutzbringend erklärt, wichtigere Begebenheiten aus dem Leben Christi erwähnt und den Anwesenden geeignete Mahnungen und Beispiele vorlegt.

230. Je nach den Umständen und den Bedürfnissen der Christen wird der Gottesdienst veranstaltet, ausgebaut und mit neuen Riten, Zeremonien und Gebetsformen bereichert, immer zu dem Zwecke, „daß wir durch jene Sinnbilder uns selbst anspornen und innewerden, wieviel Fortschritt wir gemacht haben, und zu dessen Förderung uns entschieden aneifern denn die Wirkung wird um so wertvoller sein, je stärker der Eifer ist, der ihr vorausgeht“[25] So erhebt sich das Gemüt beschwingter und leichter zu Gott, und das Priestertum Jesu Christi lebt und wirkt jederzeit durch alle Jahrhunderte hindurch, da die heilige Liturgie nichts anderes ist als die Ausübung dieses Priesteramtes. Wie ihr göttliches Haupt, so ist die Kirche ihren Kindern immerfort gegenwärtig, sie hilft ihnen, mahnt sie zu einem heiligen Leben, damit sie einmal mit dieser übernatürlichen Zier geschmückt zum himmlischen Vater zurückkehren. Die zum irdischen Leben Gebotenen bereichert sie in einer Art von Wiedergeburt mit dem übernatürlichen Leben; für den Kampf gegen den unversöhnlichen Feind stärkt sie dieselben mit der Kraft des Heiligen Geistes; sie ruft die Christen zu den Altären, eifert sie durch wiederholte Einladung an zur andächtigen Feier des eucharistischen Opfers und nährt sie mit der Engelspeise, damit sie immer mehr erstarken; die durch die Sünde Verwundeten und Befleckten söhnt sie aus mit Gott und tröstet sie; die unter dem Antrieb der Gnade zum Priestertum Berufenen weiht sie mit dem rechtmäßigen Ritus. Die aber zur Gründung und zum Aufbau einer christlichen Familie bestimmt sind, deren reine Ehe unterbaut sie mit himmlischen Gnadenpfändern. Nachdem sie endlich für die letzte Stunde des irdischen Daseins durch die eucharistische Wegzehrung und die Heilige Ölung Mut und Kraft verliehen, begleitet sie die sterblichen Überreste ihrer Kinder in liebevoller Gesinnung zu Grabe, bestattet sie ehrfürchtig und stellt sie unter den Schutz des Kreuzes, damit sie einstens nach siegreicher Überwindung des Todes auferstehen. Aber auch jene, die zur Erreichung der religiösen Vollkommenheit sich ganz dem Dienste Gottes weihen, segnet sie mit feierlichem Segen und Gebet. Schließlich reicht sie den Seelen im Fegfeuer, die ihre Fürbitte anrufen, ihre hilfreiche Hand, um sie glücklich der ewigen Seligkeit zuzuführen.

231. Der gesamte Kult, den die Kirche Gott darbringt, muß äußerlich und innerlich sein. Äußerlich, weil es so das Wesen des aus Leib und Seele zusammengesetzten Menschen verlangt; dann weil es von Gott so gefügt ist, daß „dieweil wir Gott mit leiblichem Auge erkennen, er in uns die Liebe zum Unsichtbaren entflammt“[26]; ferner liegt es in unserer Natur, daß alles Seelische sich sinnenhaften Ausdruck gibt; weiterhin ist die Gottesverehrung nicht nur Sache der Einzelnen, sondern ebenso der menschlichen Gemeinschaft und muß deshalb sozialen Charakter tragen, was sie nicht kann, wenn nicht auch der Bereich des Religiösen äußere Bindungen und Kundgebungen kennt. Endlich offenbart das Sinnenfällige in besonderer Weise die Einheit des mystischen Leibes und stellt sie ins rechte Licht, spornt dessen heiligen Eifer an, stärkt seine Kraft und erhöht sein Wirken. „Denn wenn auch die Zeremonien aus sich selbst keine Vollkommenheit und Heiligkeit beinhalten, so sind sie  doch äußere religiöse Akte, durch die der Geist wie durch Zeichen zur Verehrung alles Heiligen angeeifert, der Sinn zum Himmlischen emporgehoben, die Frömmigkeit genährt und die Liebe entflammt wird; durch sie wächst der Glaube und wird die Andacht vertieft; durch sie werden die weniger Gebildeten unterrichtet, der Gottesdienst verschönert, die Religion erhalten und die wahren Gläubigen von den unechten Christen und Irrgläubigen unterschieden“[27].

232. Jedoch ist das Hauptgewicht bei der Gottesverehrung auf das Innere zu verlegen. Wir müssen immer in Christus leben und uns ihm ganz hingeben, damit in ihm, mit ihm und durch ihn dem himmlischen Vater die gebührende Ehre erwiesen werde. Die heilige Liturgie verlangt aber, daß die beiden Elemente aufs engste miteinander verknüpft seien; sie selbst wird nicht müde, das immer und immer wieder zu empfehlen, sooft sie nämlich einen äußeren Akt religiösen Kultes vorschreibt. So mahnt sie uns z. B. beim Fasten, „unser sittliches Verhalten möge das, wovon es nach außen Zeugnis gibt, in unserem Innern verwirklichen“[28]. Sonst wird die Religion zweifelsohne zum leeren Ritus und reinen Formalismus. Wie euch, ehrwürdige Brüder, bekannt ist, hält der göttliche Meister jene des Gotteshauses für unwürdig und möchte sie aus ihm entfernt wissen, die vermeinen, sie könnten allein schon mit klangvollen schönen Stimmen nach Art der Schauspieler Gott verehren, und die sich einbilden, für ihr ewiges Heil ordentlich Sorge zu tragen, auch wenn sie ihre tief eingewurzelten Fehler nicht mit der Wurzel ausrotten[29]. Die Kirche wünscht also, daß alle Christgläubigen sich zu den Füßen des Erlösers niederwerfen, um ihm ihre Verehrung und Liebe zu erzeigen; sie wünscht, daß die Scharen nach dem Beispiel der Jugend, die Christus bei seinem Einzug in Jerusalem mit Freudengesang entgegenzog, lobsingen und dem König der Könige, dem höchsten Geber aller Güter Jubellieder ertönen lassen und Danksagung darbringen; daß ihren Lippen Gebete entströmen, Bittgebete und froher Lobpreis, durch die sie wie die Apostel am See Genesareth seine barmherzige und allmächtige Hilfe anrufen; oder daß sie, wie Petrus auf dem Berge Tabor vom Lichtglanz und der Wonne seliger Beschauung hingerissen, sich und das Ihrige dem Ewigen Gott anheimstellen.

233. Daher haben jene vom wahren Begriff und Sinn der heiligen Liturgie entschieden eine falsche Vorstellung, die unter ihr nur den äußeren und sinnfälligen Teil des Gottesdienstes oder etwa eine würdige Aufmachung von Zeremonien verstehen. Und ebenso gehen jene fehl, die sie nur für eine Sammlung von Gesetzen und Vorschriften halten, wonach die kirchliche Hierarchie die heiligen Riten regelt. Es muß allen eine Selbstverständlichkeit sein, daß Gott nicht würdig verehrt werden kann, wenn nicht Geist und Herz zur Vollkommenheit angeeifert werden, und daß der Kult, den die Kirche in Einheit mit ihrem göttlichen Haupt Gott darbringt, die höchste Wirkkraft zur Weckung wahrer Heiligkeit in sich birgt.

234. Diese Wirkkraft kommt, wo es sich um das eucharistische Opfer und die Sakramente handelt, vor allem und an erster Stelle ex opere operato (aus der heiligen Handlung selbst). Wenn wir hingegen die Funktionen der unversehrten Braut Jesu Christi ins Auge fassen, wodurch sie mit Gebeten und heiligen Zeremonien das eucharistische Opfer und die Sakramente umrankt, oder wenn die Rede ist von den Sakramentalien und den übrigen Riten, die von der kirchlichen Hierarchie angeordnet sind, so kommt die Wirkkraft vor allem ex opere operantis Ecclesiae (aus der Handlung als einer Handlung der Kirche), insofern sie heilig ist und in engster Verbindung mit ihrem Haupte wirkt.

235. In diesem Zusammenhang möchten Wir, ehrwürdige Brüder, eure Aufmerksamkeit auf jene neue Theorie der christlichen Frömmigkeit hinlenken, die man „objektive“ (sachliche) Frömmigkeit nennt; während diese Theorie das Geheimnis des Mystischen Leibes, die wahrhaft heiligende Wirkkraft der Gnade sowie die göttliche Wirkung der Sakramente und des eucharistischen Opfers klar herausstellt, scheint sie dahin zu zielen, die „subjektive“ oder „persönliche“ Andacht herabzumindern oder ganz zu übersehen. In den liturgischen Feiern und besonders im hochheiligen Opfer des Altares wird das Werk unserer Erlösung weitergeführt und seine Frucht uns zugewendet. Christus wirkt in den Sakramenten und in seinem Opfer tagtäglich unser Heil; durch sie entsühnt er jederzeit die Menschheit und weiht sie Gott. Sie besitzen also eine „objektive“ (in ihnen selbst liegende) Kraft, die unseren Seelen das göttliche Leben Jesu Christi tatsächlich mitteilt. Also nicht aus unserer, sondern aus Gottes Kraft wohnt ihnen jene Wirksamkeit inne, welche die gläubige Gesinnung der Glieder mit jener des Hauptes verbindet und sie gewissermaßen zur Haltung der ganzen Gemeinschaft macht. Aus diesen scharfsinnigen Gedankengängen schließen manche, die ganze christliche Frömmigkeit müsse im Geheimnis des Mystischen Leibes Christi ihren Bestand haben ohne „persönliche“ oder „subjektive“ Beziehung; und sie sind sogar der Meinung, die übrigen religiösen Übungen, die nicht eng mit der heiligen Liturgie verbunden sind und sich außerhalb des öffentlichen Kultes vollziehen, seien hintanzusetzen. So richtig nun die oben dargelegten Grundsätze sind, die Schlußfolgerungen bezüglich der beiden Arten von Frömmigkeit erkennt jedermann als irreführend, verfänglich und sehr verderblich.

236. Gewiß ist daran festzuhalten, daß die Sakramente und das Meßopfer eine durchaus innere Kraft in sich bergen, weil sie eben Handlungen Christi sind, welche die Gnade des göttlichen Hauptes den Gliedern des Mystischen Leibes zuleiten und zuteilen; damit sie aber die entsprechende Wirksamkeit haben, muß notwendig von unserer Seite die richtige seelische Verfassung dazukommen. Deshalb mahnt der Apostel Paulus bezüglich der Eucharistie : So prüfe sich denn der Mensch, und dann esse er von dem Brot und trinke aus dem Kelch[30]. Deshalb nennt die Kirche alle Übungen, durch die besonders während der Fastenzeit unser Inneres geläutert wird, „Wachtpostendienst des christlichen Kampflebens“[31], sind sie doch tatkräftige Bemühungen der Glieder, die auf Anregung und mit Hilfe der Gnade ihrem göttlichen Haupt anhangen wollen, damit, wie Augustinus sagt, „uns in unserem Haupte die Quelle der Gnade selbst erscheine“[32]. Aber wohlgemerkt, diese Glieder leben und sind mit eigenem Verstand und freiem Willen begabt; deshalb müssen sie unbedingt selber die Lippen an die Quelle legen, die lebenspendende Nahrung aufnehmen und in sich umwandeln sowie alles ausstoßen, was der Wirksamkeit dieser Nahrung hinderlich sein könnte. Es gilt also: das Erlösungswerk, das in sich etwas von unserem Willen Unabhängiges ist, verlangt unser inneres Mittun, damit wir das ewige Heil erlangen können.

237. Wenn die private und persönliche Frömmigkeit der einzelnen das heilige Meßopfer und die Sakramente vernachlässigt und sich der heilbringenden Kraft entzieht, die vom Haupt in die Glieder strömt, so wird sie zweifelsohne eine verwerfliche und unfruchtbare Sache sein. Wenn aber alle mit der Liturgie nicht eng verbundenen Weisungen und Übungen der Frömmigkeit sich gerade deshalb mit den menschlichen Handlungen befassen, um sie auf den himmlischen Vater hinzurichten, die Menschen heilsam zur Buße und heiligen Gottesfurcht anzueifern, sie von den Verlockungen der Welt und Sünde hinweg und auf steilem Pfade glücklich zum Gipfel der Heiligkeit zu führen, so sind sie wahrlich nicht nur höchsten Lobes würdig, sondern einfachhin notwendig, weil sie nämlich die Gefahren des geistlichen Lebens aufdecken, uns zur Tugendhaftigkeit erziehen und jenes lebendige Streben in uns stärken, wodurch wir uns und all das Unsrige dem Dienste Jesu Christi weihen sollen.

238. Die echte und wahre Frömmigkeit, die der engelgleiche Lehrer „devotio, Hingabe“ nennt und die der hauptsächlichste Akt ist, - durch den wie von selbst im Menschenleben Ordnung und zwar Hinordnung auf Gott geschaffen wird, und durch den die Menschen sich bereitwillig all dem hingeben, was die Gottesverehrung in sich begreift[33] - diese echte Frömmigkeit also bedarf der Betrachtung der übernatürlichen Welt sowie der geistlichen Übungen, damit sie genährt und lebendig erhalten werde, damit sie kräftig sei und uns zu höherer Vollkommenheit ansporne. Die christliche Religion verlangt nämlich, richtig gepflegt, daß vor allem der Wille Gott geweiht werde und mit seiner Kraft auf die übrigen Seelenfähigkeiten einwirke. Nun aber setzt jeder Willensakt Verstandestätigkeit voraus; und bevor das Verlangen und der Vorsatz zustande kommen, sich dem ewigen Gott durch das Opfer zu weihen, ist die Erkenntnis der Tatsachen und Wahrheiten, welche die Gottesverehrung zur Pflicht machen, unbedingt erfordert; dazu gehören z. B. das letzte Ziel des Menschen und die Erhabenheit der göttlichen Majestät, die Pflicht der Unterwerfung unter den Schöpfer, sodann die unergründlichen Schätze der Liebe, mit denen Gott uns zu bereichern wünscht, die Notwendigkeit des übernatürlichen Lebens zur Erreichung des uns gesteckten Zieles und jener besondere, von der göttlichen Vorsehung uns gewiesene Weg, insofern wir ja alle als Glieder des Leibes mit Christus dem Haupte verbunden sind. Weil aber die Beweggründe der Liebe nicht immer über unseren bisweilen von verkehrten Regungen verwirrten Geist Gewalt haben, ist es sehr angebracht, daß die Betrachtung der göttlichen Gerechtigkeit uns in heilsamer Weise erschüttere und uns zu christlicher Demut, Buße und Besserung des Lebens führe.

239. Das alles darf aber nicht in bloßer Erinnerung und in unfruchtbaren Erwägungen versanden, sondern es muß wirksam dahin zielen, unsere Sinne mit ihren Fähigkeiten der von der katholischen Wahrheit erleuchteten Vernunft unterzuordnen, unser Inneres zu entsühnen und zu reinigen, damit es täglich enger mit Christus verbunden, damit es mehr und mehr ihm gleichgestaltet werde und den göttlichen Geist und die göttliche Kraft, deren es bedarf aus ihm schöpfe; alles soll die Menschen immer wirksamer anspornen und entflammen zum Guten, zu treuer Pflichterfüllung, zu religiösem Eifer und zur Tugendübung: Ihr gehört Christus, Christus aber Gott[34]. Alles geschehe deshalb in gehöriger, organischer Ordnung und, um den Ausdruck zu gebrauchen, „theozentrisch“, sofern wir wirklich wollen, daß alles zur Ehre Gottes gereiche durch das Leben, das aus dem göttlichen Haupt in uns einströmt: So haben wir denn, Brüder, kraft des Blutes Jesu die zuversichtliche Hoffnung auf den Eintritt in das Allerheiligste. Das ist der neue Lebensweg, den er uns durch den Vorhang hindurch, nämlich durch sein Fleisch, erschlossen hat. Auch haben wir einen erhabenen Hohenpriester, der über dem Hause Gottes waltet. Laßt uns darum aufrichtigen Sinnes voll Glaubenszuvericht hinzutreten, das Herz gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser. Laßt uns unerschütterlich festhalten am Bekenntnis unserer Hoffnung ... Seien wir auch darauf bedacht, einander zur Liebe und zu guten Werken anzuspornen[35].


Letzte Änderung: 03.05.2012 um 23:03

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