Lehrschreiben

Sacramentum Caritatis - deutscher Text Teil 2

Geschrieben von (ksf) am 06.12.2010
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Eucharistie:
Jesus, das wahre Opferlamm

Der neue und ewige Bund im Blut des Lammes

9. Die Sendung, deretwegen Jesus zu uns gekommen ist, erreicht ihre Erfüllung im Pascha-Mysterium. Bevor er „seinen Geist aufgibt“, sagt er von der Höhe des Kreuzes aus, von der er alle an sich zieht (vgl. Joh 12,32): „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30). In dem Geheimnis seines Gehorsams bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8) wurde der neue und ewige Bund verwirklicht. In seinem gekreuzigten Leib haben sich die Freiheit Gottes und die Freiheit des Menschen in einem unauflöslichen, immerwährenden Bündnis endgültig zusammengefunden. Auch die Sünde des Menschen ist durch den Sohn Gottes ein für allemal gesühnt worden (vgl. Hebr 7,27;1 Joh 2,2; 4,10;). „In seinem Tod am Kreuz vollzieht sich“ – wie ich an anderer Stelle bereits betonte – „jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten – Liebe in ihrer radikalsten Form.“ [18] Im Pascha-Mysterium ist unsere Befreiung vom Bösen und vom Tod tatsächlich Wirklichkeit geworden. Bei der Einsetzung des Altarssakramentes hatte Jesus selbst vom „neuen und ewigen Bund“ gesprochen, der in dem von ihm vergossenen Blut geschlossen wurde (vgl. Mt 26,28; Mk 14,24; Lk 22,20). Dieses letzte Ziel seiner Sendung war bereits zu Beginn seines öffentlichen Lebens sehr deutlich. Als nämlich Johannes der Täufer am Ufer des Jordans Jesus auf sich zukommen sieht, ruft er aus: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ (Joh 1,29). Es ist bezeichnend, daß ebendieses Wort in jeder Meßfeier in dem Augenblick wiederkehrt, da der Priester zum Empfang der Kommunion einlädt: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt! Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!“ Jesus ist das wahre Osterlamm, das sich selbst freiwillig als Opfer für uns dargebracht und so den neuen und ewigen Bund verwirklicht hat. Die Eucharistie enthält in sich diese radikale Neuheit, die uns in jeder Meßfeier neu dargeboten wird. [19]

Die Einsetzung der Eucharistie

10. In dieser Weise werden wir zum Nachdenken über die Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahles geführt. Sie geschah im Rahmen eines rituellen Mahles, das die Gedenkfeier des Gründungsereignisses des Volkes Israel darstellte, der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens. Dieses mit der Opferung der Lämmer verbundene rituelle Mahl (vgl. Ex 12,1-28.43-51) war Erinnerung an die Vergangenheit, doch zugleich auch prophetisches Gedenken, das heißt Verkündigung einer zukünftigen Befreiung. Das Volk hatte nämlich erfahren, daß jene Befreiung noch keine endgültige gewesen war, denn seine Geschichte stand noch zu sehr unter dem Zeichen der Knechtschaft und der Sünde. Das Gedenken der alten Befreiung öffnete sich so der Bitte und Erwartung eines tiefergreifenden Heiles, das grundlegend, umfassend und endgültig sein würde. In diesen Zusammenhang fügt Jesus die Neuheit seiner Gabe ein. Im Lobpreis, der Berakah, dankt er dem Vater nicht nur für die großen Ereignisse der Vergangenheit, sondern auch für seine eigene „Erhöhung“. Indem er das Sakrament der Eucharistie einsetzt, nimmt Jesus das Kreuzesopfer und den Sieg der Auferstehung vorweg und schließt beides in das Sakrament ein. Zugleich offenbart er sich als das wahre Opferlamm, das im Plan des Vaters von Anbeginn der Welt vorgesehen war, wie der Erste Petrusbrief betont (vgl. 1,18-20). Indem Jesus seine Gabe in diesen Zusammenhang stellt, tut er die heilbringende Bedeutung seines Todes und seiner Auferstehung kund, dieses Geheimnisses, das somit zu einer Gegebenheit wird, welche die Geschichte und den gesamten Kosmos erneuert. Tatsächlich zeigt die Einsetzung der Eucharistie, wie dieser an sich gewaltsame und sinnlose Tod in Jesus zum erhabensten Akt der Liebe und zur endgültigen Befreiung der Menschheit vom Bösen geworden ist.

Figura transit in veritatem

11. Auf diese Weise fügt Jesus sein tiefgreifendes novum ins Innere des alten jüdischen Opfermahles ein. Jenes Mahl bedarf für uns Christen keiner Wiederholung. Zu Recht sagten die Väter, daß „figura transit in veritatem“: Was die kommenden Wirklichkeiten vorausverkündete, hat nun der Wahrheit selbst Platz gemacht. Der alte Ritus hat sich erfüllt und ist durch die Liebesgabe des fleischgewordenen Gottessohnes endgültig überholt. Die Speise der Wahrheit, der für uns geopferte Christus, dat figuris terminum. [20] Mit dem Auftrag: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19; 1 Kor 11,25), fordert er uns auf, seiner Gabe zu entsprechen und sie sakramental darzustellen. Mit diesen Worten bringt der Herr sozusagen die Erwartung zum Ausdruck, daß seine Kirche, die aus seinem Opfer hervorgegangen ist, diese Gabe annimmt und unter der Führung des Heiligen Geistes die liturgische Form des Sakramentes entwickelt. Die Gedächtnisfeier seiner vollkommenen Gabe besteht ja nicht in der einfachen Wiederholung des Letzten Abendmahles, sondern eigens in der Eucharistie, das heißt in der radikalen Neuheit des christlichen Kultes. So hat Jesus uns die Aufgabe hinterlassen, in seine „Stunde“ einzutreten: „Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein. Wir empfangen nicht nur statisch den inkarnierten Logos, sondern werden in die Dynamik seiner Hingabe hineingenommen.“ [21] Er „zieht uns in sich hinein.“ [22] Die Wesensverwandlung von Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut bringt in die Schöpfung das Prinzip einer tiefgreifenden Veränderung ein, wie eine Art „Kernspaltung“ – um ein uns heute wohlbekanntes Bild zu benutzen –, die ins Innerste des Seins getragen worden ist, eine Veränderung, die dazu bestimmt ist, einen Prozeß der Verwandlung der Wirklichkeit auszulösen, dessen letztes Ziel die Verklärung der gesamten Welt ist bis zu jenem Zustand, in dem Gott alles in allem sein wird (vgl. 1 Kor 15,28).

Der Heilige Geist und die Eucharistie

Jesus und der Heilige Geist

12. Mit seinem Wort und mit Brot und Wein hat der Herr selbst uns die wesentlichen Elemente des neuen Kultes geschenkt. Die Kirche, seine Braut, ist berufen, das eucharistische Mahl Tag für Tag zu seinem Gedächtnis zu feiern. Sie schreibt auf diese Weise das erlösende Opfer ihres Bräutigams in die Geschichte der Menschen ein und läßt es in allen Kulturen sakramental gegenwärtig werden. Dieses große Geheimnis wird in den liturgischen Formen gefeiert, die die Kirche, vom Heiligen Geist geführt, in Zeit und Raum entwickelt. [23] In diesem Zusammenhang ist es nötig, daß wir in uns das Bewußtsein der entscheidenden Rolle wachrufen, die der Heilige Geist für die Entwicklung der liturgischen Form und für das Vertiefen der göttlichen Geheimnisse spielt. Der Paraklet, die erste Gabe an die Gläubigen, [24] der schon in der Schöpfung am Werk war (vgl. Gen 1,2), ist vollends gegenwärtig im gesamten Leben des fleischgewordenen Wortes: Jesus Christus wurde ja durch das Wirken des Heiligen Geistes von der Jungfrau Maria empfangen (vgl. Mt 1,18; Lk 1,35); zu Beginn seiner öffentlichen Sendung sieht er ihn am Jordanufer in Form einer Taube auf sich herabkommen (vgl. Mt 3,16 und Par.); in ebendiesem Geist handelt, redet und frohlockt er (vgl. Lk 10,21); und in ihm kann er sich selbst als Opfer darbringen (vgl. Hebr 9,14). In den sogenannten, von Johannes aufgezeichneten „Abschiedsreden“ stellt Jesus eine deutliche Beziehung her zwischen der Hingabe seines Lebens im Pascha-Mysterium und der Gabe des Geistes an die Seinen (vgl. Joh 16,7). Als Auferstandener, der die Zeichen der Passion an seinem Leib trägt, kann er mit seinem Hauch den Geist ausströmen (vgl. Joh 20,22) und so die Seinen an der eigenen Sendung beteiligen (vgl. Joh 20,21). Der Geist wird dann die Jünger alles lehren und sie an alles erinnern, was Christus ihnen gesagt hat (vgl. Joh 14,26), denn als Geist der Wahrheit (vgl. Joh 15,26) kommt es ihm zu, die Jünger in die ganze Wahrheit zu führen (vgl. Joh 16,13). In der Apostelgeschichte wird berichtet, daß der Geist am Pfingsttag auf die mit Maria im Gebet versammelten Apostel herabkommt (vgl. 2,1-4) und sie zu der Aufgabe anfeuert, allen Völkern die Frohe Botschaft zu verkünden. Deswegen geschieht es kraft des Geistes, daß Christus selbst in seiner Kirche von ihrer Lebensmitte, der Eucharistie, aus gegenwärtig und wirkend bleibt.

Heiliger Geist und Eucharistiefeier

13. Vor diesem Hintergrund wird die entscheidende Rolle des Heiligen Geistes in der Eucharistiefeier und speziell in bezug auf die Transsubstantiation verständlich. Ein entsprechendes Bewußtsein ist bei den Kirchenvätern deutlich nachweisbar. Der hl. Cyrill von Jerusalem erinnert in seinen Katechesen daran, daß wir „den barmherzigen Gott anrufen, seinen Heiligen Geist auf die vor uns liegenden Opfergaben herabzusenden, damit er das Brot in den Leib Christi und den Wein in das Blut Christi verwandle. Was der Heilige Geist berührt, ist geheiligt und völlig verwandelt.“ [25] Auch der hl. Johannes Chrysostomus weist darauf hin, daß der Priester den Heiligen Geist anruft, wenn er das Opfer feiert [26]: Wie Elias, der Diener Gottes, so ruft er den Heiligen Geist herbei – sagt er –, damit „wenn die Gnade auf das Opfer herabkommt, die Seelen aller durch sie entzündet werden.“ [27] Von größter Wichtigkeit für das geistliche Leben der Gläubigen ist eine klarere Kenntnis des Reichtums der Anaphora: Neben den von Christus beim Letzten Abendmahl gesprochenen Worten enthält sie die Epiklese als Bitte an den Vater, die Gabe des Geistes herabzusenden, damit Brot und Wein zum Leib und zum Blut Jesu Christi werden und „die ganze Gemeinde immer mehr Leib Christi werde“. [28] Der Geist, der vom Zelebranten auf die auf den Altar gelegten Gaben von Brot und Wein herabgerufen wird, ist derselbe, der die Gläubigen in „einem Leib“ vereint und sie zu einem geistigen Opfer macht, das dem Vater wohlgefällt. [29]

Eucharistie und Kirche

Eucharistie – Kausalprinzip der Kirche

14. Durch das eucharistische Sakrament nimmt Jesus die Gläubigen in seine „Stunde“ hinein; auf diese Weise zeigt er uns die Bindung, die er zwischen sich und uns, zwischen seiner Person und der Kirche beabsichtigte. Tatsächlich hat Christus selbst im Kreuzesopfer die Kirche gezeugt als seine Braut und seinen Leib. Die Kirchenväter haben ausgiebig meditiert über die Beziehung zwischen dem Ursprung Evas aus der Seite des schlafenden Adam (vgl. Gen 2,21-23) und dem der neuen Eva, der Kirche, aus der geöffneten Seite Christi, der im Schlaf des Todes versunken war: Aus der durchbohrten Seite – erzählt Johannes – floß Blut und Wasser heraus (vgl. Joh 19,34), ein Symbol der Sakramente. [30] Ein kontemplativer Blick „auf den … den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37) bringt uns zum Nachdenken über die kausale Verbindung zwischen dem Opfer Christi, der Eucharistie und der Kirche. In der Tat: „Die Kirche lebt von der Eucharistie“. [31] Da in ihr das erlösende Opfer Christi gegenwärtig wird, muß man vor allem erkennen, daß sich „ein ursächlicher Einfluß der Eucharistie … an den direkten Ursprüngen der Kirche“ zeigt. [32] Die Eucharistie ist Christus, der sich uns schenkt und uns so fortwährend als seinen Leib aufbaut. Darum ist in der eindrucksvollen Wechselwirkung zwischen der Eucharistie, welche die Kirche aufbaut, und der Kirche selbst, welche die Eucharistie vollzieht, [33] die Erstursache jene, die in der ersten Formulierung ausgedrückt ist: Die Kirche kann das Mysterium des in der Eucharistie gegenwärtigen Christus eben deshalb feiern und anbeten, weil zuerst Christus selbst sich ihr im Kreuzesopfer geschenkt hat. Die Möglichkeit der Kirche, die Eucharistie zu „verwirklichen“, ist ganz und gar verwurzelt in der Selbsthingabe Christi an sie. Auch hier entdecken wir einen überzeugenden Aspekt der Formulierung des heiligen Johannes: „Er hat uns zuerst geliebt“ (vgl. 1 Joh 4,19). So bekennen auch wir in jeder Feier den Vorrang der Gabe Christi. Der kausale Einfluß der Eucharistie auf den Ursprung der Kirche verdeutlicht schließlich das nicht nur chronologische, sondern auch ontologische Zuvorkommen seiner Liebe, mit der er uns „zuerst geliebt“ hat. Er ist in Ewigkeit derjenige, welcher uns zuerst liebt.

Eucharistie und kirchliche Communio

15. Die Eucharistie ist also grundlegend für das Sein und Handeln der Kirche. Deshalb bezeichnete das christliche Altertum den von der Jungfrau Maria geborenen Leib, den eucharistischen Leib und den kirchlichen Leib Christi mit ein und demselben Begriff als Corpus Christi. [34] Dieses in der Überlieferung stark vertretene Faktum verhilft uns zu einem vermehrten Bewußtsein der Untrennbarkeit von Christus und der Kirche. Indem unser Herr Jesus sich selbst als Opfer für uns hingegeben hat, hat er in seiner Gabe wirkungsvoll auf das Geheimnis der Kirche hingedeutet. Es ist bezeichnend, daß das zweite Eucharistische Hochgebet mit der Epiklese nach der Konsekration die Bitte um die Einheit der Kirche in folgenden Worten verbindet: „Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und laß uns eins werden durch den Heiligen Geist.“ Diese Formulierung läßt deutlich werden, daß die res des eucharistischen Sakramentes die Einheit der Gläubigen in der kirchlichen Gemeinschaft ist. So zeigt sich die Eucharistie an der Wurzel der Kirche als Geheimnis der Communio. [35]

Auf die Beziehung zwischen Eucharistie und Communio hatte schon der Diener Gottes Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Ecclesia de Eucharistia aufmerksam gemacht. Er bezeichnete die Gedächtnisfeier Christi als „die höchste sakramentale Darstellung der Gemeinschaft in der Kirche“ [36]. Die Einheit der kirchlichen Gemeinschaft zeigt sich konkret in den christlichen Gemeinden und erneuert sich im eucharistischen Akt, der sie vereint und in Teilkirchen unterscheidet, „in quibus et ex quibus una et unica Ecclesia catholica exsistit.“ [37] Gerade die Realität der einen Eucharistie, die in jeder Diözese um den jeweils eigenen Bischof gefeiert wird, macht uns verständlich, wie die Teilkirchen selbst in und ex Ecclesia bestehen. „Die Einzigkeit und Unteilbarkeit des eucharistischen Herrenleibes schließt die Einzigkeit seines mystischen Leibes, der einen und unteilbaren Kirche, ein. Aus der eucharistischen Mitte ergibt sich die notwendige Offenheit jeder feiernden Gemeinde, jeder Teilkirche: Angezogen von den offenen Armen des Herrn, wird sie in seinen einzigen und unteilbaren Leib eingegliedert.“ [38] Aus diesem Grund befindet sich bei der Eucharistiefeier jeder Gläubige in seiner Kirche, das heißt in der Kirche Christi. Aus dieser recht verstandenen eucharistischen Sicht erweist sich die kirchliche Communio als eine von Natur aus katholische Wirklichkeit. [39] Diese eucharistische Wurzel der kirchlichen Gemeinschaft hervorzuheben, kann auch ein wirksamer Beitrag sein zum ökumenischen Dialog mit den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit dem Sitz Petri stehen. Die Eucharistie knüpft nämlich objektiv ein starkes Band der Einheit zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen, die das unverfälschte und vollständige Wesen des Mysteriums der Eucharistie bewahrt haben. Zugleich kann die Betonung des ekklesialen Charakters der Eucharistie ein bevorzugtes Element im Dialog auch mit den aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften werden. [40]

Eucharistie und Sakramente

Die Sakramentalität der Kirche

16. Das Zweite Vatikanische Konzil hat daran erinnert, daß „mit der Eucharistie die übrigen Sakramente im Zusammenhang [stehen]; auf die Eucharistie sind sie hingeordnet; das gilt auch für die kirchlichen Dienste und für die Apostolatswerke. Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben; so werden sie ermuntert und angeleitet, sich selbst, ihre Arbeiten und die ganze Schöpfung mit ihm darzubringen.“ [41] Diese innerste Verbindung der Eucharistie mit allen anderen Sakramenten und mit dem christlichen Leben wird in ihrer Wurzel verstanden, wenn man das Geheimnis der Kirche selbst als Sakrament betrachtet. [42] Das Konzil hat in diesem Zusammenhang bekräftigt: „Die Kirche ist … in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ [43] Als das – wie der hl. Cyprian sagt – „von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ [44] ist sie Sakrament der trinitarischen Communio.

Die Tatsache, daß die Kirche „allumfassendes Heilssakrament“ [45] ist, zeigt, wie die sakramentale „Ökonomie“ letztlich die Art bestimmt, in der Christus, der einzige Retter, durch den Geist unser Leben in der Besonderheit seiner Umstände erreicht. Die Kirche empfängt sich und drückt sich zugleich aus in den sieben Sakramenten, durch die die Gnade Gottes konkret auf das Sein der Gläubigen einwirkt, damit das ganze, von Christus erlöste Leben ein Gott wohlgefälliger Kult werde. In dieser Sicht möchte ich einige von den Synodenvätern hervorgehobene Elemente unterstreichen, die hilfreich sein können, um die Beziehung aller Sakramente zum eucharistischen Mysterium zu verstehen.

I. Eucharistie und christliche Initiation

Eucharistie, Fülle der christlichen Initiation

17. Wenn die Eucharistie wirklich Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche ist, folgt daraus vor allem, daß der Weg christlicher Initiation darauf ausgerichtet ist, die Möglichkeit des Zugangs zu diesem Sakrament zu verschaffen. Wie die Synodenväter sagten, müssen wir uns in diesem Zusammenhang fragen, ob in unseren christlichen Gemeinden die enge Verbindung von Taufe, Firmung und Eucharistie ausreichend wahrgenommen wird. [46] Man darf nämlich nie vergessen, daß wir im Hinblick auf die Eucharistie getauft und gefirmt werden. Das bringt die Verpflichtung mit sich, in der pastoralen Praxis ein Verständnis zu fördern, das mehr die Einheit des gesamten christlichen Initiationsweges im Auge hat. Das Sakrament der Taufe, mit dem wir Christus gleichgestaltet, [47] in die Kirche aufgenommen und Kinder Gottes werden, ist die Eingangstür zu allen Sakramenten. Mit ihm werden wir in den einen Leib Christi (vgl. 1 Kor 12,13), in das priesterliche Volk, eingegliedert. Dennoch ist es die Teilnahme am eucharistischen Opfer, die in uns vervollkommnet, was uns in der Taufe geschenkt wurde. Auch die Gaben des Geistes werden zum Aufbau des Leibes Christi (vgl. 1 Kor 12) und zum größeren evangelischen Zeugnis in der Welt verliehen. [48] Darum führt die Heiligste Eucharistie die christliche Initiation zu ihrer Fülle und stellt die Mitte und das Ziel des gesamten sakramentalen Lebens dar. [49]

Die Reihenfolge der Initiations-Sakramente

18. In diesem Zusammenhang ist es nötig, die Aufmerksamkeit dem Thema der Reihenfolge der Initiations-Sakramente zuzuwenden. Es gibt in der Kirche diesbezüglich unterschiedliche Traditionen. Diese Verschiedenheit tritt offen zutage in den kirchlichen Bräuchen des Ostens [50] und selbst in der westlichen Praxis, was die Initiation Erwachsener [51] im Vergleich zu der von Kindern [52] angeht. Solche Differenzierungen haben jedoch keinen eigentlich dogmatischen Stellenwert, sondern sind pastoraler Art. Konkret muß geklärt werden, welche Praxis den Gläubigen tatsächlich am besten helfen kann, das Sakrament der Eucharistie als die Wirklichkeit, auf die die gesamte Initiation zustrebt, in den Mittelpunkt zu stellen. Die Bischofskonferenzen mögen in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Dikasterien der Römischen Kurie die Wirksamkeit der aktuellen Initiationswege überprüfen, damit den Christen durch die erzieherische Tätigkeit unserer Gemeinden geholfen werde, in einem fortschreitenden Reifungsprozeß zu einer authentisch eucharistischen Lebenseinstellung zu gelangen, um so fähig zu sein, in einer unserer Zeit angemessenen Weise jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15).

Initiation, kirchliche Gemeinschaft und Familie

19. Immer sollte man sich vergegenwärtigen, daß die gesamte christliche Initiation ein Weg der Umkehr ist, der mit der Hilfe Gottes und in ständiger Bezugnahme auf die kirchliche Gemeinschaft zu vollziehen ist, sei es, wenn Erwachsene um Aufnahme in die Kirche bitten, wie es an Orten der Erstevangelisierung oder in vielen säkularisierten Regionen geschieht, sei es, wenn Eltern die Sakramente für ihre Kinder erbitten. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem auf die Beziehung zwischen christlicher Initiation und Familie aufmerksam machen. Im pastoralen Wirken muß man die christliche Familie immer am Weg der Initiation beteiligen. Der Empfang der Taufe, der Firmung und der ersten Heiligen Kommunion sind entscheidende Momente nicht nur für die Person, welche das Sakrament empfängt, sondern auch für die ganze Familie, die in ihrer Erziehungsaufgabe von der kirchlichen Gemeinschaft in ihren verschiedenen Komponenten unterstützt werden muß. [53] Hier möchte ich die Wichtigkeit der Erstkommunion hervorheben. Sehr vielen Gläubigen bleibt dieser Tag zu Recht tief in der Erinnerung haften als der erste Augenblick, in dem sie, wenn auch nur anfänglich, die Bedeutung der persönlichen Begegnung mit Jesus wahrgenommen haben. Die Seelsorge in der Pfarrei muß diese so bedeutsame Gelegenheit in angemessener Weise nutzen.

II. Eucharistie und Sakrament der Versöhnung

Ihre innere Verbindung

20. Zu Recht haben die Synodenväter erklärt, daß die Liebe zur Eucharistie dazu führt, auch das Sakrament der Versöhnung immer mehr zu schätzen. [54] Aufgrund der Verbindung zwischen diesen Sakramenten kann eine authentische Katechese über den Sinn der Eucharistie nicht losgelöst sein von der Ermunterung zu einem Weg der Buße (vgl. 1 Kor 11,27-29). Sicher, wir stellen fest, daß die Gläubigen in unserer Zeit in eine Kultur eingetaucht sind, die dazu neigt, das Empfinden für die Sünde auszulöschen, [55] indem sie eine oberflächliche Haltung fördert, die vergessen läßt, daß es notwendig ist, in Gottes Gnade zu stehen, um die Kommunion würdig empfangen zu können. [56] In Wirklichkeit bringt der Verlust des Sündenbewußtseins immer auch eine gewisse Oberflächlichkeit in der Wahrnehmung der Liebe Gottes mit sich. Es ist den Gläubigen von großem Nutzen, sich die Elemente ins Gedächtnis zu rufen, die innerhalb des Ritus der heiligen Messe das Bewußtsein der eigenen Sünde und zugleich das der Barmherzigkeit Gottes eindeutig zum Ausdruck bringen. [57] Außerdem erinnert uns die Beziehung zwischen Eucharistie und Versöhnung daran, daß die Sünde niemals eine ausschließlich individuelle Angelegenheit ist; sie bringt immer auch eine Verletzung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft mit sich, in die wir dank der Taufe eingegliedert sind. Darum ist die Versöhnung, wie die Väter sagten, laboriosus quidam baptismus, [58] womit sie unterstrichen, daß das Ergebnis des Weges der Umkehr auch die Wiederherstellung der vollen kirchlichen Gemeinschaft ist, die im erneuten Empfang der Eucharistie zum Ausdruck kommt. [59]

Einige pastorale Anweisungen

21. Die Synode hat daran erinnert, daß es die pastorale Aufgabe des Bischofs ist, in seiner Diözese eine entschiedene Wiederbelebung der Erziehung zur Umkehr anzuregen, die sich aus der Eucharistie ergibt, und unter den Gläubigen die häufige Beichte zu fördern. Alle Priester sollen sich großzügig mit Engagement und Kompetenz der Spendung des Sakramentes der Versöhnung widmen. [60] In diesem Zusammenhang muß darauf geachtet werden, daß die Beichtstühle in unseren Kirchen gut sichtbar sind und die Bedeutung dieses Sakramentes zum Ausdruck bringen. Ich bitte die Hirten, die Art des Vollzugs des Sakramentes der Versöhnung aufmerksam zu überwachen und die Praxis der Generalabsolution ausschließlich auf die eigens vorgesehenen Fälle zu beschränken, [61] da nur die persönliche Lossprechung die ordnungsgemäße Form darstellt. [62] Angesichts der Notwendigkeit der Wiederentdeckung der sakramentalen Vergebung sollte es in allen Diözesen immer den Pönitentiar geben. [63] Schließlich kann eine wertvolle Hilfe für die erneute Bewußtmachung der Beziehung zwischen Eucharistie und Versöhnung eine ausgeglichene und vertiefte Praxis des für sich selbst oder für die Verstorbenen gewonnenen Ablasses sein. Mit ihm erhält man „vor Gott den Nachlaß der zeitlichen Strafe für die Sünden, die – was die Schuld betrifft – schon vergeben sind.“ [64] Die Inanspruchnahme der Ablässe hilft uns verstehen, daß wir allein mit unseren Kräften niemals imstande wären, das begangene Böse wiedergutzumachen, und daß die Sünden jedes Einzelnen der ganzen Gemeinschaft Schaden zufügen. Darüber hinaus verdeutlicht uns die Ablaß-Praxis, da sie außer der Lehre von den unendlichen Verdiensten Christi auch die von der Gemeinschaft der Heiligen einschließt, „wie eng wir in Christus miteinander vereint sind und wie sehr das übernatürliche Leben jedes Einzelnen den anderen nützen kann“. [65] Da ihre Form unter den Bedingungen den Empfang des Beichtsakramentes und der Kommunion vorsieht, kann ihre Übung die Gläubigen auf dem Weg der Umkehr und bei der Entdeckung der Zentralität der Eucharistie im christlichen Leben wirkungsvoll unterstützen.


Letzte Änderung: 07.12.2010 um 19:44

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