Lesejahr C 2012/13
"Die Liebe sucht das Verlorene, nicht umgekehrt" (31. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C) |
Wer ist eigentlich dieser Zachäus, von dem wir heute zum wiederholten Male hören und dessen Geschichte überaus beliebt ist, ihn uns sympathisch macht?
Oberster Zollpächter in Jericho, ein reicher Mann, klein gewachsen und so wie die Leute über ihn im Evangelium sprechen, nicht sehr beliebt. Aber warum, was hatte er eigentlich angestellt?
Um seine Situation besser zu verstehen, brauchen wir uns nur an die Menschen in der ehemaligen DDR zu erinnern, die freiwillig der Stasi Dienste erwiesen, dafür belohnt und gefördert wurden, worunter ihre Mitmenschen sehr litten. Zachäus ist so ein Handlanger der römischen Besatzer, welche die jüdische Bevölkerung im eigenen Land kontrolliert, ausbeutet und vor allem in ihren Rechten nach Belieben einschränkt. Ja, eine Art Stasihandlanger im Zollbereich, der das hart verdiente Geld der Landsleute durch Wucherzölle aus deren Taschen zieht und dabei richtig Kasse macht. Wer weiß, was ihm von Seiten der Bevölkerung geblüht hätte, wenn er nicht unter dem Schutz der römischen Soldaten gestanden hätte?
Und bei so einem lädt sich Jesus zum Mittagessen ein, schenkt ihm seine ganze Aufmerksamkeit, ruft ihn vom Baum herunter! Dass sich die Leute empören und aufregen, innerlich vor Wut kochen und die Welt nicht mehr verstehen, ist sicherlich menschlich verständlich. Man stelle sich nur einmal vor, Jesus wäre heute unter uns und würde das Gleiche mit unserem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff machen oder dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg oder ganz aktuell, mit Bischof Thebartz van Elst.
Würden nicht dann auch viele Christen sich empören, an Jesus von Nazareth Anstoß nehmen, so wie im Evangelium: „Er ist bei einem Sünder eingekehrt?“ Ja, genau, bei einem, der viel „Bockmist“ gebaut hat und der sich so richtig unbeliebt gemacht hat, ein lupenreiner Sünder. Vielleicht stellt dieser Vergleich Zachäus in ein Licht, in dem ihn die Menschen seiner Zeit gesehen haben und hilft uns unsere Brille abzunehmen, mit der wir so ein Evangelium hören und uns im heute vorstellen. Da war nichts lieb und nett an dem Zachäus, da war der Teufel los! Und Jesus mittendrin, er stellt sich radikal auf die Seite dieses Sünders, der ungeliebten, verpönt und gemieden wurde. Er schickt Zachäus nicht in die Wüste, er wendet sich ihm zu und sagt ihm: „Ich muss bei dir einkehren!“ Ich muss - nicht - darf ich, kann ich, soll ich?
Plötzlich steht nicht mehr das Geld im Mittelpunkt, das Zachäus den Leuten aus der Tasche gezogen hat, nicht seine Zusammenarbeit mit den Römern gegen die eigenen Leute, nicht sein Egoismus und seine Gier. Im Mittelpunkt steht er selbst, weil Christus auch für ihn in die Welt gekommen ist, um ihn für den Himmel zu retten. Und so verwandelt sich Zachäus durch diese Begegnung mit dem menschgewordenen Sohn Gottes, aus einer kleinen hässlichen Raupe entwickelt sich ein schöner, bunter Schmetterling. Wir wissen nicht, was Jesus ihm beim Essen gesagt hat, aber wie wissen, dass seine Gemeinschaft ihn verändert hat, ihn von seiner Geldgier geheilt hat. „Die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.“
Diese Erzählung erinnert mit an ein Wort aus dem Alten Testament, das wir beim Propheten Jeremia finden: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen sucht, dann will ich mich finden lassen.“ Das dürfte auf Zachäus zugetroffen sein und eigentlich hat nicht er Gott gesucht, sondern Gott ihn, weil die Liebe immer den Verlorenen sich und nicht umgekehrt. Liebe Mitchristen, Gott will auch meine Wunden heilen, bei mir Gast sein, gerade wenn wir uns am Sonntag hier versammeln, nicht ab und zu, sondern immer wieder, denn Gottes Liebe kennt keine Grenzen und sie kennt auch keine Übertreibungen. (pm)
Letzte Änderung: 02.11.2013 um 10:59
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