Wort der Päpste
Sel. Johannes Paul II. |
Geschrieben von (ksf) am 09.02.2013 |
(© Libreria Editrice Vaticana)
Enzyklika «Dominum et vivificantem», § 46 -
Die Sünde gegen den Heiligen Geist
Warum ist die Lästerung gegen den Heiligen Geist nicht zu vergeben? Was ist unter dieser Lästerung zu verstehen? Der heilige Thomas von Aquin antwortet, daß es sich hier um eine Sünde handelt, „die ihrer Natur nach unvergebbar ist, weil sie jene Elemente ausschließt, derentwegen die Vergebung der Sünden geschieht“.
Nach dieser Deutung besteht die Lästerung nicht eigentlich in verletzenden Worten gegen den Heiligen Geist, sondern in der Weigerung, das Heil anzunehmen, welches Gott dem Menschen durch den Heiligen Geist anbietet, der in der Kraft des Kreuzesopfers wirkt. Wenn der Mensch jenes „Offenlegen der Sünde“, das vom Heiligen Geist ausgeht (Joh 16,8) und heilswirksamen Charakter hat, zurückweist, weist er damit zugleich das „Kommen“ des Trösters zurück (Joh 16,7), jenes „Kommen“, das sich im Ostergeheimnis vollzieht, in der Einheit mit der erlösenden Kraft des Blutes Christi, das „unser Gewissen von toten Werken reinigt“ (Hebr 9,14).
Wir wissen, daß die Frucht einer solchen Reinigung die Vergebung der Sünden ist. Wer den Geist und das Blut (vgl. 1Joh 5,8) zurückweist, verbleibt deshalb in „toten Werken“, in der Sünde. Die Lästerung gegen den Heiligen Geist besteht gerade in der radikalen Verweigerung der Annahme jener Vergebung, deren innerster Vermittler er ist und die eine echte Bekehrung voraussetzt, die von ihm im Gewissen gewirkt wird. Wenn Jesus sagt, daß die Lästerung gegen den Heiligen Geist weder in diesem noch im zukünftigen Leben vergeben wird, dann liegt der Grund darin, daß diese „Nicht-Vergebung“ ursächlich mit der Unbußfertigkeit verbunden ist, das heißt mit der radikalen Weigerung, sich zu bekehren...
Nun ist die Lästerung gegen den Heiligen Geist die Sünde jenes Menschen, der sich auf sein vermeintliches »Recht« zum Verharren im Bösen - in jeglicher Sünde - beruft und dadurch die Erlösung verwirft. Ein solcher Mensch bleibt in der Sünde gefangen, indem er von seiner Seite her seine Bekehrung und damit die Sündenvergebung unmöglich macht, die er als unwesentlich und unbedeutsam für sein Leben erachtet. Dies ist eine Situation des geistlichen Ruins; denn die Lästerung gegen den Heiligen Geist erlaubt es dem Menschen nicht, sich aus seiner selbstverhängten Gefangenschaft zu befreien und sich den göttlichen Quellen der Reinigung der Gewissen und der Verzeihung der Sünden zu öffnen.
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Angelus am 14/12/2003
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Der Herr ist nahe!“ (Phil 4,4–5).
Mit diesen Worten des Apostels Paulus lädt uns die Liturgie zur Freude ein. Der heutige dritte Sonntag in der Adventszeit wird aus diesem Grund auch »Gaudete« genannt...
Der Advent ist eine Zeit der Freude, denn er läßt uns aufs neue die Erwartung des freudigsten Ereignisses der Geschichte erleben: die Geburt des Sohnes Gottes aus der Jungfrau Maria. Zu wissen, daß Gott nicht fern ist, sondern nahe, nicht gleichgültig, sondern mitleidsvoll, nicht ein Fremder, sondern ein barmherziger Vater, der sich unter Achtung unserer Freiheit liebevoll um uns kümmert: all dies ist Grund zu tiefer Freude, der selbst die Wechselfälle des alltäglichen Lebens nichts anhaben können.
Es ist ein unverwechselbares Kennzeichen der christlichen Freude, daß sie sehr wohl auch neben dem Leid bestehen kann, denn sie gründet vollkommen auf der Liebe. In der Tat kommt der Herr – der uns so »nahe« ist, daß er Mensch wurde –, um uns seine Freude, die Freude zu lieben, einzuflößen. Nur so läßt sich die unbeschwerte Freude der Märtyrer verstehen auch inmitten aller Prüfungen oder das Lächeln der Heiligen der Nächstenliebe angesichts der Menschen im Elend: ein Lächeln, das nicht verletzt, sondern tröstet. »Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir« (Lk 1,28). Die Verkündigung des Engels an Maria ist eine Einladung zur Freude. Bitten wir die allerseligste Jungfrau um die Gabe der christlichen Freude.
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Die Mutter des Erlösers, 7,10
"Sei gegrüßt, du Begnadete"
„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,3-4). Wo der Epheserbrief von der „herrlichen Gnade“ spricht, die „Gott, der Vater uns in seinem geliebten Sohn geschenkt hat“, fügt er noch hinzu: „Durch sein Blut haben wir die Erlösung“ (1,7). Nach der Lehre, wie sie von der Kirche in feierlichen Dokumenten formuliert worden ist, hat sich diese „herrliche Gnade“ an der Mutter Gottes dadurch gezeigt, dass sie „auf erhabenere Weise“ erlöst worden ist.
Kraft der reichen Gnade des geliebten Sohnes und wegen der Erlöserverdienste dessen, der ihr Sohn werden wollte, ist Maria vom Erbe der Urschuld bewahrt worden. Auf diese Weise gehört sie vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis, das heißt ihrer eigenen Existenz, an zu Christus; sie hat Anteil an der heilenden und heiligmachenden Gnade und an jener Liebe, die vom „geliebten Sohn“ ausgeht, dem Sohn des ewigen Vaters, der durch die Menschwerdung ihr eigener Sohn geworden ist. Darum ist es zutiefst wahr, dass Maria durch den Heiligen Geist auf der Ebene der Gnade, das heißt der Teilhabe an der göttlichen Natur, von demjenigen das Leben empfängt, dem sie selbst es, auf der Ebene der irdischen Zeugung, als Mutter gegeben hat. ... Und weil Maria dieses „neue Leben“ in einer Fülle empfängt, wie sie der Liebe des Sohnes zu seiner Mutter, der Würde göttlicher Mutterschaft also, entspricht, nennt sie der Engel bei der Verkündigung „voll der Gnade“.
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Enzyklika „Laborem Exercens“, § 26
„Handelt damit!“
Das Evangelium der Arbeit finden wir in Christi Leben und Gleichnissen, in dem, »was Jesus getan und gelehrt hat«. Erleuchtet von dieser Urquelle, hat die Kirche immer verkündet, was seinen modernen Ausdruck in der Weisung des II. Vatikanischen Konzils gefunden hat: »So wie das menschliche Schaffen aus dem Menschen hervorgeht, so ist es auch auf den Menschen hingeordnet. Wenn nämlich der Mensch wirkt, formt er nicht nur die Dinge und die Gesellschaft um, sondern vollendet auch sich selbst. Er lernt vieles, entwickelt seine Fähigkeiten, überschreitet sich selbst und wächst über sich hinaus. Solches Wachstum ist, richtig verstanden, mehr wert als äußerer Reichtum, der angesammelt werden kann... die Richtschnur für das menschliche Schaffen ist daher, daß es gemäß dem Plan und Willen Gottes mit dem echten Wohl der Menschheit übereinstimme und dem Menschen als Einzelwesen und als Glied der Gesellschaft die Entfaltung und Erfüllung seiner vollen Berufung gestatte«.
Im Licht einer solchen Auffassung von den Werten menschlicher Arbeit, einer solchen Spiritualität der Arbeit, erklärt sich vollauf das, was wir an der gleichen Stelle der Pastoralkonstitution des Konzils zum Thema der rechten Bedeutung des Fortschritts lesen: »Der Mensch ist mehr wert durch das, was er ist, als durch das, was er hat. Ebenso hat alles, was die Menschen zur Erreichung einer größeren Gerechtigkeit, einer umfassenderen Brüderlichkeit und einer humaneren Ordnung der sozialen Beziehungen tun, größeren Wert als technische Fortschritte. Diese Fortschritte können zwar gleichsam das Material für den menschlichen Aufstieg bieten, doch den Aufstieg selbst werden sie durch sich allein keineswegs zustandebringen«.
Diese Lehraussage zum Problem des Fortschritts und der Entwicklung - ein im modernen Denken so beherrschendes Thema - kann nur als Frucht einer erprobten Spiritualität der menschlichen Arbeit verstanden werden, und nur auf der Grundlage einer solchen Spiritualität kann sie verwirklicht und in konkrete Praxis umgesetzt werden.
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Enzyklika „Dives in Misericordia“, § 15
Die Zeichen unserer Zeit erkennen
Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, »mit lautem Schreien« den Gott des Erbarmens anzurufen. Dieses »laute Schreien« muß gerade die Kirche unserer Zeit kennzeichnen... ein Aufschrei, der das göttliche Erbarmen anfleht entsprechend den Notwendigkeiten des Menschen in der Welt von heute... Gott ist sich selbst, seinem Vater-sein und seiner Liebe treu. Wie die Propheten bestürmen wir diese Liebe, die mütterliche Züge trägt und wie eine Mutter jedem ihrer Kinder, jedem verirrten Schäflein nachgeht, selbst wenn es Millionen solcher Verirrungen gäbe, selbst wenn das Unrecht in der Welt überhandnähme gegenüber dem Recht, selbst wenn die Menschheit von heute für ihre Sünden eine neue »Sintflut« verdiente, so wie einst die Generation Noachs eine Sintflut verdient hat.
Nehmen wir unsere Zuflucht zu jener väterlichen Liebe, die uns von Christus in seiner messianischen Sendung offenbart wurde und die in seinem Kreuz, seinem Tod und seiner Auferstehung ihren Höhepunkt erreichte! Nehmen wir unsere Zuflucht durch Christus zu Gott, eingedenk der Worte Marias im Magnifikat, die das Erbarmen »von Geschlecht zu Geschlecht« verkünden. Erflehen wir das göttliche Erbarmen für das »Geschlecht« von heute!... Erheben wir unser flehendes Gebet, geleitet vom Glauben, von der Hoffnung und der Liebe, die Christus unseren Herzen eingepflanzt hat.
Diese Haltung ist gleichermaßen Liebe zu Gott, den der zeitgenössische Mensch oft weit von sich entfernt und sich entfremdet hat, den er in verschiedener Weise als für ihn »überflüssig« bezeichnet; Liebe zu Gott, deren verletzende Ablehnung durch den heutigen Menschen wir tief empfinden, wobei es uns drängt, mit Christus am Kreuze auszurufen: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«. Diese Haltung der Fürbitte ist gleichzeitig Liebe zu den Menschen, zu allen Menschen ohne jede Ausnahme und ohne den geringsten Unterschied: ohne Unterschied nach Rasse, Kultur, Sprache und Weltanschauung, ohne Unterscheidung zwischen Freunden und Feinden.
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Enzyklika „Et unum sint“, 14-15
„Wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er nicht mit uns zusammen dir nachfolgt“
Das Bestreben des Ökumenismus ist es eben, die zwischen den Christen bestehende teilweise Gemeinschaft bis zur vollen Gemeinschaft in der Wahrheit und in der Liebe wachsen zu lassen. Von den Anfängen, vom Imperativ des christlichen Gewissens bis hin zur Verwirklichung des ökumenischen Weges zur Einheit hebt das II. Vatikanische Konzil vor allem die Notwendigkeit der Bekehrung des Herzens hervor. Die messianische Verkündigung »die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe« und der darauf folgende Aufruf »Kehrt um und glaubt an das Evangelium!« (Mk 1, 15), mit dem Jesus seine Sendung beginnt, nennen das grundlegende Element, das jeden Neubeginn kennzeichnen muß... »Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung«. Das Konzil ruft sowohl zur persönlichen wie zur gemeinschaftlichen Bekehrung auf...
Ein jeder muß sich also grundlegender zum Evangelium bekehren und, ohne je den Plan Gottes aus den Augen zu verlieren, seinen Blick ändern. Durch den Ökumenismus wurde die Betrachtung von »Gottes großen Taten« (mirabilia Dei) um neue Räume bereichert, in denen der dreieinige Gott das Wirken der Gnade weckt: die Wahrnehmung, daß der Heilige Geist in den anderen christlichen Gemeinschaften tätig ist; die Entdeckung von Beispielen der Heiligkeit; die Erfahrung der unbegrenzten Reichtümer der Gemeinschaft der Heiligen; der Kontakt mit unvorhersehbaren Aspekten des christlichen Engagements.
Dementsprechend hat auch das Bußbedürfnis zugenommen: das Bewußtsein von gewissen Ausschlüssen, die die brüderliche Liebe verletzen; von gewissen Verweigerungen zu verzeihen; eines gewissen Stolzes; jenes nicht dem Evangelium entsprechenden Sich-Abkapselns in die Verdammung der »anderen«; einer Verachtung, die aus einer unlauteren Anmaßung herrührt. Auf diese Weise wird das ganze Leben der Christen von der ökumenischen Sorge geprägt, und sie sind aufgerufen, sich gleichsam von ihr formen zu lassen.
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Generalaudienz am 23/07/1986
„Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen.“
In der Vollkommenheit ihrer Geistnatur sind die Engel von Anfang an kraft ihres Intellekts dazu berufen, die Wahrheit zu erkennen und das Gute zu lieben, das sie in viel umfassenderer und vollkommenerer Weise, als dies dem Menschen möglich ist, in der Wahrheit erkennen. Diese Liebe ist ein freier Willensakt..., der die Möglichkeit in sich schließt, eine Entscheidung für oder gegen das Gute, das sie erkennen, also für oder gegen Gott selbst, zu treffen. Es muss hier wiederholt werden, was bereits in Bezug auf den Menschen gilt: Mit der Erschaffung freier Wesen wollte Gott, dass sich in der Welt jene wahre Liebe verwirkliche, die einzig und allein auf der Grundlage der Freiheit möglich ist. Gott wollte also, dass das nach seinem Bild und Gleichnis geformte Geschöpf Ihm, der "die Liebe" ist (1 Joh 4,16), möglichst vollkommen ähnlich werden könne. Wenn Gott die reinen Geister als freie Wesen erschaffen hat, so musste Er in seiner Vorsehung auch die Möglichkeit zur Sünde der Engel voraussehen. Aber weil die göttliche Vorsehung ewige Weisheit ist, die liebt, so wusste Gott aus der Geschichte dieser Sünde..., das endgültig Gute des ganzen geschaffenen Kosmos zu gewinnen.
Tatsächlich scheiden sich die reinen Geister, wie die Offenbarung deutlich sagt, in gute und böse... Wie soll man eine solche Opposition... verstehen?... Kirchenväter und Theologen zögern nicht, von Verblendung zu sprechen, hervorgerufen durch Überschätzung der Vollkommenheit des eigenen Seins und so weit getrieben, dass diesen reinen Geistern die Oberhoheit Gottes verschleiert wurde, der von ihnen einen Akt williger und gehorsamer Unterwerfung verlangt hatte. Das alles scheint überaus treffend in den Worten ausgedrückt zu sein: ,,Ich will nicht dienen!" (Jer 2,20). Diese Worte zeigen die radikale, nicht mehr rückgängig zu machende Weigerung, am Aufbau des Reiches Gottes in der geschaffenen Welt teilzunehmen. Satan, der rebellische Geist, will sein eigenes Reich, nicht das Reich Gottes. Er erhob sich zum ersten Widersacher des Schöpfers, zum Gegner der Göttlichen Vorsehung, zum feindseligen Streiter gegen die liebende Weisheit Gottes. Aus der Auflehnung und der Sünde Satans, wie auch der des Menschen, müssen wir, die weise Erfahrung der Heiligen Schrift aufgreifend, den Schluss ziehen: ,,Der Stolz führt ins Verderben" (Tob 4,13).
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Enzyklika »Dives in misericordia« , § 14
»Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal«
Christus legt auf die Notwendigkeit, den anderen zu verzeihen, so großen Nachdruck, daß er Petrus auf die Frage, wie oft er dem Nächsten verzeihen müsse, die symbolische Zahl »siebenundsiebzigmal« nennt und hiermit die Antwort gibt, daß er jedem und jedesmal verzeihen muß.
Selbstverständlich hebt die Forderung, hochherzig zu verzeihen, die objektiven Forderungen der Gerechtigkeit nicht auf. Die richtig verstandene Gerechtigkeit ist sozusagen der Zweck des Verzeihens. An keiner Stelle der Frohen Botschaft bedeutet das Verzeihen, noch seine Quelle, das Erbarmen, ein Kapitulieren vor dem Bösen, dem Ärgernis, vor der erlittenen Schädigung oder Beleidigung... In jedem Fall sind Wiedergutmachung des Bösen und des Ärgenisses, Behebung des Schadens, Genugtuung für die Beleidigung Bedingungen der Vergebung...
So braucht also das Erbarmen als grundlegende Struktur immer die Gerechtigkeit. Aber es hat die Kraft, der Gerechtigkeit einen neuen Inhalt zu geben. Dieser findet seinen einfachsten und vollsten Ausdruck im Verzeihen. Es macht uns deutlich, daß es außer... Forderungen der Gerechtigkeit auch die Liebe geben muß, wenn der Mensch Mensch bleiben soll. Daß die Forderungen der Gerechtigkeit erfüllt werden, ist eine Hauptbedingung dafür, daß das Antlitz der Liebe aufleuchten kann... Die Kirche betrachtet es mit Recht als ihre Pflicht, als Ziel ihrer Sendung, die Echtheit des Verzeihens zu bewahren.
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Rede vor der Jungend Chiles, 02.04.1987
«Sofort stand das Mädchen auf»
Christus betrat das Haus, in dem sich das Mädchen befand, fasste es an der Hand und sagte zu ihm: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“... Ihr lieben jungen Leute, die Welt braucht eure persönliche Antwort auf die Worte des Lebens unseres Herrn: „Ich sage dir, steh auf!“ Wir sehen, wie Jesus der Menschheit entgegenkommt in den heikelsten und schwierigsten Situationen. Das im Haus des Jaïrus geschehene Wunder zeigt uns seine Macht über das Böse. Er ist der Herr des Lebens, der Sieger über den Tod...
Aber wir dürfen nicht vergessen, dass, wie uns der Glaube lehrt, die Erstursache des Bösen, der Krankheit, ja des Todes die Sünde in ihren verschiedenen Formen ist. Im Herzen eines jeden und einer jeden von uns verbirgt sich diese Krankheit, von der wir alle heimgesucht werden: die persönliche Sünde, die mehr und mehr in unserer Gesinnung Wurzeln schlägt, und zwar in dem Maße, wie der Sinn für Gott verlorengeht. Ja, liebe Jugend, seid wachsam und lasst nicht zu, dass in euch der Sinn für Gott schwindet. Wir können das Böse nicht mit dem Guten besiegen, wenn wir diesen Sinn für Gott, sein Wirken und seine Gegenwart nicht haben, der uns einlädt, immerfort auf seine Gnade zu setzen, auf das Leben, und gegen die Sünde, gegen den Tod. Das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel...
Daraus folgt, dass wir erkennen müssen, wie die Sünde einwirkt auf die Gesellschaft: nur dann können wir eine Welt bauen, die des Menschen würdig ist. Es gibt soziale Missstände, die eine echte „Gemeinschaft der Sünde“ erzeugen, die zugleich mit der Seele die Kirche und in gewisser Weise die ganze Welt hinunterziehen... Liebe jungen Leute, kämpft den guten Kampf des Glaubens (1 Tim 6,12) für die Würde des Menschen, für die Würde der Liebe, für ein würdevolles Leben, ein Leben der Kinder Gottes. Die Verzeihung Gottes ist eine Hilfe, mit der wir die Sünde besiegen können, und das bedeutet Heilung, Wiederaufleben. Habt keine Angst, die Liebe Christi verlange zu viel von euch. Fürchtet dagegen Kleinmut, Oberflächlichkeit, das Durchsetzen eigener Interessen, den Egoismus, alles, was die Stimme Christi zum Schweigen bringen will, die uns allen gilt und immer wieder sagt: „Ich sage dir, steh auf!“
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Botschaft zum 42. Welttag der Berufungen 17/04/2005
»Zum ersten Mal sendet er sie aus«
Jesus sagt zu Petrus: "Fahr hinaus auf den See" (Lk 5,4). "Petrus und die ersten Gefährten vertrauten dem Wort Christi und warfen ihre Netze aus"... Wer sein Herz für Christus öffnet, wird nicht nur das Geheimnis seines eigenen Daseins verstehen, sondern auch das seiner eigenen Berufung, und er wird wunderbare Früchte der Gnade heranreifen lassen... Wenn der Christ das Evangelium ohne Abstriche lebt, wird er immer mehr dazu fähig, wie Christus selbst zu lieben und seine Mahnung zu beherzigen: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48). Er strebt danach, innerhalb der Gemeinschaft der Kirche mit den Brüdern in Einheit verbunden zu bleiben und stellt sich in den Dienst an der Neuevangelisierung, um die großartige Wahrheit der heilbringenden Liebe Gottes zu verkünden und zu bezeugen.
Liebe Heranwachsende und Jugendliche, vor allem Euch gegenüber möchte ich die Einladung Christi wiederholen, "hinauszufahren"... Vertraut Ihm, hört auf seine Lehren, richtet Euren Blick auf sein Antlitz, hört beharrlich sein Wort. Laßt zu, daß er all Eurem Suchen und Sehnen, all Euren Idealen und Herzenswünschen Orientierung gibt... Zugleich denke ich an die Worte, die Maria, seine Mutter, in Kana in Galiläa an die Diener richtete: "Was er euch sagt, das tut!" (Joh 2,5). Christus, liebe Jugendliche, bittet Euch "hinauszufahren", und die Jungfrau Maria ermutigt Euch, Ihm ohne Zögern nachzufolgen. Unterstützt von der mütterlichen Fürsprache der Gottesmutter, steige aus allen Teilen der Erde unser inniges Gebet zum himmlischen Vater auf, auf daß Er "Arbeiter für seine Ernte" (Mt 9,38) aussende.
Jesus, Sohn Gottes, in dem die Fülle der Gottheit wohnt, Du berufst alle Getauften, "hinauszufahren" und den Weg der Heiligkeit zu gehen. Erwecke in den Herzen der jungen Menschen die Sehnsucht, in der Welt von heute Zeugen der Macht Deiner Liebe zu sein. Erfülle sie mit Deinem Geist der Stärke und Besonnenheit, damit sie fähig werden, die volle Wahrheit über sich selbst und ihre Berufung zu entdecken.
Unser Erlöser, vom Vater gesandt, seine barmherzige Liebe zu offenbaren, schenke Deiner Kirche junge Menschen, die bereit sind, "hinauszufahren" und für ihre Brüder zum Zeichen Deiner erneuernden und heilbringenden Gegenwart zu werden.
Heilige Jungfrau, Mutter des Erlösers,
sichere Führerin auf dem Weg zu Gott und dem Nächsten,
Du hast seine Worte im Innersten Deines Herzens bewahrt.
Stehe mit Deiner mütterlichen Fürsprache den Familien und
kirchlichen Gemeinschaften zur Seite,
damit sie den Heranwachsenden und Jugendlichen dabei helfen,
großherzig auf den Ruf des Herrn zu antworten.
Amen.
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Ansprache in der Synagoge von Rom 13/04/1986
«Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen»
Der heutige Besuch will einen entschiedenen Beitrag leisten zur Festigung der guten Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften... Aus dem reichen Inhalt der Erklärung Nostra aetate... ist der erste Punkt der, daß die Kirche Christi ihre »Bindung« zum Judentum entdeckt, indem sie sich auf ihr eigenes Geheimnis besinnt (vgl. Nostra aetate, Nr. 4, Absatz 1). Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas »Äußerliches«, sondern gehört in gewisser Weise zum »Inneren« unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder...
Der eingeschlagene Weg steht noch an den Anfängen. Deshalb bedarf es... noch ziemlich viel, um jede — auch die subtile — Form des Vorurteils zu überwinden,... und somit...das wahre Antlitz der Juden und des Judaismus wie auch der Christen und des Christentums zu zeigen... Niemandem entgeht, daß der anfängliche grundsätzliche Unterschied in der Zustimmung der Katholiken zur Person und zur Lehre Jesu von Nazaret besteht, der ein Sohn eures Volkes ist, aus dem auch die Jungfrau Maria, die Apostel — Fundament und Säulen der Kirche — und die Mehrzahl der Gläubigen der ersten christlichen Gemeinde stammen... Ferner muß gesagt werden, daß die Wege, die für unsere Zusammenarbeit offenstehen im Licht des vom Gesetz und von den Propheten stammenden gemeinsamen Erbes, vielfältig und bedeutend sind. Wir möchten vor allem erinnern an die Zusammenarbeit zum Wohl des Menschen..., zugunsten seiner Würde, seiner Freiheit, seiner Rechte, seiner Entfaltung in einer Gesellschaft... wo die Gerechtigkeit regiert und wo... der Friede herrscht, der shalom, der von den Gesetzgebern, von den Propheten und von den Weisen Israels herbeigesehnt worden ist...
Möge von diesem meinen Besuch und von unserer gefundenen Eintracht und gelösten Atmosphäre wie aus dem Strom, den Ezechiel von der östlichen Pforte des Tempels in Jerusalem hervorbrechen sah (vgl. Ez 47,1 ff.), eine frische und wohltuende Quelle entspringen, die die vielen Wunden zu heilen hilft, an denen Rom leidet. Wenn wir das tun, so erlaube ich mir zu sagen, werden wir unseren jeweiligen heiligsten Verpflichtungen treu sein, aber auch jener, die uns am tiefsten verbindet und eint: der Glaube an den einen Gott, der »die Fremden liebt« und »den Waisen und Witwen ihr Recht verschafft« (vgl. Dtn 10,18), indem auch wir uns bemühen, sie zu lieben und ihnen beizustehen (vgl. ebd. und Lev 19,18,34). Die Christen haben diesen Willen des Herrn von der Torah gelernt, die ihr hier verehrt, und von den Worten Jesu, der die Liebe, die die Torah fordert, bis in die äußersten Konsequenzen verwirklicht hat.
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Ecclesia de Eucharistia, VI, 55
"Der Glaube seiner Mutter, der Glaube seiner Brüder"
In der Schule Mariens, der „eucharistischen Frau“: In gewissem Sinn hat Maria ihren eucharistischen Glauben bereits vor der Einsetzung der Eucharistie gelebt, weil sie nämlich ihren jungfräulichen Schoß für die Menschwerdung des Wortes Gottes dargeboten hat. Die Eucharistie, die auf das Leiden und die Auferstehung verweist, steht zugleich in Kontinuität zur Menschwerdung. Bei der Verkündigung empfing Maria den göttlichen Sohn, auch seinen wahren Leib und sein wahres Blut, und nahm in sich das vorweg, was sich in gewissem Maß auf sakramentale Weise in jedem Gläubigen ereignet, der unter den Zeichen von Brot und Wein den Leib und das Blut des Herrn empfängt.
Es besteht daher eine tiefgehende Analogie zwischen dem „Fiat“, mit dem Maria auf die Worte des Engels geantwortet hat, und dem „Amen“, das jeder Gläubige spricht, wenn er den Leib des Herrn empfängt. Von Maria wurde verlangt zu glauben, dass der, den sie durch das Wirken des Heiligen Geistes empfing, der „Sohn Gottes“ war. (vgl. Lk 1,30-35). In Fortführung des Glaubens der Jungfrau wird von uns verlangt zu glauben, dass derselbe Jesus, der Sohn Gottes und der Sohn Mariens, im eucharistischen Mysterium unter den Zeichen von Brot und Wein mit seinem ganzen gott-menschlichen Sein gegenwärtig wird. „Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1,45)
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Enzyklika « Dives in Misericordia » § 2
« Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen »
Auf diese Weise - in Christus und durch Christus - wird Gott auch in seinem Erbarmen besonders sichtbar, das heißt: jene göttliche Eigenschaft tritt hervor, die schon das Alte Testament - in verschiedenen Bildern und Ausdrucksweisen - als «Erbarmen» beschrieben hat. Christus gibt der gesamten alttestamentlichen Tradition vom göttlichen Erbarmen eine endgültige Bedeutung. Er spricht nicht nur vom Erbarmen und erklärt es mit Hilfe von Gleichnissen und Parabeln, er ist vor allem selbst eine Verkörperung des Erbarmens, stellt es in seiner Person dar. Er selbst ist in gewissem Sinne das Erbarmen. Für den, der es in ihm sieht - und in ihm findet - , wird Gott in besonderer Weise «sichtbar» als Vater, «der voll Erbarmen ist» (Eph 2,4).
Die Mentalität von heute scheint sich vielleicht mehr als die der Vergangenheit gegen einen Gott des Erbarmens zu sträuben und neigt dazu, schon die Idee des Erbarmens aus dem Leben und aus den Herzen zu verdrängen. Das Wort und der Begriff »Erbarmen« scheinen den Menschen zu befremden, der dank eines in der Geschichte vorher nie gekannten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts Herrscher geworden ist und sich die Erde untertan gemacht und unterjocht hat. Dieses Herrschen über die Erde, das zuweilen einseitig und oberflächlich verstanden wird, scheint für das Erbarmen keinen Raum zu lassen ...Die Lage der Welt von heute weist nicht nur Umwandlungen auf, die zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft des Menschen auf dieser Erde berechtigen, sondern auch vielfache Bedrohungen, welche über die bisher gekannten weit hinausgehen...
In Christus geoffenbart, erlaubt uns die Wahrheit über Gott, den »Vater des Erbarmens«, (2 Kor 1,3) ihn dem Menschen besonders nahe zu »sehen«, und zwar vor allem dann, wenn der Mensch leidet, wenn er im Kern seiner Existenz und seiner Würde bedroht ist. Das ist der Grund, warum sich in der heutigen Situation der Kirche und der Welt viele Menschen und viele Gemeinschaften, von einem lebendigen Glaubenssinn geführt, sozusagen spontan an Gottes Erbarmen wenden. Sie werden dazu sicher von Christus selbst gedrängt, der durch seinen Geist in den Herzen der Menschen am Werk ist.
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Enzyklika «Ut unum sint» § 90-93
« Weide meine Schafe! »
Der Bischof von Rom ist der Bischof der Kirche, die die prägende Spur des Martyriums des Petrus und des Paulus bewahrt... Das Matthäusevangelium beschreibt und präzisiert die pastorale Sendung des Petrus in der Kirche...:"aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen..." (16, 18). Lukas hebt hervor, daß Christus dem Petrus aufträgt, die Brüder zu stärken, ihn aber gleichzeitig seine menschliche Schwäche und die Notwendigkeit seiner Bekehrung erkennen läßt (vgl. Lk 22, 31-32). Es ist gerade so, als würde vor dem Hintergrund der menschlichen Schwachheit des Petrus voll offenkundig werden, daß sein besonderes Amt in der Kirche vollständig seinen Ursprung aus der Gnade hat...
Gleich nach seiner Einsetzung wird Petrus von Christus mit seltener Strenge gerügt, der zu ihm sagt: »Du willst mich zu Fall bringen!« (Mt 16, 23). Sollte man nicht in dem Erbarmen, das Petrus braucht, einen Bezug zu dem Amt jener Barmherzigkeit sehen, die er als erster erfährt?... Auch das Johannesevangelium hebt hervor, daß Petrus die Aufgabe, die Herde zu weiden, in einem dreifachen Liebesbekenntnis (vgl. 21, 15-17) empfängt, das dem dreifachen Verrat entspricht (vgl. 13, 38)... Was Paulus betrifft, so kann er die Beschreibung seines Dienstes mit der ergreifenden Feststellung abschließen, die er aus dem Mund des Herrn vernehmen darf: »Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit«, und kann daher ausrufen: »denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« (2 Kor 12, 9-10)...
Als Erbe der Sendung des Petrus... übt der Bischof von Rom ein Amt aus, das seinen Ursprung in der vielgestaltigen Barmherzigkeit Gottes hat, die die Herzen bekehrt und mit der Kraft der Gnade erfüllt, während der Jünger den bitteren Geschmack seiner Schwachheit und seines Elends wahrnimmt. Die diesem Amt eigene Autorität steht ganz im Dienst des barmherzigen Planes Gottes und muß immer in dieser Perspektive gesehen werden. Aus ihm erklärt sich die Vollmacht dieses Amtes. Durch seine Bindung an das dreifache Liebesbekenntnis des Petrus, das dem dreifachen Verrat entspricht, weiß sein Nachfolger, daß er Zeichen der Barmherzigkeit sein muß. Sein Dienst ist ein Dienst der Barmherzigkeit, geboren aus einem Barmherzigkeitsakt Christi. Diese ganze Lehre aus dem Evangelium muß dauernd neu gelesen werden, damit die Ausübung des Petrusamtes nichts von ihrer Glaubwürdigkeit und Transparenz verliert.
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Homilie vor Jugendlichen
„Jesus streckte die Hand aus und berührte sie“
Die liebevolle Geste Jesu, wenn er zu den Leprakranken geht und sie tröstet und heilt, findet in seiner Passion ihren vollen, geheimnisvollen Ausdruck. Jesus, gemartert und von Blutschweiß, Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung entstellt, verlassen von der Bevölkerung, die nicht mehr an seine Wohltaten denkt, identifiziert sich in seiner Passion mit den Leprakranken; er wird zu ihrem Abbild und Symbol, wie der Prophet Jesaja bei der Betrachtung des Geheimnisses des Gottesknechtes intuitiv erkannte: „Er hatte keine schöne und edle Gestalt. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, wie ein Mensch, vor dem man das Gesicht verhüllt... Wir meinten, er sei vom Unheil getroffen, von Gott gebeugt und geschlagen“ (Jes 53,2-4). Aber genau aus den Wunden des geschundenen Leibes Jesu und aus der Kraft seiner Auferstehung strömen Leben und Hoffnung für alle Menschen, die von Schmerzen und Krankheit heimgesucht werden.
Die Kirche war immer ihrer Mission treu, das Wort Gottes zu verkünden und gleichzeitig den einfachen, kleinen Leuten gegenüber solidarisch konkrete Hilfe zu leisten. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs eine völlig neue, außergewöhnliche Hingabe heran und zwar an die, welche, menschlich gesehen, mit den widerwärtigsten Krankheiten behaftet waren. Aus der Geschichte wird klar ersichtlich, dass die Christen die ersten waren, die sich mit dem Problem der Leprakranken befasst haben. Das Beispiel Christi hatte Schule gemacht, sein Leben war reich an Gesten der Solidarität, der Hingabe, der Großzügigkeit und uneigennützigen Liebe.
Letzte Änderung: 10.02.2013 um 05:15
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