Lesejahr C 2012/13

„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war.“ (24. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C)

Lesejahr C 2012/13 >>

Das Gleichnis vom verlorenen Schaf mag zwar für uns in der Theorie nachvollziehbar sein, aber in der Praxis ist es doch weit von der Blütezeit der Volkskirche entfernt. Kurz nach dem Krieg waren es um die 80 Prozent der Gläubigen, die regelmäßig am Sonntag die Kirche besuchten, bis heute hat sich dieser Trend derer, die praktizieren, bis auf rund 8 Prozent reduziert. Von einem Kirchenbesuch von 99 Prozent, davon können wir wohl nur träumen, und wenn wir ihn hätten, wäre uns dann das eine Prozent, das nicht praktiziert, im Grunde genommen egal?

 

Der Herr spricht aber nicht von Prozenten, sondern von ganz konkreten Individuen, er meint uns Menschen, denn bei ihm zählt jeder Einzelne. An diesem Punkt unterscheidet sich das Christentum von allen anderen Religionen, in denen es darum geht, dass die Menschen Gott suchen. Nur im Christentum sucht Gott den Menschen und wird Gott Mensch. Deshalb sagt Jesus: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war.“ Er sucht mich, meint mich, ob angesehen oder gemieden, ob als wertvoll geachtet oder abgestempelt, in seinen Augen habe ich eine Würde. Wenn ich in einer Krise stecke, alt geworden bin, mich wertlos oder hilflos empfinde, krank oder behindert bin, nicht mehr viel leisten kann, mir wie eine Last vorkomme, auch dann bin ich in den Augen Gottes noch unendlich kostbar. Christus hat als Sohn Gottes die Herrlichkeit des Himmels verlassen, um gerade diese Menschen zu suchen und sie für das Reich Gottes neu zu gewinnen.

 

Im Gleichnis von der verlorenen Drachme wird nichts anderes angesprochen. So ein kleines Geldstück, etwa einen Cent, kann man mitunter schnell verlieren und je nachdem wo er hinfällt, Mühe haben ihn wieder zu finden. Ob wir heute noch für ein Centstück eine Wohnung durchsuchen würden, wohl eher nicht. Zu gering ist der Wert eines Centstückes, obwohl man noch von seinem Vorgänger aus den Erfahrungen der Nachkriegsgeneration sagte: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.“ Auch die im Evangelium beschriebene Drachme hatte keinen großen Wert, vielleicht konnte man ein Brot mit ihr bezahlen, denn die Drachme gehörte zum Kleingeld, wir können sie heute mit dem Wert eines Euros vergleichen, auch wenn sie nicht viel größer war als ein Cent. Aber diese Frau hatte nur zehn Drachmen, das war ihr ganzes Vermögen, sie war also bettelarm, vielleicht eine Witwe ohne Kinder, für die diese Drachme der Verlust des Essens für einen Tag bedeutete Egal, wie tief dieses Geldstück im Staub lag, egal, wie lange die Suche dauern würde, die Drachme war es ihr auf jeden Fall wert. Und als sie die Münze dann schließlich gefunden hatte, sagt sie es aus Freude allen Nachbarinnen und Freundinnen.

 

Für uns ist das eine andere Welt, von der wir hier hören, aber in den Slums von Brasilien etwa, in denen man täglich von der Hand in den Mund lebt, würde das wiederfinden einer Münze und damit eine gesicherte Mahlzeit, sicherlich Freude auslösen! Für Gott sind wir Menschen mehr wert als ein verlorenes Schaft oder eine kleine Münze. Denn die Münze und das Schaf stehen in den Gleichnissen symbolisch für den verlorenen Menschen, den in der Sünde, von Gott getrennt, lebenden Menschen. Jesus Christus ist gekommen, um gerade diese Menschen zu finden, sein Wort soll ihnen zum Licht werden, damit sie den tieferen, geschenkten Sinn ihres Lebens wiederentdecken können. Der Besen, ist das Werkzeug, das den Staub aufwirbelt und so den Blick frei macht auf Gott und den Glauben an ihn. Und die Freude symbolisiert das Leben mit Gott, nach der Umkehr zu ihm, über die sich der ganze Himmel freut.

 

Die Pharisäer hatten durch ihre Selbstgerechtigkeit dieses Licht des Glaubens verloren und damit die Freude an Gott, sie lehnten Jesus innerlich ab. Doch die Menschen, die er zur Umkehr bewegen konnte, priesen das Erbarmen Gottes und freuten sich über einen Neuanfang, sie durften nun neu glauben, hoffen und lieben. (pm)

Letzte Änderung: 12.09.2013 um 08:36


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