Lesejahr B 2011/12

Ehrst du mich mit den Lippen oder liebst du mich? (22. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B)

Geschrieben von (pm) am 27.08.2012
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"Im stillen Glück, das im Putzen liegt“, so könnte man die Mentalität vieler Deutscher umschreiben. Ob in Gaststätten, auf dem Arbeitsplatz, in den eigenen vier Wänden, im Auto und besonders bei der Kleidung: Wir Deutschen lieben es sauber, und sind auch schnell dabei Besen, Lappen und Reiniger auszupacken, wenn es uns nicht sauber genug ist.

Im Frühjahr wird dann geputzt, geschruppt und gesäubert, was das Zeug hält, gerade bei des Deutschen liebstem Kind, dem Auto. Laut einer Umfrage, entstehen fünfzig Prozent alle Streitigkeiten in einer Ehe über unterschiedliche Ansichten bzgl. der Ordnung und der Sauberkeit. Vor kurzem erzählte mir eine Mutter, dass sie ihren Sohn als Kind kaum dazu bringen konnte, in die Badewanne zu steigen, seitdem er in der Pubertät ist, habe sie Probleme, ihn wieder aus der Dusche herauszubekommen. So schnell können sich Sauberkeitsvorstellungen gerade bei uns Menschen ändern, wenn wir einem Trend folgen.

Um Reinigungsvorschriften geht es auch im heutigen Evangelium. Die Jünger Jesu haben sich vor dem Essen nicht die Hände in einer Schüssel mit Wasser gewaschen, denn das schreibt das jüdische Gesetz vor. Es ging hier nicht in erster Linie um saubere Hände, wie wir sie beim Essen am Mittagstisch gerne sehen, das war sicher ein Nebeneffekt, es ging um eine rituelle Handlung, um ein Gesetz das einzuhalten war. Ebenso wuschen sich die Juden morgens vor dem Aufstehen die Hände, wenn sie auf dem Friedhof gingen und bei anderen Gelegenheiten.

Die Händewaschung, die ich bei der Gabenbereitung halte, hat genau hier ihren Ursprung. Sie soll mich als Priester immer wieder neu daran erinnern, dass Pilatus seine Hände, wie er sagte „in Unschuld“ gewaschen hat, als er den unschuldigen Jesus schuldig sprach. Deshalb sage ich oft leise, manchmal auch hörbar, während mir die Messdiener das Wasser über die Hände schütten: „Herr wasche ab meine Schuld, von meinen Sünden mache mich rein.“ Um noch einmal anzudeuten: „Herr lass mich jetzt nicht diese Messe oberflächlich feiern, sondern innerlich, mit dem Herzen bei dir.“ Es geht also hier nicht in erster Linie um meine sauberen Hände, die Wasche ich mir oft kurz vor Beginn der Messe. Es geht um eine äußere Geste, die eine innere Herzenshaltung ausdrücken soll. Es geht um die Sprache des Herzens, die für uns im Glauben eine ganz wichtige Rolle spielt, wenn unser Glaube ein lebendiger Glaube sein soll.

Und genau hier setzt auch die Kritik Jesu an den Pharisäern an. Sie kannten alle 613 jüdischen Vorschriften dem Buchstaben nach und führten alle ganz korrekt und ordentlich aus. Aber ihr äußerliches Tun stand nicht mehr in einem Zusammenhang mit ihrem innerlichen Empfinden. Ihr Glaube und das Praktizieren ihres Glaubens war ihnen zu einer reinen Gewohnheit geworden. Was ihnen bei alle dem Einhalten ihrer Vorschriften fehlte, war das wesentliche: Die Liebe zu Gott. Die Liebe, die aus dem Herzen kommt und dem gilt, für den ich all das tue, sie war ihnen verloren gegangen, darum waren sie auch hartherzig geworden.

Jesus zitiert ihnen den Propheten Jesaja: „Diese Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir.“ Er kann das zu ihnen sagen, weil er ihre Herzen kennt, um ihre Herzenshaltung und ihre innere Einstellung weiß, denn er ist Gott. Er kennt auch unsere Herzen, unser inneres Empfinden und lädt uns als Christen ein, das was wir hier tun, ihm zuliebe zu tun. Damit unser Glaube innerlich und äußerlich lebendig ist, kraftvoll und geprägt durch die Liebe und den Antrieb des Heiligen Geistes. (pm)


Letzte Änderung: 28.08.2012 um 19:56

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