Lesejahr A 2010/11
Karfreitag (Lesejahr A) |
Geschrieben von (pm) am 20.04.2011 |
Wenn wir den Eindruck haben, dass jemand seinen Kopf hinhalten muss, weil ein großer Skandal einen Schuldigen braucht, dann reden wir gerne vom „Sündenbock.“ Denn die Funktion eines Sündenbockes ist es, Schuld und Fehler die andere begangen haben und nun im Raum stehen, auf sich zu nehmen und so stellvertretend für andere einen Neubeginn zu ermöglichen. Das kennen wir aus der Politik, der Wirtschaft und auch der Kirche.
Seinen religiösen Ursprung hat der Sündenbock im Volk Israel, wo einem Tier, in der Regel einem Ziegenbock, sozusagen begangene Schuld übertragen wurde, um diese dann zu tilgen. Am Jom Kippur, dem Tag der Sündenvergebung im Judentum, machte der Hohepriester die Sünden des Volkes Israel bekannt und übertrug sie durch Handauflegen symbolisch auf einen Ziegenbock. Mit dem Vertreiben des Bocks in die Wüste wurden diese Sünden mitverjagt. Mit dieser religiösen Praxis wollte man eine Zusage von Jahwe erreichen, also sicher sein, dass eine Umkehr möglich ist, meine eigene Schuld vergeben wird. Damals war der Sündenbock ein Tier, heute in unserer säkularen Gesellschaft werden Menschen sozusagen zu Ersatzschuldigen, von denen man dann den Rücktritt aus der Öffentlichkeit verlangt, als „Genugtuung“. Vergeben aber wird nichts, weder Schuld, noch Sünde, noch Fehler. Das erspart der Gesellschaft auch ein Umdenken, einen Neuanfang ist gar nicht mehr nötig, denn der Sündenbock beendet die Diskussion, aber er behebt nicht mehr das Problem. Und ich glaube, dass hier zutiefst der Grund liegt, warm wir durch alle Schichten unserer Gesellschaft hindurch eine zunehmende Unzufriedenheit erleben. Weil immer mehr Menschen unversöhnt mit Gott leben, man gerne für dieses und jenes einen Sündenböcke findet, aber die eigene Schuld nicht mehr vor Gott gebracht und damit vergeben wird.
„Der hat ja leicht reden“, könnte man nun sagen, „so leicht soll es sein, dass die Probleme aus der Welt geschafft werden.“ Ja so leicht ist es, wenn Menschen ihre „Mühseligkeiten und Belastungen“ vor den bringen würden, der sie bereits am Kreuz für sie getragen hat. Denn Christus hat uns nicht von unseren „Diätsünden“ oder „Umweltsünden“ erlöst, er hat uns von unseren persönlichen Sünden erlöst und sich so zum Sündenbock aller Menschen aller Zeiten gemacht. Da schütteln heute nicht wenige den Kopf und sagen: „Was hat der denn für mich getan? Kennt der meine Kämpfe auf der Arbeit, weiß der wir es zu Hause in meiner Familie zugeht, kennt der meine Probleme?“
Ja, er kennt sie und er kannte sie schon, bevor sie auftauchten, denn er ist Gott! Und er hat nicht nur schön geredet, sondern er war bereit einer von uns zu werden, das zu werden, was er am meisten liebt: Mensch. Das Volk der Juden hatte dieses große Vertrauen in Jahwe, dass mit der Übertragung der persönlichen Sünden auf der Tiere Vergebung möglich ist. Und wir, haben wir noch das Vertrauen in Jesus Christus, dass er uns unsere Sünden vergibt? Und wir würden ihn sicherlich heute Nachmittag nicht am Kreuz verehren, wenn wir nicht wüssten, dass er an Ostern auferstanden ist. Eines seiner letzten Worte am Kreuz war "es ist vollbracht“, doch was war vollbracht? Die Passionsgeschichte Jesu ist keine ruhmreiche Erzählung eines Superstars, eines Gurus oder unbesiegbaren Helden. Es ist die totale Hingabe des Sohnes Gottes bis hinein in die tiefsten Abgründe menschlicher Ohnmacht. Menschlich gesehen galt Jesus ja für sein eigenes Volk als gescheitert. Und wenn er uns am Kreuz zuruft, es ist vollbracht, dann ist das ein Ausdruck seiner abgrundtiefen Liebe zu uns. Ja es ist vollbracht, er hat am Kreuz für mich gesiegt, damit ich ihn als Sündenbock in Anspruch nehmen kann und so von Gott her Vergebung erfahre. (pm)
Letzte Änderung: 21.04.2011 um 08:46
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