Lesejahr A 2010/11

Hirte und Herde? (4. Ostersonntag - Lesejahr A)

Geschrieben von (pm) am 16.05.2011
Lesejahr A 2010/11 >>

Ein bekanntes Bild zeigt einen alten Mann kniend vor einer offenen Kirchentür, ganz in sich versunken, gestützt auf seinen Hirtenstab. Ein Bild vom verstorbenen Papst Johannes Paul II., als er an Heiligabend im Jahr 1999 in der Vorhalle der Peterskirche in Rom kniete. Die Heilige Pforte, wie man die Eingangstür dieser Kirche auch nennt, wurde zum Beginn des Großen Jubiläumsjahres 2000 geöffnet. "Ich bin die Tür zu den Schafen", sagt Jesus im heutigen Evangelium. Durch mich könnt ihr einen Zugang bekommen zu den Leuten, die "wie Schafe ohne Hirten" sind. Gemeint sich die Menschen, die Christus noch nicht oder nicht mehr kennen.

Aber wie erreichen diejenigen von Ihnen, die nach dem Sinn ihres Lebens fragen? Und wie können wir diese für das Evangelium gewinnen, wenn sie ihre Suche scheinbar schon lange aufgegeben haben? Nicht nur Priester fragen sich das oder Frauen und Männer, die in der Seelsorge tätig sind. Kennen Sie das nicht auch: dass eine Nachbarin urplötzlich so verschlossen ist, dass ein Kollege von Ihnen, der immer so gut gelaunt war, von heute auf morgen schweigsam wird? "Ich bin die Tür zu den Schafen", sagt Jesus. "Geht durch mich hindurch wie durch eine Tür, dann erreicht ihr sie mit meiner Botschaft."  Was das konkret bedeutet, lässt sich gut zeigen am Kniefall des Papstes vor der Heiligen Pforte. Durch Christus, die Tür, gehen heißt: nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und andere überrollen mit meinen ach so klugen Gedanken, sondern beten und sich beugen – und gerade so den Herrn nachahmen, seine Haltung einnehmen. Die Evangelien erzählen es immer wieder: Bevor sich der Herr ins Getümmel wirft, für alle da ist, zieht er sich zurück in die Einsamkeit. Bevor er heilt, schaut er zum Himmel hoch. Bevor er zu den Leuten redet, redet er mit seinem Vater. Weil Jesus nicht seinen Ideen folgen will, fragt er zuerst: "Was willst du, Abba, das ich tun soll?" Jesus macht uns damit klar: Auch wenn es uns dringend vorkommt, reagieren wir nicht zu schnell, sondern warten wir, treten wir in Kontakt mit Gott, bringen wir unsere Sorgen ins Gespräch mit ihm und lassen wir uns von ihm schenken, zu welcher Zeit und an welchem Ort Sie was tun und sagen sollen.

Und ein Zweites kommt hinzu: Gehen wir nicht nur vor Gott auf die Knie, sondern auch vor dem, den wir erreichen möchten. Wenn wir auf die Nachbarin oder den Arbeitskollegen zugehen. Der Herr gibt zuerst den anderen das Wort, will von dem Blinden wissen, was er ihm tun soll, fragt die beiden Jünger, die auf der Suche nach Sinn sind und sich schüchtern ihm nähern, was sie wollen. Machen wir es wie der Herr, indem wir uns für den anderen interessieren: "Wie geht es dir? Was brauchst du?" Wir haben die großartigste Botschaft überhaupt im Gepäck, das Evangelium von Gottes Liebe für jeden Menschen und gerade für die, die nicht mehr weiterwissen, und darum dürfen wir selbstbewusst sein. Aber so, dass die anderen es auch verdauen können, wie Jesus gegenüber seinen Jüngern, vor denen er sich vor niederbeugt, sich zum Sklaven macht, denen er beim Letzten Abendmahl die Füße wäscht. Der Kirchenvater Augustinus hat es so formuliert: "Durch die Tür tritt ein, wer die Demut Christi erkennt. Wer durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe."  

Der verstorbene Papst ist so ein überzeugender Hirte gewesen, weil er nicht nur bei der Öffnung der Heiligen Pforte durch die Tür hineingegangen ist, sondern weil er immer wieder die Haltung Christi angenommen, gebetet hat, auf die Menschen zugegangen ist, auf die Jugendlichen vor allem, die Kranken, die Armen. Darum hat er sie auch erreicht mit seiner Botschaft. Und Johannes Paul II. wirkt weiter bis heute. Auch wir sind eingeladen mit authentischer Menschlichkeit aber auch kerniger Frömmigkeit auf Menschen zuzugehen und ihnen von der frohen Botschaft zu erzählen. Indem wir auch junge Menschen zum Nachdenken bringen: Ruft mich Gott, mit ihm zu leben, in eine Ordensgemeinschaft, in einen Dienst in der Kirche oder in den Priesterberuf? Kann ich auch so ein guter Hirte sein, ein Mensch, der betet und der dient? "Du, Christus, Sohn des lebendigen Gottes, sei für uns die Tür!" hat Johannes Paul II. dann nachdem er Pforte zum Petersdom durchschritten hatte dem Herrn zugerufen. Ein schönes Gebet für alle, die fragen, was Gott von ihnen will.  Übrigens, auch für uns, wenn wir es ernst mit ihm meinen. (pm)


Letzte Änderung: 17.05.2011 um 19:09

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