Lesejahr B 2011/12

Wenn Hirten nicht mehr hüten ... (16. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B)

Geschrieben von (pm) am 19.07.2012
Lesejahr B 2011/12 >>

"Wenn Hirten nicht mehr hüten“, dann kann es passieren, dass ihre Schafe unter die Räder kommen. So wie dies vor einigen Jahren zu lesen war, als bei dem Zugunglück in der Nähe von Fulda, Schafe auf Bahngleise liefen. Vielleicht erinnern sie sich noch daran, dass ein ICE damals mit einer Schafherde kollidierte. Der Schafhirte gab an, dass ein Fremder die Tiere von der Weide auf die Bahnlinie getrieben habe. Zum Glück kam kein Mensch zu dauerhaftem Schaden. Schafe, die keinen Hirten haben oder auf einen Fremden hören, können mitunter in große Gefahr kommen oder zu einer Gefahr werden.

Zur Zeit Jesu war eine Schafherde oft für das ganze Vermögen einer Großfamilie ausschlaggebend, ihr ganzer Reichtum. Sie in die Hände eines Hirten zu geben, bedeutete eine große Verantwortung in ihn zu setzen. Die Könige Israels trugen den Ehrentitel „Hirte“ in Bezug auf ihr Volk, damit sie nie vergaßen, dass es ihre Aufgabe war sich um das Wohl der ihnen von Gott anvertrauten Menschen zu kümmern und nicht über sie zu herrschen. Und doch gab es keinen König in Israel, der im Laufe seiner Regierungszeit seinen Hirtendienst nicht auch vernachlässigt hätte. Ob Salomo, Saul, David oder einer der anderen Könige, im Alten Testament können wir nachlesen, dass jeder von ihnen diesem Titel auf Dauer nicht gerecht wurde.

Nur so verstehen wir auch den Psalm 23 in dem es zu Beginn heißt: „Der Herr ist mein Hirte.“ Gott selbst wird hier auch vor den Königen als der wahre und einzig zuverlässige Hirte des Volkes Israel im Gebet angerufen. So erscheint uns die Menschwerdung Jesus in einem anderen Licht, wenn von dem Sohn dieses lebendigen Gottes heute im Evangelium gesagt wird:  Er hatte Mitleid mit den Menschen, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Er ist der gute Hirte, der mit unseren Sorgen und Nöten vertraut ist. Der Hirte, der vom Vater gesandt wurde, um seine Herde, das sind die Menschen aller Zeiten und aller Nationen, zu behüten. Und das schönste daran ist: Jesus war nicht nur damals der gute Hirte, er ist es auch für uns immer noch. Der uns um sich sammelt, auch heute hier in der Messe und von sich selbst sagt, wenn es sein muss, gebe ich mein Leben für die Schafe, stehe ich für den Menschen ein. Das wird uns doch von ihm im Gleichnis von dem verlorenen Schaf deutlich vor Augen geführt. Wo er sagt, dass wenn ein Schaf sich verirrt hat, lasse ich die 99 zurück, um das eine zu suchen, zu finden und es zurückzubringen.

Wir Menschen sind deshalb keine Schafe vor Gott oder wie ich es schon gehört habe: Ein, wie man gerne im Volksmund sagt „dummes“ Schaf, rein nur als Tier gesehen! Natürlich nicht, es ist ja ein Gleichnis, indem uns eine Situation vorgestellt wird, herausgegriffen aus der Umwelt Jesu, wo Hirten und Herden alltäglich zu sehen waren. Um uns beispielhaft zu zeigen wie Gott sich um uns Menschen kümmern möchte und vor allem mit welchen gütigen Augen er auf uns sieht.

Und so können wir auch verstehen, dass er Petrus diesen Hirtendienst, den einst die Könige Israels inne hatten überträgt, als er ihm sagt: „Weide meine Schafe.“ Keine leichte Aufgabe, zumal diese Herde mittlerweile ziemlich groß und verstreut in der Welt anzutreffen ist. Aber auch Petrus hat diese Sicherheit des Gebetes im Psalm 23. Neben seiner universalen Hirtenaufgabe hier in der Kirche es immer noch Christus der unabhängig von Zeit und Ort der wahre Hirte seines Volkes ist und bleibt. Und Jesus lehrte sie lange, so können wir im Evangelium weiter lesen. Neben Essen und Trinken, wie es bei der Speisung der Viertausend der Fall war, gibt Jesus den Menschen auch die Nahrung für die Seele. Das Wort Gottes, das Leben in Fülle verheißt, das Wort der Liebe, das von Gott selber kommt. Das in uns die Kräfte frei machen soll, durch ein Leben aus dem Glauben an sein lebendiges Wort, diese Erde sinnvoll zu gestalten, ihr Ansehen und Würde zu geben.

Darum sagt Jesus an einer anderen Stelle: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ Darum braucht es auch in unserem Leben Zeiten und Orte, an denen wir aufmerksamer auf das Wort unseres Gottes hören können. Wo Ruhe und Stille nicht als ein Störfaktor empfunden werden, wie wir das oft im Wartezimmer bei Ärzten erleben oder im Supermarkt an der Kasse. Und wenn es still wird Menschen nervös und angespannt sind, weil sie die Ruhe nicht mehr ertragen können. Dabei ist es genau diese Ruhe und Stille die mich meinem Gott näher bringt, mich für seine Gegenwart sensibel und aufmerksam macht. Gerade wenn wir uns am Sonntag  um ihn versammelt haben, um ihn zu hören, von ihm zu lernen und ihn in der Kommunion als Kraftquelle für mein Leben zu empfangen. (pm)


Letzte Änderung: 20.07.2012 um 08:14

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