Lesejahr A 2010/11
Sind Liebe und Gebote vereinbar? (6. Ostersonntag - Lesejahr A) |
Geschrieben von (pm) am 24.05.2011 |
In einem Interview analysierte vor kurzem die französische Philosophieprofessorin Chantal Delsol, den aktuellen Zustand christlichen Glaubens in Europa. In ihrem Beitrag „Wenn die Moral ihr Fundament verliert“, sagte sie unter anderem: „Heute tritt die Religion, die mehr als 2000 Jahre den alten Kontinent mit Blut versorgt hat, in den Hintergrund. Damit nehmen wir Abschied von allem, was die Architektur unserer westlichen Welt ausgemacht hat – nicht um wie manche meinen zum Nihilismus, sondern zu einem vorchristlichen Heidentum und zu Weisheiten zurückzukehren, die es heute noch überall außerhalb des Westens gibt. Die Menschen heute wissen nicht recht, warum sie zur Welt gekommen sind und wofür sie sterben werden. Vor allem aber: Sie versuchen auch gar nicht, es herauszufinden, weil sie meinen, dass es da ohnedies keine Antworten gebe. Im Grunde genommen erscheint es ihnen gleichgültig, sie leben auch ohne Religion sehr gut.“ Aber, so betont Chantal Delsol: „In einer Gesellschaft in der es keine religiösen Grundwahrheiten gibt, ist die Moral instabil, weil sie sich nicht auf Prinzipien stützt. Sie unterliegt daher dem Nützlichkeitsdenken, da sie ja im Dienst des individuellen oder gesellschaftlichen Wohlbefindens steht. Wird es für Menschen `nützlicher´ oder `besser´ Euthanasie zu praktizieren, wird man dies auch tun.“ Das Christentum kann diesem anhaltendem Trend sinnvoll etwas entgegensetzen: „Gott, der Person ist, erschafft den Menschen als Person, `als sein Abbild`, das macht die Würde des Menschen aus.“
Und deshalb kann die Liebe zu Gott auch nicht vom Halten oder nicht Halten seiner Gebote getrennt werden. Denn der christliche Weg zu einem menschlichen Leben ist die Liebe zu Gott und dieser macht sich eben am Halten seiner Gebote fest. Und wo dies nicht mehr geschieht, verwässert der christliche Glaube zu einer gleichgültigen und unbedeutenden Meinung. Egal, was ich da noch glaube, alles ist dasselbe und die Botschaft Christi hat keine tiefere Bedeutung mehr. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen. Vor einigen Monaten erregte ein Künstler, der sich selbst als gläubiger Christ bezeichnet, damit Aufsehen, dass er in Avignon ein Kreuz in seinen eigenen Urin stellte, abfotografierte und dem Ganzen den Namen gab „Piss Christ“, zu Deutsch „Christus in der Pisse“. Empörte Gläubige protestierten gegen dieses Bild, ohne Erfolg. Erst als zwei Museumsbesucher aus Protest die Glasscheibe des Bildes zerschlugen, wurde sie am nächsten Tag von der Presse als „religiöse Fundamentalisten“ beschimpft. Der Künstler wurde befragt, ob er sich nun in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühle, alle anderen nicht.
Die Parteinahme solcher Medienvertreter, gerade gegen christliche Werte die auf den zehn Geboten beruhen, begleitet uns ja mittlerweile täglich. Als vor einigen Wochen in Ungarn das Parlament beschloss, in der neuen Verfassung auf die christlichen Wurzeln des Landes zu verweisen, warnten Kritiker: „Die neue Verfassung beinhaltet Verweise auf Gott und das Christentum, dies sei diskriminierend für Atheisten und Gläubige anderer Religionen. Auch traditionelle Familienwerte, wie die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau, brächten Benachteiligungen für Homosexuelle und Alleinerziehende mit sich. Abtreibungen könnten verboten werden, da die neue Verfassung vorschreibt, das Leben des Fötus sei vom Moment der Empfängnis an zu schützen.“
„Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Viele reden heute noch von der Liebe zu Gott, aber im Grunde ihres Herzens lehnen sie sich dagegen auf. Gott zu lieben heißt mich zu bemühen, ihn und seinen Namen nicht in den Schmutz zu ziehen, ihn am Sonntag zu ehren, ebenso wie meinen Vater und meine Mutter, niemanden zu töten und auch nicht die Ehe zu brechen, nichts zu stehlen, nicht zu lügen, kein fremdes Hab und Gut mir anzueignen. Grundsätze, die den liebenden Respekt vor Gott und seiner Schöpfung und dem Mitmenschen zum Ausdruck bringen. Für uns als Christen und als Kirche Christi werden diese in Zukunft eine große Herausforderung werden. Man wird unsere Glaubwürdigkeit im religiösen Leben nach unserer Lebensweise beurteilen, so wie wir es ja in den letzten Monaten bei den traurigen Missbrauchsfällen unter Priestern erlebt haben. Haben wir den Mut, zu ihm und seinen Geboten zu stehen, auch wenn uns dafür zur Zeit von Andersdenkenden keine große Anerkennung zukommt. Das Christentum war immer schon ein Hinweiszeichen auf die Existenz Gottes, in angenehmen wie auch unangenehmen Zeiten. Und vielleicht werden spätere Generationen einmal erzählen: „Damals war es keine einfache Zeit für die Christen in Europa, aber das hinderte sie nicht daran, an der Liebe zu Gott und seinen Geboten festzuhalten." (pm)
Letzte Änderung: 28.05.2011 um 07:28
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