Lesejahr A 2010/11

Glaube und Vertrauen (20. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A)

Geschrieben von (pm) am 12.08.2011
Lesejahr A 2010/11 >>

Vielleicht haben sie auch schon einmal eine peinliche Situation erleben müssen, etwa bei einer Veranstaltung oder im Kaufhaus, in der Arztpraxis oder im Krankenhaus, dass da jemand völlig ausgeflippt ist und herum geschrien hat. Da schüttelt man sicherlich erst einmal den Kopf und denkt sich so seines, denn so eine Situation kann mitunter sehr unangenehm sein. Ebenso geht den Jüngern mit dieser Frau, die mit einem anhaltenden schreien hinter Jesus herläuft und sich inmitten der Menschenmenge Gehör verschaffen will.

Es ist ein Hilferuf aus tiefster Not, der aber auf die anwesenden peinlich wirkt: „Herr, erbarme dich!“ Wie oft haben wir am Anfang der Messe diesen Ruf schon an Christus gerichtet: „Herr, erbarme dich.“ Dieser Ruf, der zur Zeit Jesu ein Huldigungsruf an die verehrten Gottheiten oder Herrscher war und den die Juden verwandten um den einzigen Gott Israels anzurufen. Und nun kommt diese kanaanäische Frau, die ja in den Augen der Juden eine Ungläubige ist und spricht Jesus mit diesem Hoheitstitel an, der nur Gott gilt. Sie ist verzweifelt, weil ihre Tochter krank ist, belastet von dunklen Mächten und Ängsten.  Und so ist auch ihr hartnäckiges Auftreten zu verstehen, indem die sich Jesus regelrecht aufdrängt.

Gerade bei schweren Krankheiten von Kindern geben Eltern mitunter alle Zeit und Liebe die sie aufbringen können, um zu helfen. Wie Löwen können Eltern in solchen Situationen für ihre Kinder kämpfen, wenn es ist ihnen wichtig ist, dass diese Hilfe erhalten. Wer weiß, wie viele Versuche die Frau schon unternommen hat und niemand konnte ihrer Tochter helfen.  Wer weiß, wie viele Male sie sich Hoffnungen gemacht hat und wieder enttäuscht wurde. Wer weiß, was es sie für Kraft gekostet hat, sich nun wieder aufzumachen und Jesus um Hilfe zu bitten. Sie will, dass ihre Tochter gesund wird, koste es was es wolle, das können wir sicherlich alle gut verstehen.

Und so drängen die Jünger Jesus ihre Anliegen doch endlich zu erfüllen, damit sie ruhe gibt. Er aber sieht seine erste Aufgabe darin, den Menschen im Volk Israel das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken zu heilen, nicht bei Andersgläubigen. Dieses Evangelium wurde für uns aufgeschrieben, weil der Glaube dieser Frau so überzeugend war, dass Jesus sozusagen über seinen eigenen Schatten springt. Eine Provokation für die damalige Zeit, zumal das Volk der Kanaaniter als sehr Judenfeindlich galt. „Frau, dein Glaube ist groß“, ja, die kanaanäische Frau ist bei Jesus an der richtigen Adresse. Nicht nur wegen ihrer Not, sondern wegen ihres Vertrauens in ihn, das ihr die Kraft gab, nicht gleich aufzugeben. Hätte sie nicht bei der ersten Abweisung auch sagen können: „Jesus, du erzählst von Gottes großer Barmherzigkeit, und jetzt weist du mich ab, ich bin enttäuscht von dir, du bist unglaubwürdig.

Christen sind oft gleich enttäuscht, wenn ihre Gebete und Bitten nicht sofort erhört werden oder nicht so, wie sie es gern hätten. Doch der Glaube verlangt mehr, keinen Gott der wie ein Wunschautomat, auf Zuruf und Bedarf Hilfe verspricht. Der Herr sieht auf unsere Herzenshaltung, auf die Ausdauer im Vertrauen und Gebet zu ihm und die Liebe, mit der wir täglich im Glauben an ihn leben. Ja, es geht ihm nicht um das Außergewöhnliche, sondern darum, dass wir das Gewöhnliche, das Alltäglich, mit außergewöhnlich viel Liebe tun. Hier ist er an unserer Seite, oft unbemerkt - aber doch heilsam und heilend. (pm)


Letzte Änderung: 13.08.2011 um 09:05

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