Lesejahr C 2012/13

"Warum barmherzig sein?" (5. Fastensonntag - Lesejahr C)

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"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“

Nein, Steine müssen es nicht unbedingt sein, es können auch Worte sein, Schlagfertige Argumente oder einfach eine gewalttätige Mutprobe gegenüber einem Hilflosen. So wie im Januar, als vier Jugendliche, noch nicht einmal volljährig, im Bahnhof einen geistig behinderten Mann treten und krankenhausreif schlagen. Aus einer Laune heraus, nachts um 1 Uhr, ohne Motiv, einfach so. Ich frage mich, was die dort um 1 Uhr zu suchen hatten, ob es da auch Eltern gibt und vor allem, was Erziehung und Werte denen bedeuten. Denn solch ein menschenverachtendes Tun wirft auch ein Licht auf jede, die sie großgezogen haben.

„Wetten, dass du dich nichts traust, ihm ins Gesicht zu schlagen“, und schon fliegen die Fäuste. Sie laufen dem Mann nach, treten ihm abwechselnd von hinten die Beine weg, ohne dass dieser Gegenwehr leistet. Mindestens 15 bis 20 Mal schlagen sie ihm ins Gesicht, auf die Brust und gegen den Kopf. Nach zehn Minuten lassen sie von ihm ab, so dass er später mit Platzwunden, schweren Prellungen und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus kommt. Nachdem die Polizei die Täter fasst, sind zwei von ihnen geständig, aber keiner der Jugendlichen zeigt Reue, keiner Einsicht oder gar ein Schuldbewusstsein. Warum auch, wenn ich kein Unrechtsbewusstsein mehr habe, dann erkenne ich auch keine Verantwortung gegenüber Gott und dem einzelnen Menschen. Dann kann ich mir auch einmal so einen „Freizeitkick“ geben, denn womöglich kriegt es ja keiner mit.

Das sollte uns nachdenklich machen und vor allem mit der Frage konfrontieren: „War es nützlich, Themen wie Schuld und Sünde aus unserer Gesellschaft zu verdrängen, ja sie zu dämonisieren und gerade denen in der Kirche, die davor gewarnt haben, mit einem müden Lächeln zu begegnen?“ Ich habe den Eindruck, dass die Erziehung zur Gottes- und Nächstenliebe immer mehr der Gewalt und dem Egoismus Platz machen muss, wenn in vielen Kinderzimmern schon nicht mehr gespielt wird, geschweige denn mit Kindern gebetet wird, sondern sich diese mit gewalttätigen Computerspielen die Zeit vertreiben. Wir ernten das, was seit viele Jahren in unserer Gesellschaft mehr und mehr ausgesät wird, und dem sich Kinder und Jugendliche ja fast gar nicht mehr entziehen können, weil es angeblich alle so machen.

Da wirkt doch das heutige Evangelium gerade schon grotesk! Eine Frau oder ein Mann beim Ehebruch zu ertappen, was soll denn daran heute noch Sünde sein, so ein Seitensprung stärkt das das eigene Ego? Nein, Jesus müsste wohl heute nicht mehr mit Steinewerfern rechen und das ist auch gut so. Aber ich kann mir vorstellen, wie die Gesellschaft reagieren würde, wenn er auch heute wiederholen würde: „Geh und sündige nicht mehr.“

„Das geht doch den nichts an, was bildet der sich denn ein, kommt der aus dem Mittelalter?“ Es würde wohl ein medialer Tsunami über ihm losbrechen: „Religionsstifter schreibt Eheleuten vor, wie sie ihre Beziehungen zu leben haben.“ Verstehen kann man das Verhalten Jesu wohl besser, wenn man sich diese Ehrfurcht vor Gott noch im Herzen bewahrt hat. Die Ehrfurcht gegenüber einem barmherzigen Gott, der uns in der Taufe mit einer Würde beschenkt hat, die uns wirklich frei macht und damit auch in die Verantwortung nimmt für unser Leben. Diese Frau im Evangelium nennt Jesus jedenfalls „Kyrios“, erhöhter Herr, denn sie hat in ihm den Sohn des lebendigen Gottes erkannt. Eines Gottes der nicht gekommen ist uns zu verurteilen, sondern uns aufzurichten und zu retten für das ewige Leben bei ihm. (pm)

Letzte Änderung: 16.03.2013 um 10:52


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