Lesejahr A 2010/11
"Zur Wertigkeit der Gottes- und Nächstenliebe" (13. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A) |
Geschrieben von (pm) am 24.06.2011 |
Ein Satz im heutigen Evangelium erinnerte mich an eine Begebenheit in meiner Jugendzeit. Zusammen mit einer Gruppe von Missionaren hatte ich die Gelegenheit die katholische Kirche in Albanien kennen zu lernen. Dort wurden einige religiöse Projekte von Seiten Deutschlands betreut und so besuchten wir den Bischof und neu gegründete Gebetsgruppen in der Hauptstadt Tirana. Kurz nach der Beendigung der kommunistischen Herrschaft suchten viele der Menschen in diesem Land nach einem religiösen Halt. Der Glaube und die Religion wurden von ihnen als ein freiheitliches Gut angesehen und sehr geschätzt. Und entsprechend war auch unsere Aufnahme in der katholischen Gemeinde in Tirana. Wir wurden herzlich begrüßt und in den Familien zum Essen eingeladen. Einfachste Wohnungen in einem Hochhaus, die aus zwei bis drei Räumen bestanden und wo alles auf engstem Raum untergebracht war. Und so aßen wir zu Abend in einem Zimmer, das gleichzeitig Waschraum, Aufenthaltsraum und Küche war. Zwischen Waschmaschine und Fernsehen stand ein einfacher Tisch an dem die ganze Familie Platz fand. Und man setzte uns die Köstlichkeiten des Landes vor, um uns ihre Gastfreundlichkeit zu zeigen. Wir übersättigte Europäer wurden eingeladen das wenige, was die Familie besaß gemeinsam zu essen. Eine Verweigerung wäre einer Beleidigung gleichgekommen und so bemühten wir uns, diese Gastfreundlichkeit anzunehmen.
„Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frischen Wasser zu trinken gibt, weil er ein Jünger ist – amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.“ Hier wurde mir klar, dass unser christlicher Glaube nur in der Liebe zu Jesus Christus wirklich zu verstehen ist. Und wenn er im Evangelium die Liebe zu ihm über die zur Familie oder den Freunden stellt, dann nicht um gegen das vierte Gebot zu verstoßen. Sondern um uns daran zu erinnern, von wem die Liebe kommt und wer die Liebe ist.
„Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.“ Und diese Liebe schmälert nicht die Liebe zum Vater oder zur Mutter, zum Ehepartner, zum Sohn oder der Tochter, nein, sie verstärkt sie. Aber einseitige Liebe kann unselbständig machen, kann zu Bindungen und Beziehungen führen, die mich als Menschen einengen und mein Leben abschnüren. Jesus selbst hatte eine intensive Bindung zu seiner Mutter Maria und seinem Ziehvater Josef, aber die stärkste Bindung hatte er zu seinem himmlischen Vater. Weil er wusste, dass alle menschlichen Bindungen und Beziehungen einmal enden werden, nur die Beziehung zum himmlischen Vater hat bleibenden Bestand, auch über dieses Leben hinaus. Wie gut tut es da, wenn ich zu Gott beten kann und darf, wenn zum Beispiel der Haussegen einmal schief hängt. Wenn ich diese innere Freiheit habe, in meiner familiären Beziehung auch ich sein zu dürfen. Wenn ich mir nüchtern klarmache, dass mein Leben nicht nur heitere Stunden haben wird, sondern auch schwere und in diesen mein himmlischer Vater an meiner Seite steht.
Der österreichische Dichter Franz Grillparzer hat es einmal so formuliert: „Auf unserem Weg durch das Leben nimmt uns Gott nicht die Lasten ab, aber er stärkt unsere Schultern.“ Darum ist die Liebe zu ihm nie Konkurrenz zu einem Menschen, sondern Kraftquelle im Leben und im Umgang mit denen, die uns lieb geworden sind. (pm)
Letzte Änderung: 25.06.2011 um 11:48
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