Lehrschreiben
Sacramentum Caritatis - deutscher Text Teil 4 |
Geschrieben von (ksf) am 06.12.2010 |
EUCHARISTIE, EIN GEHEIMNIS,
DAS MAN FEIERT
»Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel« (Joh 6,32)
Lex orandi und lex credendi
34. Die Bischofssynode hat viel über die innere Beziehung zwischen eucharistischem Glauben und liturgischer Feier nachgedacht. Sie hat dabei die Verknüpfung von lex orandi und lex credendi hervorgehoben und den Vorrang der liturgischen Handlung betont. Man muß die Eucharistie als authentisch gefeiertes Glaubensgeheimnis erleben, in dem klaren Bewußtsein, daß „der intellectus fidei ... von Anfang an immer mit der liturgischen Handlung [der Kirche] verbunden“ ist. [105] In diesem Bereich kann die theologische Reflexion niemals von der sakramentalen Ordnung absehen, die von Christus selbst eingesetzt ist. Andererseits kann die liturgische Handlung niemals allgemein betrachtet werden, unabhängig vom Glaubensgeheimnis. Die Quelle unseres Glaubens und der eucharistischen Liturgie ist ja ein und dasselbe Ereignis: die Selbsthingabe Christi im Pascha-Mysterium.
Schönheit und Liturgie
35. Die Beziehung zwischen geglaubtem und gefeiertem Mysterium zeigt sich in besonderer Weise im theologischen und liturgischen Wert der Schönheit. Die Liturgie hat nämlich, wie übrigens auch die christliche Offenbarung, eine innere Verbindung zur Schönheit: Sie ist veritatis splendor. In der Liturgie leuchtet das Pascha-Mysterium auf, durch das Christus selbst uns zu sich hinzieht und uns zur Gemeinschaft ruft. In Jesus betrachten wir – wie der hl. Bonaventura zu sagen pflegte – die Schönheit und den Glanz des Ursprungs. [106] Dieses Merkmal, auf das wir uns berufen, ist nicht nur bloßer Ästhetizismus, sondern eine Art und Weise, wie die Wahrheit der Liebe Gottes in Christus uns erreicht, uns fasziniert, uns begeistert und so bewirkt, daß wir aus uns herausgehen und zu unserer wahren Berufung hingezogen werden: zur Liebe. [107] Schon in der Schöpfung läßt Gott sich erahnen in der Schönheit und der Harmonie des Kosmos (vgl. Weish 13,5; Röm 1,19-20). Im Alten Testament finden wir dann eingehende Zeichen des Glanzes der Macht Gottes, der sich mit seiner Herrlichkeit durch die Wunder offenbart, die er im erwählten Volk geschehen läßt (vgl. Ex 14; 16,10; 24,12-18; Num 14,20-23). Im Neuen Testament findet diese Epiphanie der Schönheit ihre endgültige Erfüllung in der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus [108]: Er ist die vollständige Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit. In der Verherrlichung des Sohnes leuchtet die Herrlichkeit des Vaters auf und überträgt sich (vgl. Joh 1,14; 8,54; 12,28; 17,1). Diese Schönheit ist jedoch nicht eine bloße Harmonie der Formen; „der Schönste von allen Menschen“ (Ps 45 [44],3) ist geheimnisvollerweise auch derjenige, der „keine schöne und edle Gestalt“ hatte, „so daß wir ihn anschauen mochten“ (Jes 53,2). Jesus Christus zeigt uns, wie die Wahrheit der Liebe auch das dunkle Geheimnis des Todes in das strahlende Licht der Auferstehung zu verklären vermag. Hier überragt der Glanz der Herrlichkeit Gottes jede innerweltliche Schönheit. Die wahre Schönheit ist die Liebe Gottes, die sich uns endgültig im Pascha-Mysterium offenbart hat.
Die Schönheit der Liturgie ist Teil dieses Geheimnisses; sie ist höchster Ausdruck der Herrlichkeit Gottes und stellt in gewissem Sinne ein Sich-Herunterbeugen des Himmels auf die Erde dar. Die Gedächtnisfeier des Erlösungsopfers trägt die Züge jener Schönheit Jesu in sich, die Petrus, Jakobus und Johannes uns bezeugt haben, als der Meister sich auf dem Weg nach Jerusalem vor ihnen verklärte (vgl. Mk 9,2). Die Schönheit ist demnach nicht ein dekorativer Faktor der liturgischen Handlung; sie ist vielmehr ein für sie konstitutives Element, insofern sie eine Eigenschaft Gottes selbst und seiner Offenbarung ist. All das muß uns bewußt machen, mit welcher Sorgfalt darauf zu achten ist, daß die liturgische Handlung ihrem Wesen gemäß erstrahlt.
Die Eucharistiefeier, ein Werk
des »Christus totus«
Christus totus in capite et in corpore
36. Das eigentliche Subjekt der inneren Schönheit der Liturgie ist der auferstandene und im Heiligen Geist verherrlichte Christus, der die Kirche in sein Handeln einschließt. [109] In diesem Zusammenhang ist es recht eindrucksvoll, sich die Worte des hl. Augustinus ins Gedächtnis zu rufen, die in wirkungsvoller Weise diese der Eucharistie eigene Dynamik des Glaubens beschreiben. Der große Heilige von Hippo hebt gerade in bezug auf das eucharistische Mysterium hervor, wie Christus selbst uns in sich aufnimmt: „Das Brot, das ihr auf dem Altar seht, ist, geheiligt durch das Wort Gottes, der Leib Christi. Der Kelch, oder besser: das, was der Kelch enthält, ist, geheiligt durch das Wort Gottes, Blut Christi. Mit diesen [Zeichen] wollte Christus, der Herr, uns seinen Leib anvertrauen und sein Blut, das er für uns zur Vergebung der Sünden vergossen hat. Wenn ihr beides in rechter Weise empfangen habt, seid ihr selber das, was ihr empfangen habt.“ [110] Darum „sind wir nicht nur Christen geworden, sondern wir sind Christus selbst geworden“. [111] Von hier aus können wir das geheimnisvolle Handeln Gottes betrachten, das zur tiefen Einheit zwischen uns und Jesus, dem Herrn, führt: „Man muß nämlich nicht glauben, Christus sei im Haupt, ohne auch im Leib zu sein: Er ist ganz und gar im Haupt und im Leib.“ [112]
Eucharistie und der auferstandene Christus
37. Da die eucharistische Liturgie wesentlich actio Dei ist, die uns durch den Geist in Jesus hineinzieht, ist ihr Fundament unserer Willkür entzogen und darf nicht die Erpressung durch Modeströmungen des jeweiligen Augenblicks erfahren. Auch hier gilt die unumstößliche Aussage des hl. Paulus: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor 3,11). Und wiederum ist es der Völkerapostel, der uns in Bezug auf die Eucharistie versichert, er überliefere uns nicht eine von ihm selbst entwickelte Lehre, sondern das, was er seinerseits empfangen habe (vgl. 1 Kor 11,23). Die Feier der Eucharistie schließt nämlich die lebendige Überlieferung ein. Die Kirche feiert das eucharistische Opfer im Gehorsam gegenüber dem Auftrag Christi, ausgehend von der Erfahrung des Auferstandenen und der Ausgießung des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund versammelt sich die christliche Gemeinde zur fractio panis von Anfang an am Tag des Herrn. Der Tag, an dem Christus von den Toten auferstanden ist, der Sonntag, ist auch der erste Tag der Woche, derjenige, in dem die alttestamentliche Überlieferung den Beginn der Schöpfung sah. Der Tag der Schöpfung ist nun der Tag der „neuen Schöpfung“ geworden, der Tag unserer Befreiung, an dem wir des gestorbenen und auferstandenen Christus gedenken. [113]
38. Während der Synodenarbeit ist mehrfach nachdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, jede mögliche Trennung zwischen der ars celebrandi, d. h. der Kunst des rechten Zelebrierens, und der vollen, aktiven und fruchtbaren Teilnahme aller Gläubigen zu überwinden. Tatsächlich ist die geeignetste Methode, die Teilnahme des Gottesvolkes am sakralen Ritus zu begünstigen, den Ritus selbst in angemessener Weise zu feiern. Die ars celebrandi ist die beste Bedingung für die actuosa participatio. [114] Die ars celebrandi entspringt aus dem treuen Gehorsam gegenüber den liturgischen Normen in ihrer Vollständigkeit, denn gerade diese Art zu zelebrieren ist es, die seit zweitausend Jahren das Glaubensleben aller Gläubigen sicherstellt, die dazu berufen sind, die Zelebration als Gottesvolk, als königliches Priestertum, als heiliger Stamm zu erleben (vgl. 1 Petr 2,4-5.9). [115]
Der Bischof, Liturge schlechthin
39. Auch wenn das ganze Gottesvolk an der eucharistischen Liturgie teilnimmt, kommt jedoch in bezug auf die rechte ars celebrandi denen, die das Sakrament der Weihe empfangen haben, eine unumgängliche Aufgabe zu. Bischöfe, Priester und Diakone müssen – jeder seinem Grad entsprechend – die Zelebration als ihre Hauptpflicht betrachten. [116] Das betrifft vor allem den Diözesanbischof: Er ist nämlich „der erste Spender der Geheimnisse Gottes in der ihm anvertrauten Teilkirche, ist der Leiter, Förderer und Hüter des gesamten liturgischen Lebens“. [117] All das ist für das Leben der Teilkirche entscheidend, nicht nur, weil die Gemeinschaft mit dem Bischof die Bedingung für die Rechtmäßigkeit jeder Zelebration auf seinem Gebiet ist, sondern auch, weil er selbst der Liturge seiner Kirche schlechthin ist. [118] Ihm obliegt es, die harmonische Einheit der Zelebrationen in seiner Diözese zu bewahren. Darum ist es „seine Sache, darauf zu achten, daß die Priester, die Diakone und die christgläubigen Laien den eigentlichen Sinn der liturgischen Riten und der Texte immer tiefer verstehen und so zur tätigen und fruchtbaren Feier der Eucharistie geführt werden“. [119] Im besonderen ermahne ich, das Nötige zu tun, damit die vom Bischof abgehaltenen liturgischen Feiern in der Kathedral-Kirche in voller Beachtung der ars celebrandi geschehen, so daß sie als Vorbild für alle über das Gebiet verstreuten Kirchen betrachtet werden können. [120]
Die Beachtung der liturgischen Bücher und des Reichtums der Zeichen
40. Mit der Betonung der Wichtigkeit der ars celebrandi wird folglich auch die Bedeutung der liturgischen Vorschriften deutlich. [121] Die ars celebrandi muß das Gespür für das Heilige fördern und sich äußerer Formen bedienen, die zu diesem Gespür erziehen, zum Beispiel der Harmonie des Ritus, der liturgischen Gewänder, der Ausstattung und des heiligen Ortes. Dort, wo die Priester und die für die liturgische Pastoral Verantwortlichen sich bemühen, die gültigen liturgischen Bücher und die entsprechenden Vorschriften bekannt zu machen und den großen Reichtum der Allgemeinen Einführung in das Römische Meßbuch und der Leseordnung für die Feier der heiligen Messe hervorheben, gereicht das der Eucharistiefeier sehr zum Vorteil. In den kirchlichen Gemeinschaften setzt man deren Kenntnis und rechte Wertschätzung wahrscheinlich voraus, doch oft zu Unrecht. In Wirklichkeit sind es Texte, welche Schätze enthalten, die den Glauben und den Weg des Gottesvolkes in den zweitausend Jahren seiner Geschichte bewahren und darstellen. Ebenso wichtig für eine rechte ars celebrandi ist die Beachtung aller von der Liturgie vorgesehenen Ausdrucksformen: Wort und Gesang, Gesten und Schweigen, Körperbewegung, liturgische Farben der Paramente. Die Liturgie besitzt tatsächlich von Natur aus eine Vielfalt von Registern zur Mitteilung, die es ihr ermöglichen, die Einbeziehung des ganzen Menschen anzustreben. Die Einfachheit der Gesten und die Nüchternheit der in der vorgesehenen Reihenfolge und im gegebenen Moment gesetzten Zeichen vermitteln mehr und beteiligen stärker als die Künstlichkeit unangebrachter Hinzufügungen. Achtung und Folgsamkeit gegenüber der Eigenstruktur des Ritus drücken die Anerkennung des Geschenk-Charakters der Eucharistie aus und offenbaren zugleich den Willen des Priesters, in Demut und Dankbarkeit die unbeschreibliche Gabe anzunehmen.
Kunst im Dienst der Zelebration
41. Die tiefe Verbindung von Schönheit und Liturgie muß uns zu einer aufmerksamen Betrachtung aller in den Dienst der Zelebration gestellten künstlerischen Ausdrucksmittel anregen. [122] Eine wichtige Komponente sakraler Kunst ist natürlich die Architektur der Kirchen, [123] in denen die Einheit der besonderen Elemente des Presbyteriums – Altar, Kruzifix, Tabernakel, Ambo und Sitz – hervortreten muß. In diesem Zusammenhang muß man berücksichtigen, daß der Zweck der sakralen Architektur darin besteht, der Kirche, welche die Glaubensgeheimnisse – und speziell die Eucharistie – feiert, den am besten geeigneten Raum für den angemessenen Ablauf ihrer liturgischen Handlung zu bieten. [124] Das Wesen des christlichen Gotteshauses ist nämlich durch die liturgische Handlung selbst definiert, die das Sich-Versammeln der Gläubigen (ecclesia) einschließt, welche die lebendigen Steine des Tempels sind (vgl. 1 Petr 2,5).
Das gleiche Prinzip gilt allgemein für alle sakrale Kunst, besonders für Malerei und Bildhauerei, in denen die religiöse Ikonographie sich an der sakramentalen Mystagogie orientieren muß. Eine vertiefte Kenntnis der Formen, welche die sakrale Kunst im Laufe der Jahrhunderte hervorgebracht hat, kann denen sehr hilfreich sein, die gegenüber Architekten und Künstlern die Verantwortung der Auftragsvergabe für Kunstwerke haben, die mit der liturgischen Handlung verbunden sind. Darum ist es unverzichtbar, daß zur Ausbildung der Seminaristen und der Priester als wichtige Disziplin die Kunstgeschichte gehört, mit einem besonderen Verweis auf die kultischen Bauten im Licht der liturgischen Vorschriften. Kurzum, es ist notwendig, daß in allem, was die Eucharistie betrifft, guter Geschmack für das Schöne herrsche. Achtung und Sorgfalt müssen auch den Paramenten, den Kirchengeräten und den heiligen Gefäßen gelten, damit sie, organisch miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt, das Staunen angesichts des Mysteriums Gottes lebendig halten, die Einheit des Glaubens verdeutlichen und die Frömmigkeit stärken. [125]
Der liturgische Gesang
42. Einen bedeutenden Platz in der ars celebrandi nimmt der liturgische Gesang ein. [126] Zu Recht bekräftigt der hl. Augustinus in einer seiner berühmten Reden: „Der neue Mensch weiß, welches das neue Lied ist. Das Singen ist Ausdruck der Freude und – wenn wir ein wenig aufmerksamer darüber nachdenken – ist Ausdruck der Liebe.“ [127] Das zur Feier versammelte Gottesvolk singt das Lob Gottes. Die Kirche hat in ihrer zweitausendjährigen Geschichte Instrumental- und Vokalmusik geschaffen – und schafft sie immer noch –, die ein Erbe an Glauben und Liebe darstellt, das nicht verlorengehen darf. In der Liturgie können wir wahrlich nicht sagen, daß alle Gesänge gleich gut sind. In diesem Zusammenhang muß die oberflächliche Improvisation oder die Einführung musikalischer Gattungen vermieden werden, die den Sinn der Liturgie nicht berücksichtigen. In seiner Eigenschaft als liturgisches Element hat sich der Gesang in die besondere Form der Zelebration einzufügen. [128] Folglich muß alles – im Text, in der Melodie und in der Ausführung – dem Sinn des gefeierten Mysteriums, den Teilen des Ritus und den liturgischen Zeiten entsprechen. [129] Schließlich möchte ich, obwohl ich die verschiedenen Orientierungen und die sehr lobenswerten unterschiedlichen Traditionen berücksichtige, daß entsprechend der Bitte der Synodenväter der gregorianische Choral angemessen zur Geltung gebracht wird, [130] da dies der eigentliche Gesang der römischen Liturgie ist. [131]
Die Struktur der Eucharistiefeier
43. Nachdem ich die tragenden Elemente der ars celebrandi erwähnt habe, die bei den Synodenarbeiten zum Vorschein kamen, möchte ich die Aufmerksamkeit eingehender auf einige Teile der Struktur der Eucharistiefeier lenken, die in unserer Zeit einer besonderen Sorgfalt bedürfen, mit dem Ziel, dem Grundanliegen der vom Zweiten Vatikanischen Konzil angeregten liturgischen Erneuerung in Kontinuität mit der ganzen großen kirchlichen Überlieferung treu zu bleiben.
Die innere Einheit der liturgischen Handlung
44. Zuallererst ist es nötig, über die innere Einheit des Ritus der heiligen Messe nachzudenken. Sowohl in der Katechese als auch in der Art der Zelebration muß vermieden werden, daß der Eindruck zweier nebeneinander gestellter Teile vermittelt wird. Wortgottesdienst und eucharistische Liturgie sind – neben den Einführungs- und Schlußriten – „so eng miteinander verbunden, daß sie eine gottesdienstliche Einheit bilden“. [132] Tatsächlich existiert eine innere Verbindung zwischen dem Wort Gottes und der Eucharistie. Beim Hören des Gotteswortes keimt der Glaube auf oder wird gestärkt (vgl. Röm 10,17); in der Eucharistie schenkt das fleischgewordene Wort sich uns als geistliche Speise. [133] So geschieht es, daß „die Kirche von den beiden Tischen des Wortes und des Leibes Christi das Brot des Lebens empfängt und den Gläubigen anbietet“. [134] Darum muß man sich stets vor Augen halten, daß das von der Kirche gelesene und in der Liturgie verkündete Wort Gottes zur Eucharistie als seinem wesenseigenen Ziel hinführt.
Der Wortgottesdienst
45. Gemeinsam mit der Synode bitte ich darum, daß der Wortgottesdienst immer gebührend vorbereitet und gelebt wird. Darum empfehle ich dringend, in den Liturgien mit großer Aufmerksamkeit darauf zu achten, daß das Wort Gottes von gut vorbereiteten Lektoren vorgetragen wird. Vergessen wir nie: „Wenn in der Kirche die Heiligen Schriften gelesen werden, spricht Gott selbst zu seinem Volk und verkündet Christus, gegenwärtig in seinem Wort, das Evangelium“. [135] Wenn die Umstände es angebracht erscheinen lassen, kann man an einige einführende Worte denken, die den Gläubigen helfen, sich dessen neu inne zu werden. Um das Wort Gottes recht zu verstehen, muß man es mit kirchlicher Gesinnung und im Bewußtsein seiner Einheit mit dem eucharistischen Sakrament hören und aufnehmen. Das Wort, das wir verkünden und hören, ist ja das fleischgewordene Wort (vgl. Joh 1,14); es besitzt einen inneren Bezug zur Person Christi und zur sakramentalen Weise seines Gegenwärtigbleibens. Christus spricht nicht in der Vergangenheit, sondern in unserer Gegenwart, ebenso wie er in der liturgischen Handlung gegenwärtig ist. In dieser sakramentalen Sicht der christlichen Offenbarung [136] ermöglichen uns die Kenntnis und das Studium des Wortes Gottes, die Eucharistie besser zu schätzen, zu feiern und zu leben. Auch hier erweist sich die Behauptung, nach der „die Unkenntnis der Schrift Unkenntnis Christi ist“, [137] in ihrer vollen Wahrheit.
Zu diesem Zweck ist es notwendig, daß den Gläubigen durch pastorale Initiativen, Wortgottesdienste und geistliche Lesung (lectio divina) geholfen wird, den Reichtum der Heiligen Schrift, der im Lektionar vorhanden ist, zu schätzen. Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, die von der Tradition bestätigten Gebetsformen zu fördern: das Stundengebet – vor allem die Laudes, die Vesper und die Komplet – sowie auch die Vigilfeiern. Das Psalmengebet, die biblischen Lesungen und die in den Lesehoren des Breviers dargebotenen Texte der großen Tradition können zu einer vertieften Erfahrung des Christus-Geschehens und der Heilsökonomie führen, die ihrerseits das Verständnis und die innere Teilnahme an der Eucharistiefeier bereichern kann. [138]
Die Homilie
46. In Verbindung mit der Bedeutung des Wortes Gottes erhebt sich die Notwendigkeit, die Qualität der Homilie zu verbessern. Sie ist ja „Teil der liturgischen Handlung“ [139] und hat die Aufgabe, ein tieferes Verstehen und eine umfassendere Wirksamkeit des Wortes Gottes im Leben der Gläubigen zu fördern. Deshalb müssen die geweihten Amtsträger „die Predigt sorgfältig vorbereiten, indem sie sich auf eine angemessene Kenntnis der Heiligen Schrift stützen“. [140] Oberflächlich-allgemeine oder abstrakte Predigten sind zu vermeiden. Im besonderen bitte ich die Prediger, dafür zu sorgen, daß die Homilie das verkündete Wort Gottes in so enge Verbindung mit der sakramentalen Feier [141] und mit dem Leben der Gemeinde bringt, daß das Wort Gottes für die Kirche wirklich Rückhalt und Leben ist. [142] Darum berücksichtige man den katechetischen und den ermahnenden Zweck der Homilie. Es erscheint angebracht, den Gläubigen – ausgehend vom Drei-Jahres-Lektionar – wohlbedacht thematische Homilien zu halten, die im Laufe des liturgischen Jahres die großen Themen des christlichen Glaubens behandeln und dabei auf das zurückgreifen, was vom Lehramt maßgebend vorgeschlagen wird in den „vier Säulen“ des Katechismus der Katholischen Kirche und dem später erschienenen Kompendium: dem Glaubensbekenntnis, der Feier des christlichen Mysteriums, dem Leben in Christus und dem christlichen Gebet. [143]
Die Darbringung der Gaben
47. Die Synodenväter haben auch auf die Darbringung der Gaben aufmerksam gemacht. Es handelt sich nicht einfach um eine Art „Intermezzo“ zwischen dem Wortgottesdienst und der eucharistischen Liturgie. Das würde unter anderem auch nicht dem Sinn des einen, aus zwei Teilen zusammengesetzten Ritus gerecht werden. In dieser demütigen und einfachen Handlung kommt in Wirklichkeit eine sehr tiefe Bedeutung zum Ausdruck: In Brot und Wein, die wir zum Altar bringen, wird die ganze Schöpfung von Christus, dem Erlöser, angenommen, um verwandelt und dem Vater dargeboten zu werden. [144] So gesehen, tragen wir auch alles Leid und allen Schmerz der Welt zum Altar, in der Gewißheit, daß in den Augen Gottes alles kostbar ist. Diese Handlung bedarf nicht der Hervorhebung durch unangebrachte Komplikationen, um in ihrer authentischen Bedeutung erlebt zu werden. Sie erlaubt, die ursprüngliche Beteiligung, die Gott vom Menschen verlangt, um das göttliche Werk in ihm zu vollenden, auszuwerten und auf diese Weise der menschlichen Arbeit ihren letzten Sinn zu geben: durch die Eucharistiefeier mit dem erlösenden Opfer Christi vereint zu werden.
Das eucharistische Hochgebet
48. Das eucharistische Hochgebet ist „Mitte und Höhepunkt der ganzen Feier“. [145] Seine Bedeutung verdient es, entsprechend hervorgehoben zu werden. Die verschiedenen im Meßbuch enthaltenen eucharistischen Hochgebete sind uns von der lebendigen Überlieferung der Kirche übergeben worden; sie zeichnen sich aus durch einen unerschöpflichen theologischen und spirituellen Reichtum. Die Gläubigen müssen angeleitet werden, ihn entsprechend zu schätzen. Dazu ist uns die Allgemeine Einführung in das Römische Meßbuch hilfreich, indem sie uns die Grundelemente jedes Hochgebetes ins Gedächtnis ruft: Danksagung, Akklamation, Epiklese, Einsetzungsbericht, Konsekration, Anamnese, Darbringung, Interzessionen und Schlußdoxologie. [146] Die eucharistische Spiritualität und die theologische Reflexion werden besonders erhellt, wenn man die tiefe Einheit in der Anaphora zwischen der Anrufung des Heiligen Geistes und dem Einsetzungsbericht [147] betrachtet, worin „das Opfer vollzogen [wird], das Christus selber beim Letzten Abendmahl eingesetzt hat“. [148] Tatsächlich „erfleht die Kirche durch besondere Anrufungen die Kraft des Heiligen Geistes, damit die von den Menschen dargebrachten Gaben konsekriert, das heißt Leib und Blut Christi werden und damit die makellose Opfergabe, die in der Kommunion empfangen wird, denen zum Heil gereiche, die daran Anteil erhalten“. [149]
Der Austausch des Friedensgrußes
49. Die Eucharistie ist von Natur aus ein Sakrament des Friedens. Diese Dimension des eucharistischen Mysteriums findet in der liturgischen Feier seinen besonderen Ausdruck im Austausch des Friedensgrußes. Zweifellos handelt es sich um ein Zeichen von großem Wert (vgl. Joh 14,27). In unserer so erschreckend konfliktbeladenen Zeit bekommt diese Geste auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Empfindens eine besondere Bedeutung, insofern die Kirche die Aufgabe, vom Herrn das Geschenk des Friedens und der Einheit für sich und für die gesamte Menschheitsfamilie zu erflehen, immer mehr als eigenen Auftrag wahrnimmt. Der Friede ist sicherlich eine nicht zu unterdrückende Sehnsucht im Herzen eines jeden. Die Kirche macht sich zur Wortführerin dieser Bitte um Frieden und Versöhnung, die aus dem Innern jedes Menschen guten Willens aufsteigt, und richtet sie an den, der „unser Friede“ ist (Eph 2,14) und der auch Völker und Einzelpersonen miteinander versöhnen kann, wo menschliche Versuche scheitern. Aus all dem wird die Intensität verständlich, mit der in der liturgischen Feier der Ritus des Friedens häufig empfunden wird. Dennoch wurde in diesem Zusammenhang auf der Bischofssynode betont, daß es zweckmäßig ist, diese Geste, die übertriebene Formen annehmen und ausgerechnet unmittelbar vor der Kommunion Verwirrung stiften kann, in Grenzen zu halten. Es ist gut, daran zu erinnern, daß der große Wert der Geste mitnichten geschmälert wird durch die Nüchternheit, die notwendig ist, um ein der Feier angemessenes Klima zu wahren; man könnte zum Beispiel den Friedensgruß auf die beschränken, die in der Nähe stehen. [150]
Austeilung und Empfang der Eucharistie
50. Ein weiteres Moment der Feier, das zur Sprache gebracht werden muß, betrifft Austeilung und Empfang der heiligen Kommunion. Ich ersuche alle, besonders die geweihten Amtsträger und diejenigen, die – angemessen vorbereitet – im Fall wirklicher Notwendigkeit zum Dienst der Austeilung der Eucharistie bevollmächtigt sind, alles Mögliche zu tun, damit die Handlung in ihrer Einfachheit ihrer Bedeutung der persönlichen Begegnung mit dem Herrn Jesus im Sakrament entspricht. Was die Vorschriften zur korrekten Praxis betrifft, verweise ich auf die jüngst herausgegebenen Dokumente. [151] Alle christlichen Gemeinden sollen sich treu an die gültigen Normen halten und in ihnen den Ausdruck des Glaubens und der Liebe sehen, die wir alle gegenüber diesem erhabenen Sakrament haben müssen. Darüber hinaus sollte die kostbare Zeit der Danksagung nach der Kommunion nicht vernachlässigt werden: außer der Ausführung eines passenden Gesanges kann es sehr nützlich sein, gesammelt im Schweigen zu verharren. [152]
In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein pastorales Problem aufmerksam machen, auf das man heutzutage oft stößt. Ich meine die Tatsache, daß bei einigen Gelegenheiten wie zum Beispiel bei Meßfeiern aus Anlaß von Trauungen, Beerdigungen oder ähnlichen Ereignissen außer den praktizierenden Gläubigen auch andere bei der Feier zugegen sind, die eventuell jahrelang nicht die Kommunion empfangen haben oder die sich vielleicht in Lebensverhältnissen befinden, die den Zugang zu den Sakramenten nicht gestatten. Andere Male geschieht es, daß Angehörige anderer christlicher Konfessionen oder sogar anderer Religionen zugegen sind. Ähnliche Umstände sind auch in Kirchen gegeben, die – besonders in den großen Kunstmetropolen – Ziel von Besucherströmen sind. Es versteht sich, daß dann Möglichkeiten gefunden werden müssen, kurz und wirkungsvoll allen den Sinn der sakramentalen Kommunion und die Bedingungen für ihren Empfang ins Gedächtnis zu rufen. Wo Situationen gegeben sind, in denen die notwendige Klärung in bezug auf die Bedeutung der Eucharistie nicht gewährleistet werden kann, ist zu erwägen, inwieweit es zweckmäßig ist, anstelle der Eucharistiefeier einen Wortgottesdienst zu halten. [153]
Die Entlassung: „Ite missa est“
51. Schließlich möchte ich auf das eingehen, was die Synodenväter über den Entlassungsgruß am Ende der Eucharistiefeier gesagt haben. Nach dem Segen verabschiedet der Diakon oder der Priester das Volk mit den Worten: „Ite missa est“. In diesem Gruß können wir die Beziehung zwischen der gefeierten Messe und der christlichen Sendung in der Welt erkennen. Im Altertum bedeutete „missa“ einfach „Entlassung“. Im christlichen Gebrauch hat das Wort jedoch eine immer tiefere Bedeutung gewonnen, indem „missa“ zunehmend als „missio“ verstanden und so Entlassung zu Aussendung wird. Dieser Gruß drückt in wenigen Worten die missionarische Natur der Kirche aus. Darum ist es gut, dem Volk Gottes zu helfen, diese Grunddimension des kirchlichen Lebens – ausgehend von der Liturgie – zu vertiefen. In dieser Hinsicht kann es nützlich sein, über entsprechend approbierte Texte für das Gebet über das Volk und den Schlußsegen zu verfügen, die diese Verbindung deutlich zum Ausdruck bringen. [154]
Letzte Änderung: 07.12.2010 um 19:45
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